Essen. Seit Jahresbeginn sind erneut etliche Apotheken verschwunden. Wie viele am Nordrhein und in Westfalen aufgegeben haben und warum.
Das Apothekennetz in Deutschland schrumpft. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Lage angespannt: Seit Jahresbeginn haben 63 Apotheken geschlossen, während nur 16 neue eröffnet wurden. Vor allem kleine Städte und ländliche Regionen spüren das nach Darstellung der Apothekerverbände bereits – längere Wege werden zur Realität für viele Menschen. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, beschreibt die wirtschaftliche Situation als angespannt: „Die steigenden Kosten belasten die Apotheken erheblich, da ihr Honorar seit über zehn Jahren nicht angepasst wurde.“
Immer weniger Apotheken in Deutschland
In Nordrhein gab es von Januar bis September 35 Schließungen und zwölf Neueröffnungen. In Westfalen-Lippe sind es bisher 28 Schließungen bei nur vier Neueröffnungen. Preis nennt gestiegene Personalkosten, teure Mieten und hohe Energiekosten als Hauptursachen. Und er betont, das vierte Quartal sei immer das schlimmste, weil viele ihre Apotheke zum Jahresende schließen würden. „Wir gehen deshalb davon aus, dass noch sehr viele Schließungen hinzukommen werden“, sagt Preis.
Der Rückgang der Apotheken ist bundesweit sichtbar. Deutschland zählte im Jahr 2000 noch 21.592 Apotheken. Wie eine Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ergab, waren es Ende September 2023 nur noch 17.187. Auf 100.000 Einwohner kommen heute 21 Apotheken. Damit liegt Deutschland deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 32 Apotheken je 100.000 Einwohner. In Spanien finden Menschen 47 Apotheken auf dieselbe Einwohnerzahl, in Italien 33.
Apothekenschwund trifft kleine Städte besonders hart
„In vielen Orten bleibt die Versorgung trotz sinkender Apothekenzahlen stabil“, sagt Thomas Preis. „Viele Apotheken stocken ihr Personal auf.“ Allerdings gebe es inzwischen immer mehr Stadtteile, in denen es keine Apotheke mehr gibt, wodurch die Wege für die Menschen länger werden. So hat etwa kürzlich die letzte Apotheke im Bochumer Stadtteil Kornharpen dichtgemacht.
Preis macht auch Lieferengpässe bei Medikamenten für die schwierige Situation der Apotheken mitverantwortlich: „Oft geht zuerst der Arzt, und irgendwann schließt auch die Apotheke. Ein weiterer Grund sind die zunehmenden Probleme mit Lieferengpässen bei Medikamenten.“ Deshalb fordert er bessere Honorare und „eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Apotheken, um ausreichend Personal einstellen und bezahlen zu können. Das ist kein Selbstzweck, sondern dient der Stabilisierung des flächendeckenden Apothekennetzes“.
„Lauterbach plant Apotheken ohne Apotheker“
Nach den jüngsten Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sollen Patienten ihre Medikamente weiterhin in nahegelegenen Apotheken erhalten – jedoch oft nicht mehr von voll ausgebildeten Apothekern. Filialapotheken dürfen demnach auch dann öffnen, wenn ein Apotheker nur in einer anderen Filiale für eine telepharmazeutische Beratung bereitsteht. Ein Kabinettsbeschluss zu dieser Reform steht noch aus.
Thomas Preis kritisiert die Pläne scharf: „Lauterbach will Apotheken ohne Apotheker. Das ist wie ein Flugzeug ohne Piloten, nur mit einem Flugingenieur.“ Angesichts immer mehr älterer Menschen und zunehmender Lieferengpässe sei es entscheidend, dass Apotheken von ausgebildeten Apothekern geführt werden. Der Vorschlag von Lauterbach, so Preis, „würde das Wesen der Apotheke völlig entkernen.“ Er gefährde die Versorgung. Eine fachgerechte Arzneimittelabgabe sei nur durch qualifiziertes Personal vor Ort möglich.
Politik soll Apotheken entlasten
Um die finanzielle Lage der Apotheken kurzfristig zu verbessern, fordert Preis weniger Bürokratie. „Apotheken müssen übermäßig viel Bürokratie erledigen, beispielsweise die Dokumentation der Lieferengpässe gegenüber den Krankenkassen. Das kostet uns wertvolle Zeit. Wenn wir hier entlastet würden, könnten wir die Patienten schneller versorgen und mehr Zeit für die pharmazeutische Beratung nutzen.“ Er hofft auf politische Unterstützung, „damit Apotheken als Teil der Grundversorgung erhalten bleiben“.