Berlin. Hohe Zinsen. steigende Energiekosten und der Fachkräftemangel setzen die deutsche Wirtschaft unter Druck. Ifo-Chef Clemens Fuest warnt.
Nach Ansicht von Clemens Fuest, dem Präsidenten des Ifo-Instituts, werden die Arbeitskräfteknappheit und die Energiewende das langfristige Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. "In Deutschland wird das Wachstum in Zukunft schwächer sein", sagte er gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
Der Experte wies auf die demografische Entwicklung hin, die zu einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots führt. Darüber hinaus werde die wirtschaftliche Entwicklung durch die Energiewende belastet, was von der Politik seiner Meinung nach unterschätzt werde. "Die Verknappung des Stromangebots in Deutschland war ein Fehler", so Fuest. Im Frühjahr wurden unter anderem die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet.
Strompreisbremse: Experte fordert langfristige Lösung
Zuletzt hatten Unternehmen der chemischen Industrie gedroht, Teile ihrer Produktion aufgrund hoher Energiekosten ins Ausland zu verlagern. "Die Abwanderungspläne von Firmen der chemischen Industrie sind ernst zu nehmen", betonte Fuest. Eine Lösung könne darin bestehen, mehr Energie zur Verfügung zu stellen.
Eine Strompreisbremse lehnt der Experte allerdings ab. "Ich erwarte, dass die Strompreise in Deutschland dauerhaft höher bleiben als in anderen Ländern", sagte er. Die Kosten für eine Strompreisbremse würden langfristig belasten. Stattdessen sei eine grundlegende Lösung in Form einer Strommarktordnung erforderlich, bei der Strom in Zeiten knapper Versorgung teurer und bei ausreichender Versorgung günstiger ist.
Der Ökonom sieht die größte Belastung jedoch im Mangel an Arbeitskräften in vielen Wirtschaftsbereichen. "Die Arbeitskräfteknappheit wird das Wachstum auch in den kommenden Jahren bremsen", prognostiziert Fuest. Fuest glaubt, dass Fortschritte durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erzielt werden können. Darüber hinaus müsse die Kinderbetreuung verbessert werden, was durch eine bessere Bezahlung erreicht werden könne. Generell erwartet Fuest Verbesserungen, wenn das Steuer- und Transfersystem Anreize schaffe, Vollzeitstellen anstelle von Teilzeitstellen anzunehmen.
Fuest: Konjunkturaussichten sind "nicht so toll"
Ein weiterer wirtschaftlicher Belastungsfaktor sei laut Fuest die nach wie vor hohe Inflation in der Eurozone. Dennoch werde die Europäische Zentralbank (EZB) voraussichtlich nicht weiterhin die Leitzinsen erhöhen. "Schließlich sind die Konjunkturaussichten für die Eurozone nicht so toll", sagte Fuest. Zudem deuteten verschiedene Indikatoren auf eine Abschwächung der Inflation hin. Fuest erwartet vielmehr, dass die EZB ihre Zinsen für längere Zeit auf dem aktuellen Niveau halten wird.
"Für Deutschland sind höhere Zinsen besonders schmerzhaft, da sich die Wirtschaft hier besonders schwach entwickelt", betonte Fuest. "Die EZB macht die Geldpolitik aber für der Eurozone insgesamt." Der Ifo-Chef weist auf das Risiko eines plötzlichen Anstiegs der Energiepreise hin. "Zudem besteht die Gefahr, dass die EZB die Zinsen zu lange zu hoch hält, nachdem sie zunächst die Inflation unterschätzt hatte", sagte der Ifo-Chef. Nach den deutlichen Zinserhöhungen werde es schwer sein, eine Rezession in der Eurozone zu verhindern.
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(amw, dpa)