Essen. Musikkonzerte werden zu Mega-Events. Wie stark schädigen die Shows von Adele, Coldplay oder Taylor Swift das Klima? Eine neue Studie überrascht.
Mega-Stars reisen nicht mehr zu ihren Fans, die Fans reisen zu ihnen. Doch die Idee, riesige Musikkonzerte an einem zentralen Ort an mehreren Tagen hintereinander zu veranstalten, wird in der Klimakrise zum Problem. Das liegt vor allem an der Anreise der Fans. Klimaschützer fordern ein Umdenken, damit auch Mega-Konzerte in Zeiten des Klimawandels möglich sind.
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Es war ein Musiksommer der Superlative: Taylor Swift, Coldplay – und als Megaevent „Adele in Munich“. Zehn ausverkaufte Konzerte in München, zehn Mal 74.000 Zuschauer in der eigens für den britischen Megastar gebauten Adele-Arena am Messegelände. Mit über 90 Millionen Euro Produktionskosten war die Konzertreihe eine der bisher teuersten Veranstaltung weltweit – und wurde zum Millionengeschäft.
Wer Adele nah sein wollte, zahlte 400 Euro und mehr für das Ticket, VIP-Pakete kosteten ein Vielfaches. Wer weiter weg saß, blickte auf den weltgrößten Outdoor-Bildschirm, mit einer Breite von 220 Metern. Auch für die Münchner Hoteliers und Gastronomen war Adeles Besuch in der bayerischen Metropole ein Hauptgewinn: Eine halbe Milliarde Euro Umsatz ließen die Fans in der Stadt. Doch nicht alles an diesem Mega-Event war nachhaltig und gut.
Schlechte Ökobilanz: Anreise der Fans verursacht Großteil der Emissionen
Studien werfen nun die Frage auf, ob und mit welchem Konzept Megakonzerte wie diese in Zeiten der Klimakrise stattfinden sollten. Während Taylor Swift durch Europa tourte und aus Gelsenkirchen Swiftkirchen machte, entschied sich Adele dazu, sämtliche Konzerte an einem zentralen Ort stattfinden zu lassen. Doch damit verursachte die Britin deutlich höhere CO2-Emissionen als andere Veranstaltungen, so die Berechnungen. Wie kommt das?
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Tatsächlich ist die Idee eines zentralen Veranstaltungsorts in München nur auf den ersten Blick nachhaltiger. Zwar mussten Künstlerin und ihre Crew viel weniger reisen, die Bühne nur einmal auf- und wieder abgebaut werden. Doch das wahre Problem im Musikgeschäft ist die Anreise der Fans mit dem Flugzeug, die 80 bis 90 Prozent der gesamten CO2-Emissonen von Konzerten verursacht.
Fans von Adele flogen aus aller Welt nach München – und sofort wieder ab
Die Adele-Fans sind eine globale Gemeinde. Sie flogen von überall in die bayerische Hauptstadt ein. Nur rund die Hälfte aller Besucherinnen und Besucher kam beim ersten der zehn Konzerte aus Deutschland, ergab eine Analyse der Mobilfunkdaten des Telekommunikationsunternehmens O2 Telefónica.
Weitere Daten zum Zuschauerverhalten hat der Klimaaktivist Julian Vogels von der Initiative „Music Declares Emergency“ erhoben und die Ergebnisse auf dieser Seite veröffentlicht.. Er befragte gemeinsam mit anderen Klimaschützern rund 1400 Konzertbesucher in München, um Informationen über die verwendeten Verkehrsmittel und Reiserouten zu erhalten. Seine Umfrage ergab, dass jede vierte Person (24,3 Prozent) mit dem Flugzeug nach München gereist war. Diese Gruppe verursachte damit über 77 Prozent der gesamten Anreise-Emissionen, so Vogels.
Zudem seien 92 Prozent dieser Reisenden ausschließlich für das Event mit dem Flugzeug angereist. Manche flogen sogar gleich am nächsten Tag in weit entfernte Länder wie Katar oder den USA zurück. „Es ist ein Riesenunterschied, ob ich ein paar Leute im Tour-Tross auf die Reise schicke, oder wie bei Adele das Publikum aus aller Welt anreist“, so Vogels. „Gerade Flüge haben im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln einen exorbitant höheren CO2-Ausstoß.“
AnnenMayKantereit aus Köln überzeugt Fans, auf Bus und Bahn umzusteigen
Laut Berechnung von Vogels verursachten die Konzerte von Adele deutlich höhere CO2-Emissionen pro Kopf als andere Veranstaltungen. Bei Adele waren es demnach 41,1 Kilogramm pro Kopf, bei der Sommer-Tournee der Kölner Band AnnenMayKantereit 2023 betrugen sie laut der Studie „Ticket to ride“ 12,4 Kilogramm, also weniger als ein Drittel. „Hätte Adele zum Beispiel in fünf großen europäischen Städten gespielt, hätte sich die durchschnittliche Anreiseentfernung sicherlich deutlich reduziert, und weniger Menschen hätten das klimaschädliche Flugzeug als Anreiseart gewählt“, glaubt Vogels.
Doch es geht auch anders. Nachhaltig touren ist machbar, sagt die Band AnnenMayKantereit. Auf ihrer Sommertournee 2023 sammelte sie gemeinsam mit der Agentur Changency, der Firma Crowd Impact und mit der Unterstützung ihrer Konzertagentur Landstreicher Booking sowie Fridays for Future Daten über die An- und Abreise der Konzertbesucher. Zugleich entwickelte die Band Strategien, um Fans davon zu überzeugen, mit umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln anzureisen. Knapp 60 Prozent der Zuschauer kamen zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem ÖPNV zu den Konzerten, so die Zahlen der Organisatoren.
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Wie sich eine Welttournee und Nachhaltigkeit zusammenbringen lassen, zeigt Coldplay, eine der derzeit erfolgreichsten Bands. Sie hatte sich zuvor über Jahre von Energieexperten beraten lassen. Bei ihrer „Music Of The Spheres“-Tour, die im März 2022 begann und noch andauert, reduzierte Coldplay nach eigenen Angaben die CO2-Emissionen gegenüber ihrer letzten Welttournee von 2016/17 um 59 Prozent. Coldplay berichtet auf dieser Seite regelmäßig über CO2-Einsparungen und Umweltschutzmaßnahmen im Rahmen ihrer Tournee.
Neben der umweltfreundlichen Anreise der Fans steht auch der Transport und die Produktion der Veranstaltungen im Blickpunkt. Bei den Flügen etwa sei laut Coldplay nachhaltiger Jet-Treibstoff verwendet worden. Dieser wird zu 100 Prozent aus Abfällen wie gebrauchtem Speiseöl aus Restaurants, hergestellt. Dadurch sollen die CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent gesenkt werden können.
Bei Coldplay-Konzerten erzeugen die tanzenden Zuschauer grüne Energie
Die immer aufwändiger gestalteten Bühnenequipments wie auch die riesigen LED-Bildschirme sind Standard, verbrauchen viel Energie. Coldplay will die Shows komplett mit erneuerbarer Energie versorgen. Dafür werden unter anderem an jedem Veranstaltungsort Solaranlagen aufgebaut. Zum Inventar der Band zählt auch der kinetische Stadionboden, der das Hüpfen und Tanzen der Fans in Energie umwandelt. Der Strom wird dann in einer mobilen, wiederaufladbaren Show-Batterie gespeichert. Und letztlich will Coldplay für jedes verkaufte Ticket einen Baum pflanzen.
Sind also klimaneutrale Megakonzerte wirklich möglich? „Kultur muss stattfinden. Konzerte sind Orte des Austauschs, des gemeinsamen Erlebens. Das muss auch in Zeiten der Klimakrise möglich sein“, sagt Julian Vogels. „Wir müssen nur lernen, klug mit unseren Ressourcen umzugehen und Konzerte achtsamer zu planen und durchzuführen.” Vogels wünscht sich, dass Megastars wie Adele ihre Fans motivieren, sich für das Klima einzusetzen. „Das würde den ganzen negativen Fußabdruck ausgleichen.”
Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.