San Francisco. Die KaDeWe-Gruppe, zu der auch das Alsterhaus gehört, ist insolvent. Die Familie Chirathivat spielt nun die Schlüsselrolle.
Die KaDeWe-Gruppe ist insolvent. Die Mieten für die Luxuskaufhäuser – das Berliner Kaufhaus des Westens, das Alsterhaus in Hamburg und den Oberpollinger in München – sind zu hoch. So hoch, dass „ein nachhaltiges, ertragreiches Wirtschaften nahezu unmöglich“ sei, wie es in der Mitteilung des Unternehmens heißt.
Das will schon was heißen, schließlich hat das KaDeWe etwa im Geschäftsjahr 2022/2023 einen Umsatz von knapp 728 Millionen Euro erwirtschaftet – und damit ein Plus von fast 24 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Geschäftsjahr 2018/2019.
Nun gehen Fachleute davon aus, dass für den Mehrheitseigner der KaDeWe-Gruppe die große Stunde schlagen könnte. Die Central Group aus Thailand könnte das Unternehmen ganz übernehmen. Bislang hält es 50,1 Prozent der Anteile, die übrigen 49,9 gehören einer Tochter der Signa Holding, der Signa Retail, die geordnet abgewickelt werden soll. Die Signa Retail ist Teil des in sich zusammengefallenen Immobilienimperiums des österreichischen Unternehmers René Benko. Gut möglich, dass die Central Group den Sack jetzt zumacht.
Damit fielen die drei wohl bekanntesten Warenhäuser der Bundesrepublik ganz in die Hände einer Kaufmannsdynastie aus Thailand: der Chirathivat-Familie, eine der reichsten Familien Asiens.
Familie Chirathivat: Superreiche mit 100 Jahren Einzelhandelserfahrung
Auf rund 12,4 Milliarden Dollar (11,4 Milliarden Euro) schätzt das Magazin „Forbes“ das Vermögen der Familie, die über ein Konglomerat aus Restaurants und Hotels sowie 120 Kaufhäuser herrscht, darunter 16 Luxuskaufhäuser wie das Londoner Selfridges, das es viermal in Folge zum „Besten Kaufhaus der Welt“ geschafft hat. 500 Luxusmarken führt das Haus, das auch mit Ausstellungen berühmter Künstler, einer Skateboard-Anlage sowie Kinos und Restaurants aufwartet.
Die Corona-Pandemie und die strenge Politik zur Eindämmung der Regierung in Bangkok haben dem Vermögen der rund 200 Köpfe zählenden Familie stark zugesetzt. 2019 schätzte „Forbes“ das Bankkonto der Chirathivats noch auf rund 21 Milliarden Dollar. Dann kam Corona, die Kunden blieben aus, das Vermögen schrumpfte um mehr als die Hälfte, auf 9,5 Milliarden im Jahr 2020. Seitdem wächst es stetig wieder an.
An der Spitze der Central Group steht Tos Chirathivat, 59 Jahre alt, Vater von zwei Kindern, und Enkel des Firmengründers Tiang Chirathivat. Der war 1925 aus Hainan, China, nach Bangkok ausgewandert und hatte 1927 dort seinen ersten Laden eröffnet, einen Zeitungskiosk.
Sein Sohn Samrit – eines von 26 Kindern Tiang Chirathivats – stieg 1956 dann ins Warenhausgeschäft ein. Auf bald 100 Jahre Erfahrung im Geschäft kann die Familie also zurückblicken. Harte Arbeit sei das, „tagein, tagaus“, sagte Tos Chirathivat 2021 in einem seltenen Interview mit der Zeitschrift „Monocle“. „Der Einzelhandel macht keinen Spaß.“
Das hat die vielen Mitglieder der Chirathivat-Familie nicht davon abgehalten, eine Karriere in der Central Group anzustreben. Der Aufsichtsrat besteht zu mehr als der Hälfte aus Familienangehörigen, während das Führungsgremium, das „Executive Committee“, vollständig mit männlichen Abkommen der Familie besetzt ist.
Rapper und Schauspieler: Chirathivat-Familie ist vielseitig
Der Name allein ist dabei noch keine Eintrittskarte ins Unternehmen. Wie tagesschau.de berichtet, müssen Familienmitglieder einen harten Auswahlprozess bestehen, bei dem sie drei Viertel der Stimmen im Aufsichtsrat auf sich vereinen müssen. Ein Familienrat entscheide über den Einsatz des Vermögens und über die Ausbildung der Kinder. Er unterstützt demnach auch solche Angehörige, die sich für ein Leben jenseits der Kaufhaustür entschieden haben – etwa den Schauspieler und Sänger Pachara „Peach“ Chirathivat.
Der 30-Jährige ist ein Superstar, 2,1 Millionen Menschen folgen ihm bei Instagram. Er hat in mehreren thailändischen Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt, darunter „The Billionaire“, ein Biopic über einen thailändischen Unternehmer, der mit frittierten Seetangsnacks zu Reichtum gekommen ist.
Nicht minder berühmt ist der Rapper und Youtuber Patsarakorn „Pok“ Chirathivat, mit 37 Jahren der jüngste Sohn des Vizevorsitzenden der Central Group, Suthikiati Chirathivat, und dessen Ex-Ehefrau, Apasra Hongsakula – ihres Zeichens thailändische Geschäftsfrau und ehemalige Miss Universe. Pok Chirathivat bringt es auf 1,7 Millionen Instagram-Fans und hat über 100 Songs veröffentlicht.
Central Group kann auch verlieren
Ob sich die Central Group am Ende die drei deutschen Luxuskaufhäuser einverleibt, ist bislang offen. Zwar schlug man zu, als nach dem Signa-Kollaps Anteile an der britischen Kaufhauskette Selfridges verfügbar waren.
Doch geht es beim KaDeWe-Insolvenzverfahren rechtlich darum, möglichst viel für die Gläubiger herauszuholen. Sollte nun ein anderer Investor ein höheres Angebot als Central vorlegen, könnte die Chirathivat-Familie die Häuser in Berlin, Hamburg und München los sein, schätzt die „Wirtschaftswoche“.
Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ mutmaßt derweil, die Central Group spekuliere darauf, neben den Kaufhäusern auch die dazugehörenden Immobilien günstiger zu übernehmen – weswegen man aufseiten der Familie Chirathivat nicht bereit gewesen sein könnte, eine Insolvenz der KaDeWe-Gruppe abzuwenden.
Der „Spiegel“ hingegen berichtet, dass die Central Group mit Signa bereits fast einig gewesen sei über eine Komplettübernahme und den Verkauf der KaDeWe-Immobilie an die Thailänder. Kurz vor Abschluss des Deals habe Signa jedoch neue, höhere Forderungen gestellt, wodurch es doch nicht zum Abschluss gekommen sei.
Tos Chirathivat versteht Kaufhaus
Sollten KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger dennoch komplett ins Portfolio der Thais wandern, könnte den Häusern eine rosige Zukunft bevorstehen. Einkaufszentren haben im asiatischen Kulturraum einen hohen Stellenwert: Sie sind nicht nur Shoppinggelegenheit, sondern Orte des Zusammenkommens, mit Kinos, Restaurants und Kulturevents. Kurzum: Die Familie versteht etwas vom Geschäft.
So könnten auch die deutschen Luxuskaufhäuser eine Aufwertung über das Einkaufserlebnis hinaus erfahren, ohne dabei ihren Charakter zu verlieren. „Man muss sich mit den Menschen vor Ort verbinden, mit ihrem Essen, ihrer Kunst und ihrer Kultur“, sagte Tos Chirathivat im „Monocle“-Interview. Schließlich wolle niemand verreisen und dann dasselbe wie zu Hause erleben. „Man möchte etwas anderes sehen.“
Eine Übernahme böte womöglich auch den Beschäftigten der KaDeWe-Gruppe mehr Sicherheit. „Wir denken langfristig“, sagte Tos Chirathivat im November 2021, „und verkaufen fast nie etwas.“