Essen. Fernwärme gilt als klimaschonende Heizquelle. Doch sie ist teuer, die Preise sind intransparent. Ruhrgebiets-Anbieter steuern gegen.

Draußen wird es kalt, drinnen läuft die Heizung warm: Zu Beginn der neuen Heizperiode schauen viele Menschen mit Sorge auf die Energiepreise. Das gilt insbesondere für Kundinnen und Kunden von Fernwärme, die zwar als klimafreundliche Heizquelle, weil sie Abwärme aus Industriebetrieben, Kraftwerken oder sogar Müllöfen nutzt. Aber Fernwärme ist auch teuer. Anders als bundesweit prognostiziert, kündigen erste Fernwärme-Anbieter aus dem Ruhrgebiet nun an, nach dem heftigen Preisanstieg 2023 wieder günstiger werden zu wollen. Das dürfte zehntausende Kundinnen und Kunden in der Region freuen.

Beim Steag-Unternehmen Iqony, einem der größten Fernwärme-Anbieter in der Region, zeigt man sich dieser Tage jedenfalls optimistisch: „Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass wir das Preisniveau sichern und es sogar in geringerem Umfang senken können“, sagte ein Sprecher dieser Redaktion. Konkreter wurde er nicht, sagte aber deutlich, dass die Spitze der Preisspirale erreicht sei.

Fernwärme von Iqony wurde 2023 um 28 Prozent teurer - nun sinken die Preise

Der Preis für Fernwärme richtet sich vor allem nach den Gaspreisen an den Börsen, allerdings mit einer Verzögerung von etwa einem halben Jahr. Deshalb haben Fernwärme-Kunden nur verspätet erfahren, welche Folgen der russische Überfall auf die Ukraine 2022 für den Energiemarkt hatte. Während die Gas- und Ölpreise kurz nach Kriegsbeginn stiegen, zogen Fernwärme-Anbieter zum Teil erst 2023 nach. Viele Kunden klagten trotz Energiepreisbremse über die hohen Kosten, die sich aus Grundpreis (Anschluss) und Arbeitspreis (Verbrauch) zusammensetzen.

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Iqony hatte im Juli 2023 seinen Arbeitspreis von 11,62 auf 15,85 Cent/kWh erhöht. Der Grundpreis blieb zwar gleich, im Schnitt haben die über 6700 Kundinnen und Kunden in Bottrop, Essen und Gelsenkirchen nach Firmenangaben aber etwa 28 Prozent mehr für ihre Heizenergie gezahlt. 2023 galt noch ein Preisdeckel, der bei Fernwärme bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs lag. Anfang und Mitte 2024 gingen die Iqony-Preise runter - auf aktuell 11,41 Cent/kWh. Noch nicht bekannt ist, wie Arbeits- und Grundpreis weiter sinken.

Duisburg kündigte schon im Sommer Preisnachlässe an

Deutschlandweit gehen Prognosen eher davon aus, dass Fernwärme für Kunden teurer wird. Auf dem bundesweiten Preisportal Heizspiegel.de ist von bis zu 21 Prozent höheren Ausgaben für Kunden die Rede. Das können Energieunternehmen allerdings nicht bestätigen. Sie verweisen auf sinkende Gas-Preise, die sich verspätet auf die Fernwärme niederschlagen. Das könnte allerdings noch nicht bei allen Kunden angekommen sein - etwa bei Mietwohnungen mit nur jährlich abgerechneten Nebenkosten.

Auch in Duisburg können Fernwärmekunden von niedrigeren Kosten ausgehen. Bereits im Sommer hatte der Chef der Fernwärme Duisburg GmbH, Matthias Lötting, angekündigt, dass es ab 2025 für Fernwärmekunden wieder günstiger werden könne. Die Aussage habe Bestand, heißt es jetzt von dem Unternehmen, ohne konkreter zu werden.

In Duisburg gibt es zwei voneinander unabhängige Netze und damit auch unterschiedliche Preise. Im nördlichen Netz ist der Arbeitspreis unlängst auf 9,958 Cent/kWh festgelegt worden. Für das größere zweite Gebiet ist bei aktuell 17,945 Cent zum Jahreswechsel angekündigt, dass die Preise „deutlich gesenkt werden“.

In Bochum sinken für alle die Fernwärme-Preise um fünf Prozent

Konkreter werden die Stadtwerke Bochum: Über die verschiedenen Belieferungszonen der Stadt hinweg habe der Fernwärmearbeitspreis im Jahr 2023 bei durchschnittlich 15,15 Cent/kWh gelegen, so ein Sprecher. 2024 beläuft sich der Preis auf 11,65 ct/kWh - seit Ende 2023 sei der Arbeitspreis also um mehr als 20 Prozent gesunken, der Grundpreis moderat gestiegen. Bereits seit Oktober ist der Arbeitspreis im Bochumer Süden nochmals gesunken - voraussichtlich zum 1. Januar 2025 werde das übrige Stadtgebiet nachziehen. Die Rede ist von minus fünf Prozent.

Auch in Oberhausen und Dortmund sind die Preise bereits gesunken. Die Energieversorgung Oberhausen (EVO) rechnet vor, dass ein Musterhaushalt im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent geringere Ausgaben fürs Heizen haben werde. Die DEW21 in Dortmund hat den Arbeitspreis von 16,92 auf 14,32 Cent/kWh (brutto) für rund 900 Lieferstellen gesenkt, darunter Einfamilienhäuser genauso wie die Westfalenhallen. Obwohl der Grundpreis leicht erhöht wurde, könne ein Acht-Parteien-Musterhaus mehrere Tausend Euro im Jahr sparen, so eine Sprecherin. Hauptenergiequelle ist Abwärme aus den Deutschen Gasrusswerken. Die Preise gingen runter, weil die Brennstoffzusammensetzung verbessert und mehr kostengünstige Abwärme genutzt werde.

Verbraucherschützer: Preise sind für Kunden nicht nachvollziehbar

Trotz der Nachlässe: Im Vergleich zu anderen Energieträgern wie Gas ist Fernwärme teuer. Laut Prognosen von Heizspiegel.de wird Fernwärme für eine durchschnittliche 70 Quadratmeter große Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im Jahr 2024 wohl 1335 Euro kosten. Für Gas liegt die Schätzung bei 1005 Euro.

Unternehmen verweisen auf die hohen Investitionskosten als eine Erklärung für die hohen Abgaben. Nachprüfen lassen sich die äußerst komplizierten Preisformeln kaum: Wie die einzelnen Anbieter ihre Preise kalkulieren, wisse man als Kunde nicht, kritisiert Thomas Zwingmann, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Bei anderen Energieträgern hat man eine viel nähere Kopplung von Marktpreisen und Endverbraucherpreisen.“ Gerade bei den Grundpreisen habe er schon „Angebote jenseits von Gut und Böse“ gesehen.

Anders als bei den Gasanbietern gibt es bei Fernwärme keinen Wettbewerb: Wer Fernwärme bezieht oder als Mieter beziehen muss, kann nur auf den lokalen Anbieter zurückgreifen. Der Bund will die Firmen zu mehr Transparenz treiben. Verbraucherschützer Zwingmann mahnt aber auch zu mehr Realismus: Fernwärme passe nicht überall. „Es ist fatal, wenn so ein teures Netz wie Fernwärme in einer Neubausiedlung ausgebaut wird, in der die Häuser einen geringen Energieverbrauch haben.“ In solchen Fälle lohne sich eher eine Wärmepumpe.