Oberhausen/Bochum. Alle Jahre wieder freuen sich Beschäftigte übers Weihnachtsgeld. Manche Chefs in NRW zahlen freiwillig - und nennen dafür vor allem einen Grund.
Hubert Cordes müsste es nicht machen. Keiner hat ihn dazu gezwungen, und trotzdem: Er hat es getan. Jahr für Jahr – und in diesem Jahr gibt es einen besonderen Grund.
„Wir zahlen unseren Beschäftigten Weihnachtsgeld, seit ich mich selbstständig gemacht habe“, sagt der 72-jährige Konditormeister aus Oberhausen. Dabei gibt es keine entsprechende Verpflichtung im Branchentarifvertrag des Konditorhandwerks. Die Zahlung ist also freiwillig. „Wir sind aber nicht der einzige Betrieb, der das so macht“, versichert der Obermeister und Landesinnungsmeister, dessen Betrieb inzwischen von seiner Tochter geführt wird. „Das Thema Weihnachtsgeld ist bei dem Mangel an Arbeitskräften in unserer Branche auch ein Weg, die Leute zu halten.“
Etwa die Hälfte der Beschäftigten erhält 2023 Weihnachtsgeld
Alle Jahre wieder freuen sich Beschäftigte im ganzen Land darüber, wenn sie spätestens mit dem Dezembergehalt auch ein Weihnachtsgeld erhalten. Das gilt wohl besonders in Zeiten einer anhaltend starken Inflation, in der viele Menschen diese Jahressonderzahlung fest in ihre Haushaltskasse einrechnen müssen.
Und doch profitiert längst nicht jede Arbeitnehmerin und nicht jeder Arbeitnehmer von diesem Bonus, den die Gewerkschaften einst in den 50er Jahren erstritten haben. Lediglich 53 Prozent der Beschäftigten in Deutschland erhalten Weihnachtsgeld. Das teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unter Verweis auf eine Online-Befragung von 40.000 Berufstätigen mit. Ein entscheidendes Kriterium ist demnach, ob jemand nach Tarifvertrag bezahlt wird: Unter Beschäftigten mit Tarif gaben 77 Prozent an, Weihnachtsgeld zu erhalten - in Betrieben ohne Tarifbindung waren es lediglich 42 Prozent.
Und wie so oft, kommt es auch hier aufs Kleingedruckte an: Der Gehaltstarifvertrag des Konditorhandwerks in NRW etwa ist von 2011 und lange überholt. Offiziell ist so etwas wie Weihnachtsgeld dort nicht geregelt – im NRW-Tarifregister fällt die Branche damit ebenso wie das Fleischerhandwerk als Ausnahme auf.
Die oft kleinen und familiengeführten Betriebe gehen längst eigene Wege, um ihre Mitarbeitenden vor den Festtagen zu honorieren. Sie verteilen Aufmerksamkeiten, mancherorts gibt es Geldkarten für das eigene Geschäft oder aber Arbeitgeber stocken die Gehaltsabrechnung auf.
Weihnachtsgeld als Anerkennung und Goodie, um Arbeitskräfte zu halten
Zwischen 20 und 600 bis 700 Euro bekommen die Beschäftigten des Oberhausener „Café Cordes“, gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit. Die Frauen im Laden freuten sich auch über kleinere Beträge, sagt Cordes. „Es ist eine kleine Anerkennung, aber ich habe den Eindruck, dass sie einfach wichtiger wird.“
Das ist auch die Einschätzung der Gewerkschaften. In Stellenausschreibungen werde inzwischen mit Weihnachtsgeld als eine Art „Goodie“ geworben, sagt eine Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in NRW. „Zum Anfang der 2000er-Jahre gab es durchaus den Druck, dass Unternehmen weg von solchen Sonderzahlungen kommen wollten. Das hat sich gedreht. Den Betrieben ist klar, dass sonst noch mehr Menschen als Arbeitskräfte verloren gehen.“
Grundsätzlich ist das Weihnachtsgeld nur dann verpflichtend, wenn es im Arbeits- bzw. Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung zugesichert wird. Insgesamt stemmt die deutsche Wirtschaft Milliarden-Mehrausgaben, die zum Jahresende auch den Konsum ankurbeln sollen: Laut Statistischem Bundesamt lag das Weihnachtsgeld für Tarifbeschäftigte 2023 bei durchschnittlich 2809 Euro (brutto). Das ist zwar etwa 2,3 Prozent oder 62 Euro mehr als im Vorjahr. Das Plus liegt aber unter der Inflation von zuletzt 3,8 Prozent.
Frauen und befristet Beschäftigte erhalten das 13. Monatsgehalt seltener
Die alljährliche Online-Befragung des WSI zeigt allerhand Unterschiede: Vollzeitbeschäftigte erhalten eher Weihnachtsgeld als Teilzeitbeschäftigte, unbefristet Beschäftigte eher als Menschen mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Männer erhalten mit 55 Prozent zudem immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen (51 Prozent).
Die konkrete Höhe hängt zudem stark vom Wirtschaftszweig ab und reicht von 250 Euro für mittlere Entgeltgruppen in der Landwirtschaft bis zu 3.836 Euro in der Chemischen Industrie. In der Eisen- und Stahlindustrie werden laut WSI sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt (bis zu 3.133 Euro), wobei Weihnachts- und Urlaubsgeld zusammengelegt worden seien. Unter Stadtbeschäftigtengibt es je nach Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des Monatsentgeltes, was bis zu 2.691 in der mittleren Einkommensgruppe entspricht. Als einzigen der 24 große Branchentarifverträge, die das WSI ausgewertet hat, gibt es kein Weihnachtsgeld im Gebäudereinigungshandwerk. Der Bundesinnung-Verband verweist aber auf einen Zuschlag von 150 Prozent auf den Stundenlohn, wenn jemand an Heiligabend oder Silvester arbeitet.
Bochumer Gastronom macht keinen Unterschied beim Weihnachtsgeld
Wo Weihnachtsgeld geregelt ist, zahlen manche Chefs sogar freiwillig drauf: Seran Bahtijari, Geschäftsführer der „Livingroom Gastronomie“ aus Bochum, tut das. Anders als im Tarifvertrag vorgesehen, macht das Unternehmen keinen Unterschied, ob jemand ganz neu im Team oder seit drei Jahren dabei ist. „Beim Weihnachtsgeld behandeln wir alle gleich. Wir wollen so auch neue Mitarbeiter gewinnen.“ Das komme gut an, meint der Bochumer.
Im Tarifvertrag festgeschrieben ist, dass Gastronomie-Beschäftigte 50 Prozent ihres Monatseinkommens als Weihnachtsgeld erhalten. In der mittleren Gehaltsgruppe können das laut WSI bis zu 1.311 Euro sind. Im Restaurant „Livingroom“, zu dem 45 Vollzeit- und 25 Teilzeitkräfte gehören, wird die Sonderzahlung auf die zwölf Monatsgehälter verteilt. „In Absprache mit den Mitarbeitern“, betont Bahtijari, der mit seinem Geschäftspartner Lukas Rüger noch drei weitere Restaurants betreibt.
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Im Betrieb gebe es flache Hierarchien, sagt der Gastronom und gibt ein weiteres Beispiel: Genauso abgesprochen worden sei, wann das Restaurant an den Weihnachtsfeiertagen und zum Jahresende überhaupt geöffnet werde. Die Mitarbeiter hätten sich einen freien Tag gewünscht: An Silvester bleibe das Haus deshalb geschlossen.