Essen. NRW wird seine Klimaziele und die Antriebswende krachend verfehlen, warnt der ADAC. Warum E-Autos derzeit floppen, hat gute Gründe.
Die Auto-Nation Deutschland verschläft den Aufbruch ins Zeitalter der Elektromobilität. Das zeigen Zahlen des ADAC, der in Berlin seinen neuen Mobilitätsindex vorstellte. Dem Verkehrssektor in Deutschland gelinge es nach der Corona-Pandemie nicht, die Nachhaltigkeit zu stärken, heißt es darin. Auch NRW, die Verkehrsdrehscheibe im Herzen Europas, wird Klimaziele und Antriebswende krachend verfehlen, falls der Stillstand bei den E-Autos anhalte, bilanziert der Automobilclub. Warum es trotz der Innovationskraft an Rhein und Ruhr nur noch zum Mittelmaß reicht, hat gute Gründe.
ADAC-Mobilitätsindex: Verkaufs- und Zulassungszahlen von E-Autos stagnieren
Rein elektrisch angetriebene Autos haben in NRW auch nach Jahren immer noch Exotenstatus. Anfang 2024 betrug ihr Anteil am Pkw-Gesamtbestand im Land nicht einmal drei Prozent. Auf 1000 NRW-Bürgerinnen und Bürger kommen rund zwölf E-Autos, hat der ADAC ausgerechnet. In seinem neuen Ranking der Bundesländer ist das Platz sieben.
Was allen Bundesländern gemein ist: Die Wachstumsraten bei den Zulassungen sind aktuell Lichtjahre von den Zielen der Bundesregierung entfernt. Als die Ampelkoalition Ende 2023 über Nacht die Förderung der E-Mobilität in Deutschland beendete, brach der Absatz im folgenden Quartal erwartungsgemäß ein. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden zwischen Januar und März 2024 nur 81.337 E-Autos zugelassen – ein Rückgang von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Als die Hersteller mit Rabattaktionen einsprangen, stiegen die Zulassungszahlen wieder.
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Im März 2024 waren in Deutschland 1,5 Millionen E-Autos zugelassen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen es bis 2030 eigentlich 15 Millionen sein. Erst ein Zehntel erreicht und nur noch sechs Jahre Zeit: „Das ist schon jetzt nicht mehr zu schaffen“, sagt Sascha Coccorullo, Strategie-Leiter des ADAC. Halte der Trend an, sei selbst optimistisch gerechnet im Jahr 2030 nur „ein Bestand von 8,6 Millionen E-Autos möglich“.
Und China? Der Vorsprung des weltgrößten Automarktes wachse und wachse, zeigte eine Studie des Stuttgarter Forschungsinstitutes ZSW. Ende 2023 fuhr jedes zweite der weltweit zugelassenen 42 Millionen E-Autos und Plug-in-Hybriden auf chinesischen Straßen. „Wenn Deutschland auf das selbstgesteckte Ziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis Ende 2030 kommen will, müssen hierzulande jedes Jahr mindestens doppelt so viele Fahrzeuge wie 2022 neu zugelassen werden“, sagte ZSW-Experte Andreas Püttner.
Ausbau der E-Mobilität stockt: Vorbehalte gegen E-Autos halten sich hartnäckig
Vor wenigen Tagen brachte eine Analyse des Versicherers HUK Coburg die Skepsis gegenüber E-Autos auf den Punkt. Demnach haben sich ein Drittel der bisherigen E-Auto-Fahrer bei der Anschaffung eines neuen Fahrzeugs wieder für einen Verbrennungsmotor entschieden. Neben der abgeschafften Förderung sei der Hauptgrund, dass es mit dem Ausbau der Ladestationen nicht schnell genug gehe. Geringe Reichweite, zu wenig Ladepunkte, zu lange Ladezeiten: In den östlichen Bundesländern sei die Ablehnung sowie die Angst, mit leerem Akku liegen zu bleiben, besonders groß.
Dabei sind die meisten Vorbehalte längst überholt, entgegnet ADAC-Experte Coccorullo. Selbst Urlaubsfahrten seien kein Problem mehr, da eine Schnellladesäule die Batterie wieder auf 80 Prozent aufladen könne. „Die Ängste bei der Elektromobilität entsprechen nicht mehr der Wahrheit“, sagt er.
- Lexikon der E-Mobilität: Sprechen Sie E-Auto?
Was Analysen aber immer wieder bestätigen: E-Autos bleiben ein Auto für Besserverdienende. So ist in Bundesländern mit größerer Dichte von E-Autos auch das Durchschnittseinkommen höher, ergaben Studien. Die Listenpreise seien zwar nach dem Stopp der Förderung gesunken, führt der ADAC an. Doch unter 30.000 Euro Kaufpreis gebe es nach wie vor nur eine Hand voll Modelle. Ausnahme: Der Dacia Spring mit nicht mal 200 Kilometern Reichweite im ADAC-Test ist unter 20.000 Euro erhältlich.
Technik, Bürokratie, Kosten: Was in NRW beim Laden von E-Autos schief läuft
Im Register der Bundesnetzagentur lässt sich nachlesen, dass die Zahl der Ladesäulen für Elektroautos in NRW kontinuierlich angestiegen ist. Zum 1. Juli 2024 etwa waren es 26.605 Ladepunkte, ein Jahr zuvor zum 1. Januar 2023 noch 16.813. Umgerechnet auf die Anzahl der E-Autos bedeutet das laut ADAC-Report: Zu Beginn 2024 kamen in NRW auf eine öffentliche Ladestation 13 E-Autos. Im Vergleich der Bundesländer belegt NRW damit nur Platz 13. „Hier hinkt NRW hinterher“, sagt Prof. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC in NRW, dieser Redaktion.
- Elektromobilität: NRW hofft auf schnelle Ladesäulen
Das Hauptproblem liege aber woanders, glaubt Suthold. „Für die aktuelle Anzahl der Elektroautos in NRW gibt es momentan nicht generell zu wenig Ladepunkte. Das Problem ist nach wie vor noch die Ladeleistung.“ Zur Wahrheit, so Suthold, gehöre auch, dass die vorhandenen öffentlichen Ladepunkte laut Branchenverband BDEW derzeit nur zu maximal 25 Prozent des Tages belegt seien. „Wir brauchen noch viel mehr Schnellladepunkte, damit an einem Ladepunkt mehr E-Autos in kürzerer Zeit geladen werden können“, fordert er. Laut ADAC-Report betrug im vergangenen Jahr in NRW die durchschnittliche Ladeleistung an einem öffentlichen Ladepunkt knapp über 34 Kilowatt. Im Länderranking belegt NRW damit nur Platz zwölf. Ab einer Leistung von 50 Kilowatt zählt eine Ladesäule als Schnellladepunkt.
„Für die aktuelle Anzahl der Elektroautos in NRW gibt es momentan nicht generell zu wenig Ladepunkte. Das Problem ist nach wie vor noch die Ladeleistung.“
11.000 dieser Schnellladestationen soll es 2030 in NRW geben, rund 5600 waren es zum 1. September 2024. Das „schnelle Nachladen“ aber ist die mit Abstand teuerste Ladeinfrastruktur: Ultraschnelle Anlagen mit über 320 Kilowatt Ladeleistung kosten mit Tiefbauarbeiten und Betriebskosten weit über 80.000 Euro, so das Netzwerk ElektroMobilität NRW.
„Aus unserer Sicht ist die Einrichtung eines Ladepunktes noch viel zu aufwändig und teuer“, sagt Suthold. Vor allem müssten bürokratische und baurechtliche Hürden abgebaut werden. „Ich kenne einen Fall, wo ein Discounter versucht hat, auf seinem Parkplatz Ladesäulen zu installieren und nach einem Dreivierteljahr entnervt aufgegeben hat, weil die Kommune das Baurecht nicht gegeben hat und dann auch noch der Denkmalschutz Bedenken hatte“, berichtet der ADAC-Experte.
Große Verwirrung an den Ladesäulen: ADAC fordert Durchgreifen
Was Fahrer von E-Autos im Alltag immer wieder verärgert: Bei der Bedienung der Ladesäulen und der Bezahlung gibt es große Unterschiede. Zudem schrecke fehlende Transparenz bei den Ladetarifen die Verbraucher ab, kritisiert der ADAC.
Wer in Deutschland zum ersten Mal an einer öffentlichen Ladestation Strom lädt, hat es tatsächlich schwer, den Überblick zu behalten. Bedient werden kann eine Säule per App oder per Ladekarte. Bei manchen Säulen zahlen Kunden per Kreditkarte, bei anderen per Smartphone oder Rechnung.
Doch wie viel die Kilowattstunde Autostrom kostet, ist wegen der unterschiedlichen Tarifmodelle oft unklar. Es gibt Tarife mit und ohne Grundgebühr, auch kostet das Laden an normalen Ladestationen und Hochleistungs-Ladesäulen unterschiedlich viel. Überhaupt ist Ladestrom für Autos teurer geworden: Fast alle Anbieter haben ihre Preise deutlich angehoben, einige um fast ein Drittel, so der ADAC. Unter 40 Cent pro Kilowattstunde erhielten E-Auto-Fahrende unterwegs selten Energie.
In vielen Kommunen werden die Ladesäulen vom örtlichen Stromversorger betrieben. Und der könne die Preise nahezu allein bestimmen, ärgern sich Experten. „Es ist ein Unding und absolut verbraucherfeindlich, dass man sich mancherorts erst beim örtlichen Anbieter anmelden muss, um die Ladesäule zu benutzen“, sagt auch Suthold. „An jeder Ladesäule sollte es möglich sein, sofort und transparent den dortigen Preis zu erkennen und unkompliziert vor Ort bezahlen zu können, auch wenn man nicht Kunde des Ladesäulenanbieters ist.“
Suthold wünscht sich gar ein härteres Durchgreifen der Wettbewerbshüter: „Wir sehen Handlungsbedarf bei den Ladepreisen, die nicht nur sehr intransparent sind, sondern auch unter fehlendem Wettbewerb leiden“, sagt er in Richtung Bundeskartellamt. „Gibt es nicht mehrere Anbieter in einer Stadt, entstehen Monopole, denen Anwohner ausgeliefert sind und die das Roaming verteuern.“
Viel Luft nach oben sieht der ADAC auf den Autobahnrastanlagen in NRW, wie jüngst eine Untersuchung ergab. Hier sei häufig nur langsames Laden mit deutlich unter 150 Kilowatt möglich. „Dann kostet der Ladevorgang zu viel Zeit“, sagt Suthold. Auch gebe es auf den Rastanlagen längst nicht den Komfort, den man beim Tanken gewohnt sei, mahnt Suthold. Oft seien das die einfachen Dinge: eine Überdachung oder die Bezahlung per Kreditkarte.
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