Essen. Umfrage: Jeder Vierte will Spiele im Büro heimlich streamen. Was Thyssenkrupp, RWE und Eon dazu sagen und wer von ihnen Public Viewing anbietet.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Von wegen - sagen Millionen Beschäftigte, die von der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land, unter anderem auch in Dortmund und Gelsenkirchen, nichts verpassen wollen. Mehr als jeder dritte Arbeitnehmer will auch während der Arbeit die Spiele gucken – wenn es sein muss, auch heimlich. Das ergab eine Umfrage des Arbeitgeber-Bewertungsportals Kununu. Die großen Konzerne halten das für keine gute Idee, wie Nachfragen bei RWE, Eon und Thyssenkrupp ergaben.
In der repräsentativen Umfrage, an der ausschließlich berufstätige Frauen und Männer teilgenommen haben, gaben 37 Prozent an, Spiele auch während der Arbeitszeit schauen zu wollen. Ein Großteil, nämlich mehr als jeder vierte (27 Prozent) Beschäftigte, geht davon aus, dies heimlich tun zu müssen, vor allem Männer wollen deshalb die Spiele heimlich streamen – auf dem PC-Bildschirm, einem Tablet oder Handy. 16 Prozent erwarten, dass ihr Arbeitgeber während der Arbeitszeit Möglichkeiten schaffen wird, die Spiele im Kollegenkreis gemeinsam schauen zu können.
RWE: EM-Spiele nicht während der Arbeitszeit gucken
Die Anstoßzeiten sind für die meisten Beschäftigten verträglich, von den deutschen Vorrundenspielen findet nur das gegen Ungarn am kommenden Mittwoch, 19. Juni, bereits um 18 Uhr statt. Doch viele Menschen arbeiten auch noch, wenn die anderen Spiele um 21 Uhr angepfiffen werden. Zudem interessieren vor allem in größeren Belegschaften mit Menschen vieler Nationalitäten auch die EM-Spiele ohne deutsche Beteiligung.
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Weil vor allem große Konzerne das aus den vergangenen großen Fußballturnieren nur zu gut wissen, betonen sie auf Anfrage, dass heimliches Streamen arbeitsrechtlich natürlich nicht erlaubt ist. „Jedem Mitarbeiter ist es freigestellt, in seiner Freizeit den Spielen beizuwohnen, aber nicht während der Arbeitszeit“, erklärt etwa der Essener Stromriese RWE. Nachbar Eon, Deutschlands größter Energieversorger, erklärt, es gebe bei Eon „keine zentrale Regelung, die erlaubt, während der Arbeit Fußballspiele zu schauen.“
Allerdings betont Eon seine flexiblen Arbeitszeiten, „die auf den Prinzipien der Selbstständigkeit, Eigenverantwortung sowie einer starken Vertrauenskultur“ beruhten. Und die es den meisten ermögliche, „im Rahmen der Arbeitszeitsouveränität“ ihre Tagesarbeitszeit „unter Beachtung betrieblicher Belange individuell zu gestalten“. Zum Beispiel, um ein Fußballspiel sehen zu können. Firmeneigene Public Viewings sind bei RWE und Eon nicht geplant.
Thyssenkrupp: Public Viewing im Quartier beim Spiel Deutschland-Ungarn
Anders beim Industriekonzern Thyssenkrupp: Er plant in der Essener Zentrale „außerhalb der Arbeitszeit ein After-Work-Public-Viewing zum Spiel Deutschland gegen Ungarn“, also am kommenden Mittwoch um 18 Uhr im Quartier. Dass der Konzern sparen muss, macht freilich auch vor dem Rudelgucken der EM nicht Halt: „Die Speisen und Getränke sind dabei selbst zu bezahlen“, teilt das Unternehmen mit.
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Ansonsten zeigt Thyssenkrupp grundsätzlich Verständnis dafür, dass „zahlreiche Fußballfans natürlich die Spiele ihrer Nationalmannschaft sehen wollen“. Überall dort, wo die Möglichkeit bestehe und die konkrete Tätigkeit es zulasse, „können unsere Mitarbeitenden von einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung Gebrauch machen und die EM-Spiele anschauen“. Während einer Schicht etwa in einem Stahlwerk oder am Hochofen also eher nicht.
Jeder Fünfte nimmt Urlaub für Spieltage oder die Tage danach
Wenn die Arbeitszeiten es nicht zulassen, Fußball zu schauen, gehen vor allem Männer sogar an ihre Urlaubsreserven. Fast jeder fünfte männliche Arbeitnehmer (19 Prozent) plant der Kununu-Umfrage zufolge, an Spieltagen der deutschen Nationalmannschaft oder für den Tag nach den DFB-Spielen Urlaub zu nehmen. Sie wollen während der EM offenbar auch richtig feiern. Von den Frauen nehmen nur sechs Prozent Fußball-Urlaub.
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Was ihre Arbeitgeber nicht freuen wird, ist die Einschätzung vieler Beschäftigter, dass die EM Energie von der Arbeit in den Fußball ableiten wird. Für das eigene Unternehmen erwarten mehr als ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (26 Prozent) einen Rückgang der Produktivität. Mehr als jede und jeder Fünfte befürchtet das auch für sich selbst als Arbeitskraft. Andererseits glauben auch 18 Prozent, dass sie die EM beflügeln und auch im Job anspornen wird, produktiver zu sein.
Kununu-Chefin rät Arbeitgebern zum Rudelgucken mit Belegschaft
„Die Ergebnisse zeigen, dass viele Beschäftigte nach Wegen suchen, um die Spiele zu verfolgen, selbst wenn es bedeutet, während der Arbeitszeit zum Livestream zu greifen“, sagt Kununu-Chefin Nina Zimmermann. Sie rät den Arbeitgebern, ihren Beschäftigten das Schauen der Spiele zu ermöglichen: „Gemeinsame Erlebnisse können die Unternehmenskultur stärken und zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beitragen, solange sie mit der Produktivität im Einklang stehen.“ Arbeitgeber sollten diesen Wunsch nach Teilhabe erkennen und idealerweise flexible Lösungen finden.
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