Düsseldorf. In NRW fallen gerade wieder viele Züge kurzfristig aus. Mit Teilzeit-Lokführern wollen die Bahnunternehmen zuverlässiger und pünktlicher werden.
„Kurzfristiger Personalausfall” oder „Erhöhter Krankenstand” steht auf der Anzeigentafel am Bahnhof: In der Ferien- und Urlaubszeit fallen in NRW gerade wieder besonders viele Züge kurzfristig aus. Der Personalmangel stellt die Branche vor massive Probleme - und strapaziert die Nerven der Bahnkunden. Weil der Bedarf an Lokführern in den nächsten Jahren sogar noch größer werden wird, nimmt das Landesprogramm Fokus Bahn eine neue Gruppe ins Visier: Teilzeitkräfte, die neben dem Familienleben zumindest für ein paar Stunden am Tag eine Lok steuern können. Im Herbst beginnt ein erster Kurs, in dem sich Quereinsteiger in Teilzeit als Lokführerin oder Lokführer ausbilden lassen können.
Welche Erwartungen hat Fokus Bahn an das Teilzeit-Projekt?
Die Branche sucht händeringend nach qualifizierten Bewerbern, die sich für den Job in der Lok umschulen lassen. „In Zeiten des Fachkräftemangels ist Flexibilität gefragt”, sagt Heinrich Brüggemann, Projektleiter des Landesprogramms Fokus Bahn, in dem das Land und elf Bahnunternehmen ihre Bemühungen bei der Personalgewinnung bündeln. Die Arbeitgeber müssten stärker auf die Wünsche und Bedürfnisse von Bewerbern eingehen. „Mit dem Teilzeit-Angebot erschließen wir uns eine große Gruppe schulisch und beruflich gut ausgebildeter Arbeitskräfte”, sagt Brüggemann. „Möglicherweise sind es überwiegend Frauen, die so in den Beruf kommen könnten.” Bislang tut sich die Bahn-Branche extrem schwer, Frauen als Lokführerin zu gewinnen.
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Wie wird man überhaupt Lokführer?
Die meisten Lokführer machen keine klassische Ausbildung in der Bahn-Branche, sondern kommen aus einem anderen Beruf und schulen mit einem 12-monatigen Kurs um. Es gibt es Theorieunterricht, dann kommt die Praxis: Rangieren, Strecken fahren und Kundenkontakt gehören zu den Ausbildungsinhalten. Wer die Umschulung geschafft hat, bekomme ein Einstiegsgehalt von rund 4000 Euro inklusive Zulagen - und der Job sei sicher bis zur Rente, wirbt Fokus Bahn. Die Teilzeit-Umschulung wird 16 Monate dauern - dafür müssen die angehenden Lokführer auch nur fünf Stunden pro Tag lernen. Der erste Kurs soll im Oktober starten.
Wie groß ist der Mangel an Lokführern in NRW?
Gut 3000 Lokführerstellen gibt es bei Regionalzügen und S-Bahnen in NRW, davon sind nach letzten Angaben aus der Branche rund 350 unbesetzt. Hinzu kommt: Bis 2027 gehen etwa 20 Prozent der Lokführer in Rente, rechnet das Fokus-Bahn-Projektbüro vor. Gleichzeitig steigt aber der Personalbedarf um etwa 15 Prozent, schätzt Brüggemann. Denn der klimafreundliche ÖPNV soll weiter ausgebaut werden, und durch den letzten Tarifkampf der Lokführergewerkschaft GDL sinkt die Arbeitszeit. „Die Branche hat erkannt, dass sie mehr Beschäftigte in allen Bereichen benötigt. Und das so schnell wie möglich”, sagt Brüggemann.
Welche Folgen hat der Personalmangel für die Fahrgäste?
Die Zuverlässigkeit der Regionalzüge und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr einen neuen Tiefpunkt erreicht. Rund jeder siebte Zug fiel 2023 ganz aus, wie aus dem Qualitätsbericht für den Schienenverkehr in NRW hervorgeht. Neben den vielen Baustellen ist der Personalmangel bei Lokführern ein Hauptgrund dafür. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) macht Bahnkunden auch wenig Hoffnung, dass sich daran kurzfristig etwas ändern werde. „Wir zahlen jetzt die Zeche einer falschen Prioritätensetzung in der Vergangenheit”, sagte er zu den Ergebnissen des Qualitätsberichts.
Wie will die Branche die Situation langfristig in den Griff bekommen?
Seit fünf Jahren bündeln die elf Bahnunternehmen in NRW ihre Bemühungen bei der Personalsuche im Projekt Fokus Bahn. Die NRW-Landesregierung unterstützt das mit Millionenbeträgen. Vor allem versucht das Projekt, neue Gruppen von Arbeitskräften anzusprechen: 200 Migranten, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, wurden als Lokführer qualifiziert - Sprachkurs inklusive. Mit dem Teilzeit-Projekt hofft Fokus Bahn nun, die Branche auch für Frauen attraktiver zu machen, denn bislang ist der Job in der Lok eine klare Männerdomäne.
Was verspricht sich die Branche konkret von den Teilzeit-Kräften?
Für viele Bahnunternehmen seien Teilzeit-Modelle noch „Neuland”, sagt Brüggemann. Weil sich Lokführer während eines Arbeitstages relativ weit von ihrem Wohnort entfernen, sei es organisatorisch nicht ganz einfach, dass sie nach kürzeren Teilzeit-Arbeitstagen wieder am Ausgangsort Feierabend machen können. „Andererseits können wir zusätzliche Kräfte für ein paar Stunden in den Stoßzeiten, wenn viele Pendler auf die Arbeit oder wieder zurück nach Hause wollen, sehr gut brauchen.” Das könne gerade in den wichtigen Kernzeiten Entlastung für die Ballungsräume bringen. (dpa)