Der Chef des Touristikkonzerns beklagt zu viel Ideologie in Deutschland und fordert mehr Technologieoffenheit und weniger Bürokratie.

Im Hinterland von Antalya hat das Touristikunternehmen TUI zusammen mit seinem türkischen Hotelpartner bereits einen Solarpark errichtet, aus dem grüner Strom preisgünstig in die Hotels des Badeorts fließt. Zudem hat man die Gründung einer Genossenschaft zum Anbau von Wein und Oliven auf Kreta unterstützt. Und die Speisen oder Weine in den Hotelanlagen kommen immer häufiger aus dem jeweiligen regionalen Anbau. TUI will das Reisen klimaneutraler machen.

Zugleich arbeitet der Konzern daran, seine Position als „globaler Player“ auszubauen: als führende Hotelgesellschaft in der Ferienhotellerie, als Kreuzfahrtgesellschaft mit heute 15 Schiffen, als bekannte Marke, die weltweit Reisen samt dem Zusatzgeschäft wie Tickets, Ausflügen oder Mietwagen anbietet. TUI-Chef Sebastian Ebel will auch deshalb hinaus in die Welt, weil er sich vom heimischen Politikbetrieb ziemlich eingeengt fühlt.

Was ärgert Sie an der Bundesregierung?

Sebastian Ebel: Reisen wird von manchen Politikern gebrandmarkt. Das Fliegen wird verteufelt, Kreuzfahrer genauso. Reisen sichert Millionen Arbeitsplätze im Süden Europas oder Nordafrika. Und im aktuellen politischen Umfeld: Menschen, die die Welt kennen, haben auch ein differenziertes Bild auf fremde Länder und Kulturen hier zu Hause. Übersehen wird, dass wir längst in Technologien investieren, die die Umwelt weniger belasten. Wir werden mit Verboten und Regelungen überfrachtet, die es oft im europäischen Ausland nicht gibt. In Portugal haben wir gerade ein neues IT-Zentrum eröffnet, weil es dort sehr gute Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie gibt. Auch in Griechenland oder Dänemark schafft man für die Unternehmen Anreize, hierzulande werden Unternehmen inzwischen eher abgeschreckt. Es ist viel Bashing und Ideologie im Spiel. Dabei geht es momentan um das große Ganze für das Land und den Wirtschaftsstandort – Partikularinteressen von Parteien sollten zurücktreten.

Immerhin hat die Bundesregierung im Corona-Jahr 2020 die TUI mit 4,3 Milliarden Euro Staatsgeld gerettet. Da müssten Sie doch dankbar sein …

Ebel: In der Corona-Krise wurde vieles sehr richtig gemacht. Das war beispielhaft und rettete nicht nur ein gesundes Unternehmen, sondern auch die vielen Arbeitsplätze. Am Ende haben wir das Geld vollständig zurückgezahlt, mit Zinsen in dreistelliger Millionenhöhe. Für den Staat war es also auch ein gutes Geschäft.

Was erwarten Sie nun von Berlin?

Ebel: Die Bundesregierung soll belohnen, wenn ein Unternehmen in Technologie, Klimaschutz oder andere sinnvolle Dinge investiert. Wir brauchen mehr Technologieoffenheit, Anreize statt Verbote, Mäßigung bei Regulierung und Bürokratie. Stattdessen werden immer neue Regeln aufgestellt. Dabei macht der Staat selbst seine Hausaufgaben nicht: Die Bahn als Zubringer für Reisen ist unpünktlich, und viele Flieger sind das auch, weil es immer noch keine europäische Flugsicherung gibt. Die Krönung ist, dass wir Reiseunternehmen auch noch die Kunden entschädigen müssen, wenn die staatliche Infrastruktur nicht funktioniert hat.

Inzwischen reisen die Menschen wieder wie selten zuvor. Was hat sich dabei verändert?

Ebel: Der Tourismus wächst, trotz konjunktureller Wolken. Das zeigten der Sommer und der Ausblick auf den Winter. Wir liegen bei den Buchungen aktuell 15 Prozent über dem letzten Winter. Die Kreuzfahrten werden sehr stark nachgefragt, das ist für immer mehr Menschen eine sehr bequeme Art des Reisens, denn das Hotel reist quasi mit. Zudem wird höherwertigerer Urlaub gebucht, und die Reisedauer hat sich verlängert: von im Schnitt neun Tagen auf zehn. Das erscheint wenig, bedeutet aber einen Trend. Wir erleben weiterhin eine Ausdehnung des Reisejahres: Flog man früher nur im Sommer in südliche Länder, gilt das nun auch für das Frühjahr und den Herbst. Griechenland, die Türkei oder Spanien sind mittlerweile rund zehn Monate buchbar, Portugal und die Kapverden kommen stark. Und wem Mallorca zu teuer geworden ist, fliegt an einen anderen Strand. Das Reisebudget der Urlauber ist recht stabil.

Wie wichtig sind Reisebüros für TUI, buchen nicht immer mehr im Internet?

Ebel: Reisebüros sind extrem wichtig für uns, und auch junge Menschen kommen immer häufiger: Sie schätzen, dass man dort gut beraten und das Reisen bequem organisiert wird. Zudem haben sich viele Reisebüros fokussiert: auf Kreuzfahrten, auf Abenteuer, Sport oder Kultururlaube. Letztlich geht es um gute Beratung, Service, die Sicherheit und Vertrauen. Das ist der Vorteil der Pauschalreise. Bei Internetplattformen hat man kaum einen Ansprechpartner bei Rückfragen und keinen Reiseservice vor Ort.

Sie wollen das Unternehmen TUI auch in der digitalen Welt zu einem Weltmarktführer machen. Ist das realistisch?

Ebel: Die Tourismusbranche hat hierzulande rund eine Million Beschäftigte, sogar mehr als die Automobilbauer. Das weiß kaum jemand. Schon jetzt liegen wir weltweit ziemlich weit vorn: Das wollen wir ausbauen, weil wir viel Know-how und exzellente Mitarbeiter haben. Neben dem stationären Vertrieb, Hotels oder Kreuzfahrtschiffen investieren wir in digitale Plattformen. Unsere Vision ist, dass auch in einer immer digitaleren Reisewelt TUI zum Champion wird. Da haben wir ja hier in Europa heute nicht viel zu bieten.