Dortmund. Nach Skandalen fordert Dortmunds Oberbürgermeister harte Konsequenzen für Versorger DEW21. Vorwürfe gegen die frühere Geschäftsführung.

Rund fünf Monate nach Auffliegen von Skandalen um manipulierte Kunden-Abrechnungen und eine teure Energie-Einkaufspolitik bei Tochterunternehmen der Dortmunder Stadtwerke beginnt die politische Aufarbeitung. Im Rat der Stadt soll es am Donnerstag erstmals zu einer öffentlichen Debatte kommen. Bereits am Dienstag forderte Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) dazu auf, harte Konsequenzen aus den Skandalen zu ziehen.

Wenn am Mittwoch, 25. September, der Aufsichtsrat der DEW21 zusammentritt, erhoffen sich bis zu 50.000 Kunden der Ökostrom-Tochter Stadtenergie Klarheit, wann sie für womöglich zu hohe Gas- und Stromrechnungen entschädigt werden. Seit April läuft die Aufarbeitung der Manipulation von Kundendaten, für die ein ehemaliger Prokurist verantwortlich gemacht wird. Gegen seine Freistellung hat der Mann vor dem Arbeitsgericht Dortmund geklagt.

Stadtenergie verbrannte 74 Millionen Euro

Geht es nach Oberbürgermeister Thomas Westphal, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats von DEW21 und der Stadtwerke-Holding DSW21 ist, dürfte es die Stadtenergie aber ohnehin nicht mehr lange geben. „Das Tochterunternehmen Stadtenergie hat aus meiner Sicht keine Zukunft“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion. Damit schlägt sich Westphal auf die Seite derer, die eine Abwicklung des Start-ups fordern, das den Stadtwerken eine bundesweite Kundschaft einbringen sollte, dabei aber in nur wenigen Jahren 74 Millionen Euro verbrannte.

Der Oberbürgermeister sprach sich am Dienstag für noch weitergehende Konsequenzen aus: „Ich bin dafür, dass sich die DEW21 als lokaler und regionaler Versorger von Strom, Gas und Wasser neu aufstellt, nicht länger bundesweit Kunden akquiriert und sich nicht mehr als Handelshaus für Energie betätigt.“ Westphal will den Wirkungskreis des Versorgers also auf Dortmund und Umgebung beschränken und auch die Handelsaktivitäten eingestellt wissen.

DEW21 schrieb 2023 rote Zahlen

„Als etablierter Teilnehmer im Energiehandel schließt DEW21 mit renommierten Energieunternehmen und an Energiebörsen Geschäfte ab“, heißt es dazu noch im Geschäftsbericht für das vergangene Jahr. „Dabei ermöglicht ihr breiter Marktzugang wettbewerbsfähige und flexible Energiebeschaffung - stets im Sinne der Kunden - Energie nach Maß zu attraktiven Preisen.“

Damit reagiert Westphal auch auf Skandal Nummer zwei: die kostspielige Beschaffungspolitik bei DEW21 während der Energiekrise in den Jahren 2022 und 2023. Als Folge fuhr der Versorger im vergangenen Jahr einen Verlust von 3,6 Millionen ein. Zudem erhielt die damalige DEW21-Chefin Heike Heim, die inzwischen zur Vorstandsvorsitzenden der Holding DSW21 aufgestiegen war, im Juli die fristlose Kündigung.

Westphal: „Im Aufsichtsrat waren Risikooptionen nicht bekannt“

Westphal unterstrich am Dienstag, dass der Aufsichtsrat nichts über die neue Beschaffungsstrategie gewusst habe. „Im Aufsichtsrat waren Risikopositionen, die durch die Beschaffungsstrategie aufgebaut wurden, und offensichtlich die gesteckten Grenzen des Aufsichtsrats deutlich überschritten, nicht bekannt“, sagte er und fügte im Hinblick auf die Geschäftsführung um Heike Heim hinzu: „Scheinbar glaubten einige Verantwortliche bei der DEW damals, schlauer zu sein als der gesamte Markt.“

Der Oberbürgermeister erklärte, dass im Aufsichtsrat allerdings regelmäßig über die drohende Gasmangellage und eine Bürgschaft für DEW21 gesprochen worden sei. „Im Zeitraum 2022/2023 hatten nahezu alle Stadtwerke in Deutschland Liquiditätsprobleme. In Dortmund hatten wir uns dagegen entschieden, den Rettungsschirm der NRW-Landesregierung zu nutzen. Die Konditionen erschienen uns nicht ausreichend“, so Westphal. Die Stadt Dortmund habe dem eigenen Versorger deshalb eine Bürgschaft für Liquiditätskredite zur Verfügung gestellt. „Die Liquiditätssituation von DEW21 war damals natürlich ständig Thema im Aufsichtsrat.“

In der Rekonstruktion der Vorgänge bei DEW21 während der Zuspitzung der Energiekrise 2022 durch unsere Redaktion berichten Insider und Beteiligte, die sämtlich anonym bleiben wollen, wie die Energiebeschaffung im Jahr 2022 zeitweise völlig aus den Fugen geriet und der Handel sogar für vier Wochen ausgesetzt werden musste. „Wir waren im totalen Blindflug”, sagte einer, der damals dabei war. Davon soll den Angaben zufolge auch der Aufsichtsrat Kenntnis gehabt haben.