Berlin. Der Fachkräftemangel stellt auch die Ziele beim klimaneutralen Umbau des Landes infrage. Warum die Ausbildung gestärkt werden muss.
Zimmerer statt Physiker, Maurer statt Soziologe oder Bäcker statt BWLer: In den vergangenen Jahren ist die Quote der Auszubildenden mit Abitur gestiegen. Die Entwicklung ist zunächst eine gute Nachricht, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass bei dem einstigen deutschen Erfolgsmodell duale Berufsausbildung vieles im Argen liegt.
Dabei sind die Perspektiven für Azubis, die nach ein paar Jahren vielleicht dann sogar ihren Meister machen, so gut wie nie zuvor. Wer handwerklich etwas drauf hat, einen eigenen Betrieb führt und mit Qualität überzeugt, kann sich vielfach vor Aufträgen kaum retten. Dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zufolge lag die Auftragsreichweite, also der Bestand an Kundenaufträgen, zuletzt bei durchschnittlich zehn Wochen pro Betrieb.
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Man kann zudem davon ausgehen, dass Handwerker zu zentralen Figuren werden, wenn es um den klimaneutralen Umbau des Landes geht. Die alte Ölheizung gegen die Wärmepumpe tauschen oder eine Solaranlage auf das Dach montieren – will Deutschland die ökologische Transformation schaffen, wird das nicht ohne die jungen Menschen gehen, die zuvor erfolgreich eine Berufsausbildung absolviert haben.
Heizung tauschen, Wärmepumpen einbauen: Ohne Fachkräfte wird das nichts
Aber auch sonst hat die betriebliche Lehrzeit einen hohen Wert: Der Fachkräftemangel ist schon jetzt so groß wie nie zuvor. Gibt es zu wenig Erzieherinnen und Erzieher, nicht genug Pflegerinnen und Pfleger oder mangelt es an Busfahrerinnen und Busfahrern, ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wirtschaft und Politik ist die Lage zwar inzwischen klar. Bislang hat man aber zu wenig getan. In Bremen reagierte der dortige Senat mit einer Ausbildungsplatzumlage, auch in Berlin ist ein solches Instrument, was Firmen ohne Ausbildungsplätze zusätzlich mit einer Abgabe belastet, im Gespräch.
Neue Ausbildungsplätze und mehr qualifizierte Bewerber entstehen dadurch aber nicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte erst im Sommer dazu aufgerufen, Jugendliche verstärkt für eine Ausbildung zu motivieren, anstatt sie in ein Studium zu drängen. Auch die Eltern seien in dieser Hinsicht gefragt. Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, will die Bundesregierung zudem verstärkt im Ausland um qualifiziertes Personal werben. Das kann ein Teil der Lösung sein, aber die Krise in der Berufsausbildung ist zuallererst ein innerdeutsches Problem.
Ausbidung: Das Zusammenfinden von Interessent und Betrieb ist die Krux
Vor allem das sogenannte Matching – also, dass die Jugendlichen die für sie passende Lehrstelle finden – ist eine Herausforderung. Das ist an Zahlen sichtbar: 2023 blieben deutschlandweit rund 73.400 Ausbildungsstellen unbesetzt, gleichzeitig hatten 63.700 junge Menschen zum Stichtag 30. September noch keinen Ausbildungsplatz gefunden. Dass sich Jugendliche frühzeitig einen ersten Eindruck von Berufen verschaffen können, wird künftig immer wichtiger sein: 2022 wurde fast jeder dritte Lehrlingsvertrag vorzeitig wieder aufgelöst. Dabei kann sich das Handwerk – ohnehin schon händeringend auf Fachkräftesuche – eigentlich keine Fehlschläge leisten.
Vielfach ist die Wirtschaft in dieser Hinsicht selbst gefragt. Gute Arbeitsbedingungen, keine Überstunden und dass Azubis nicht als „billige“ Arbeitskräfte angesehen werden, nennen Jugendliche als Kriterien für eine moderne Ausbildung. Gut ist, dass zuletzt die gesetzliche Mindestvergütung für Lehrlinge gestiegen ist. Dennoch haben es angehende Bäcker, Frisöre und Lackierer vor allem in Ballungsgebieten schwer, über die Runden zu kommen. Die Zukunft der Berufsausbildung entscheidet sich somit nicht nur am Küchentisch beim Gespräch mit den Eltern und bei der Berufsorientierung zur Schulzeit, sondern auch auf dem Gehaltszettel.
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