Berlin. Die Zahlungsfristen sollen drastisch verkürzt werden, doch nicht nur die Wirtschaft rebelliert. Auch der Justizminister ist dagegen.
Die Europäische Kommission will für Geschäfte zwischen Unternehmen eine verbindliche Zahlungsfrist von maximal 30 Tagen festlegen. Entsprechende Pläne waren kürzlich vorgestellt worden. Jetzt äußert die deutsche Wirtschaft umfassende Bedenken an dem Verordnungsentwurf. Bei vielen Händlern, aber auch Herstellern herrsche große Unruhe über die geplante Zahlungsverzugsverordnung, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks, dieser Redaktion.
„Ganze Branchen rechnen mit schweren wirtschaftlichen Schäden“, so Dercks. „Gerade für kleine und mittlere Händler drohen die Finanzierungskosten deutlich zu steigen. Durch kurze Zahlungsziele müssen die Betriebe den Wareneinkauf häufig zwischenfinanzieren. Die dadurch entstehenden Liquiditätslücken müssen oftmals durch Kredite gedeckt werden.“
Dass Brüssel die Reform der sogenannten Zahlungsverzugsrichtlinie angeht, hat aber durchaus einen ernsten Hintergrund. Zahlen der Kommission zufolge ist gut ein Viertel der Insolvenzen bei kleinen und mittleren Unternehmen innerhalb der EU auf nicht erhaltene Zahlungen zurückzuführen. Pro Sekunde würden derzeit in den Mitgliedsstaaten 500 Rechnungen gestellt, gut die Hälfte davon werde nicht pünktlich bezahlt, rechnet die Kommission vor.
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Viele Insolvenzen auf nicht erhaltene Zahlungen zurückzuführen
Nach der derzeit geltenden Richtlinie beträgt die Standardfrist im Geschäftsverkehr 60 Tage. Generell können Zahlungsfristen aber so vereinbart werden, wie es für alle Vertragspartner am besten passt. Brüssel will künftig keine Abweichungen mehr erlauben. Neben der verkürzten Frist plant die EU auch, dass Mitgliedsstaaten Durchsetzungsbehörden einführen, die sich auf Antrag eines Gläubigers dann um das Eintreiben der jeweiligen Forderungen kümmern sollen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte auf Anfrage Bedenken an der Reform. Er sehe die von Kommission geplanten Änderungen „sehr kritisch“, sagte er dieser Redaktion. „Starre Fristenvorgaben werden den unterschiedlichen Sachverhalten nicht gerecht und lassen der Wirtschaft zu wenig Raum für Vertragsfreiheit. Die geplanten Regelungen sind Ausdruck davon, wie auf EU-Ebene überflüssige Bürokratie geschaffen wird. Genau das gilt es jedoch zu vermeiden. Wir müssen Gesetze machen, die die Wirtschaft von unnötigen Belastungen befreit und ihnen nicht immer neue Bürden auflegt“, erklärte er.
Auch den Vorschlag aus Brüssel, Durchsetzungsbehörden einzurichten, lehnt er ab. „Die Einrichtung weiterer Kontrollinstanzen neben den Gerichten schafft unnötige Doppelstrukturen“, so der FDP-Politiker. Insgesamt sieht das Justizministerium die EU-Pläne als viel zu weitreichend an. Der Vorschlag würde nicht nur missbräuchliches Verhalten adressieren, sondern die Wirtschaft umfassend regulieren. Auch berücksichtige er nicht ausreichend, dass Unternehmen in gleichem Maße sowohl Gläubiger als auch Schuldner seien, hieß es aus dem Haus.
Zahlungsverzug: Deutsche Wirtschaft will Stopp der geplanten Reform
Die Wirtschaft fordert nun „ein klares Stoppschild“ von der Bundesregierung an Brüssel. Es stehe das Überleben vieler mittelständischer Unternehmen auf dem Spiel, so die DIHK. Werden die Kommissionspläne umgesetzt, könnte zum Beispiel die häufig wahrgenommene Rolle der Hersteller oder des Großhandels als „Vorfinanzierer“ so nicht mehr wahrgenommen werden. Das hätte dann, warnt die Kammer, große Auswirkungen für die Liquidität kleiner und mittelständischer Unternehmen.
Das Bundesjustizministerium will die Änderungen noch verhindern. „Wir sind in Brüssel auf verschiedenen Ebenen in Gesprächen, um unsere Position zu kommunizieren und zu erreichen, dass die geschilderten Bedenken bei den weiteren Verhandlungen berücksichtigt werden“, hieß es.
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