Berlin. Verbraucherzentralen fordern im Kampf gegen hohe Lebensmittelpreise mehr Transparenz. Bedürftige sollten eine Einmalzahlung bekommen.
Steigende Lebensmittelpreise belasten die Verbraucher weiter stark. Zwar ist die Inflation in Deutschland im September im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich zurückgegangen und mit 4,5 Prozent auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch des Ukraine-Krieges gesunken. Doch die Preissteigerungen bei Lebensmitteln bleiben mit 7,5 Prozent erneut deutlich höher.
Besonders kräftig verteuerten sich Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren um 15,3 Prozent, für Brot und Getreideerzeugnisse mussten die Bürgerinnen und Bürger zwölf Prozent mehr bezahlen. Auch Fisch und Meeresfrüchte kosteten 9,6 Prozent mehr, Gemüse 8,4 Prozent und Obst 7,5 Prozent. Günstiger wurden unterdessen Speiseöle um 14,2 Prozent und Butter um 29 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht in der Entwicklung ein Alarmsignal: „Es ist nicht hinnehmbar, dass der Preisanstieg bei Lebensmitteln deutlich über der Inflationsrate liegt“, kritisiert die vzbv-Vorständin Ramona Pop. Die Verbraucher hätten seit Monaten mit ständigen Preiserhöhungen im Supermarkt zu kämpfen und fühlten sich im Stich gelassen. „Die Preisbildung ist maximal intransparent.“ Die Chefin der Verbraucherzentralen fordert deshalb die Bundesregierung zum Handeln auf und einen „Preisgipfel“ mit allen wichtigen Akteuren einzuberufen.
Lebensmittel: Gesunde Ernährung muss sich jeder leisten können
Rund 44 Prozent der Bürger sparen nach einer Umfrage bereits heute aufgrund der Preissteigerungen beim Kauf von Lebensmitteln. „Das ist ein Alarmsignal“, so Pop. „Gesunde und auskömmliche Ernährung darf keine Frage des Geldbeutels sein.“ Die vzbv-Chefin fordert deshalb eine pauschale Einmalzahlung in Höhe von rund 300 Euro für alle Menschen, die sich Lebensmittel kaum mehr leisten könnten. Das Geld könnte wie das Klimageld direkt ausbezahlt werden. „Eine Einmalzahlung, analog zur Energiepreispauschale, hätte eine gezielte Wirkung“, so Pop.
Konkret fordern die Verbraucherschützer zudem mehr Preistransparenz. Supermärkte sollten verpflichtet werden, ihre Preise im Internet zu veröffentlichen. Zudem sollten nach dem Vorbild von Frankreich Preisbeobachtungsstellen eingerichtet werden, die die Preise entlang der gesamten Lieferkette von der Herstellung bis zum Handel erfassen. Zwar behaupten alle Marktteilnehmer, nicht für den Preisanstieg verantwortlich zu sein. „Doch irgendwo muss der Kostentreiber ja stecken“, so Pop. Die Ergebnisse sollten dann im Bundestag diskutiert werden.
Lebensmittel: Warnhinweise für Mogelpackungen
Hersteller sollten zudem verpflichtet werden, Mengenveränderungen – also Mogelpackungen – in Form von „Warnhinweisen“ auf der Verpackung zu kennzeichnen, wie dies in Brasilien üblich ist. Aktuell werden oft die Packungsgrößen von Lebensmitteln verkleinert, während der Preis derselbe bleibt. So hat ein Hersteller die Buttermenge von 250 auf 200 Gramm verringert, der Preis ist aber mit 1,59 Euro gleich geblieben. Dies entspricht einem Preisanstieg von 25 Prozent, so Pop. Kunden könnten heute solche Veränderungen nicht auf den ersten Blick erkennen.
Angesichts der Konzentration im Handel fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband das Bundeskartellamt auf, den Lebensmitteleinzelhandel unter die Lupe zu nehmen. Vor neun Jahren teilten sich vier Handelskonzerne 85 Prozent des Umsatzes – und diese Situation habe sich durch weitere Insolvenzen vermutlich verschärft, so Pop. Wichtig wäre es zu ermitteln, wie sich die Marktstruktur auf die Lebensmittelpreise auswirke. Eine Mehrwertsteuersenkung für Obst und Gemüse hält die vzbv-Chefin zwar für sinnvoll, doch sieht sie dafür aktuell politisch keine Mehrheit.