Berlin. Die Deutschen sind unzufrieden damit, was die Politik gegen Lebensmittelverschwendung tut. Dabei kann jeder und jede selbst viel tun.
Der Blick in den Kühlschrank ist manchmal richtig peinlich. Mal ist eine Tomate faul, dann die Milch sauer, eine Zitrone vertrocknet oder die Himbeeren schimmelig. Alles landet am Ende im Müll. Viele kennen das schlechte Gewissen dabei. Jedes Jahr werden in Deutschland rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. 59 Prozent davon – und damit das meiste mit 6,5 Millionen Tonnen – fällt in Haushalten an, so das Bundesernährungsministerium (BMEL).
Jeder Bürger wirft demnach 78 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. Nicht nur Zuhause, auch in Kantinen und Mensen wird zu oft in zu großen Mengen gekocht. Reste landen schließlich auf dem Müll – etwa 1,9 Millionen Tonnen und damit 17 Prozent. Bei der Verarbeitung entstehen 15 Prozent (1,6 Millionen Tonnen) aller Lebensmittelabfälle. Im Handel nur sieben Prozent (0,8 Millionen Tonnen), da bereits vieles an die Tafeln gespendet wird.
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Bereits im Jahr 2019 hat die Politik eine nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ins Leben gerufen, die auch vom amtierenden grünen Ernährungsminister fortgesetzt wird. „Wir wollen bis 2030 die Lebensmittelabfälle in allen Bereichen halbieren“, bestätigt Cem Özdemir dieser Redaktion.
Lebensmittel: Dieses Ziel verfolgt Cem Özdemir
Doch die meisten Bürgerinnen und Bürger sind unzufrieden. Die Mehrheit von 71,8 Prozent meint, dass die Bundesregierung nicht genug tue, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Nur 12,8 Prozent sind von der Arbeit der Ampel überzeugt. Dies hat eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland ergeben, die dieser Redaktion vorliegt.
Auch Özdemir ist überzeugt: „Wir können es uns einfach nicht leisten, so viel meist genießbares Essen in die Tonne zu werfen. Wenn wir weniger Lebensmittel verschwenden, ist das aktiver Klimaschutz, gut für die Umwelt und unseren Geldbeutel und nicht zuletzt Einsatz gegen den Hunger in der Welt.“
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Doch was hat die Politik konkret getan? Das Ministerium hat im Juni mit 23 Unternehmen aus dem Einzel- und Großhandel einen Pakt gegen Lebensmittelverschwendung abgeschlossen. Zudem wollen Firmen der Außer-Haus-Verpflegung sowie Kantinen ihre Lebensmittelabfälle bis 2025 um 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent senken. Der WWF kritisiert jedoch, dass die Vereinbarungen freiwillig sind und bei Verstoß keine spürbare Sanktionen drohen – außer dem Ausschluss aus der Zielvereinbarung.
Lebensmittel: Was die Umweltschutzorganisation fordert
„Damit lassen sich die Ziele nicht erreichen, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung um 50 Prozent zu reduzieren“, kritisiert Elisa Kollenda, zuständig für ernährungspolitische Fragen beim WWF Deutschland. „Die Bundesregierung muss endlich eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen umsetzen – für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen.“ Dazu gebe es seit 2021 einen Beschluss des Bundesrats, dem die Bundesregierung endlich folgen müsse.
Eine Reduzierung der Abfälle um 50 Prozent könnte sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) an Treibhausgas-Emissionen einsparen, wie ein Gutachten der wissenschaftlichen Beiräte für Ernährungs-, Agrar- und Waldpolitik ergeben hat. Es wäre damit aktiver Klimaschutz. Wichtig ist aber auch das Umdenken der Verbraucher. „Jede und jeder ist gefragt und kann einen Beitrag leisten, etwa indem wir bewusster einkaufen oder nur so viel Essen zubereiten, wie wir auch wirklich verzehren können“, sagt Özdemir.
Das sind laut WWF die wichtigsten Tipps, um der Verschwendung vorzubeugen:
- Bewusst einkaufen: Planen Sie Ihren Einkauf sorgfältig und machen sich eine Einkaufsliste, rät Kollenda. Kaufen Sie Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot und Milchprodukte nur in kleineren Mengen, die Sie tatsächlich in ein paar Tagen auch verbrauchen können. Gehen Sie möglichst nicht hungrig in den Supermarkt und kaufen Sie nur das, was auf der Liste steht.
- Speisekammer ausmisten: Misten Sie mindestens zweimal im Jahr Ihre Speisekammer aus. Kochen Sie aus Resten mit ein paar frischen Zutaten ein Gericht. Lebensmittel, die Sie nicht brauchen, können Sie auch Nachbarn oder Freunden schenken oder über Foodsharing-Plattformen abgeben.
- Reste im Restaurant oder auf Partys mitnehmen: Lassen Sie sich Reste einpacken oder nehmen Sie diese in einem mitgebrachten Behälter mit nach Hause. Fordern Sie ihre Gäste auf, Essensreste mitzunehmen.
- Mindesthaltbarkeitsdatum: Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein Stichtag zum Wegwerfen. Die meisten Produkte können Tage oder sogar Wochen nach Ablauf des aufgedruckten Datums bedenkenlos gegessen werden, sagt die WWF-Expertin. Viele trockene Produkte werden bei richtiger Lagerung nicht schlecht. Nur bei leicht verderblichen Produkten, wie bei Fisch oder Fleisch, sollte das Datum beachtet werden – hier ist nämlich nicht das MHD, sondern ein Verbrauchsdatum aufgedruckt.
- Vorsicht bei Schimmel: Bei Schimmel sollte man vorsichtig sein. Hartkäse ist meist noch essbar, wenn die schimmelige Stelle abgeschnitten wird. Im Brot hingegen kann sich Schimmel auch unsichtbar ausbreiten. Es sollte deshalb immer entsorgt werden.
- Lebensmittel richtig lagern: Alle frischen, leicht verderblichen Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte, süße und würzige Brotaufstriche sowie Soßen und zubereitete Speisen gehören in den Kühlschrank. Auch die meisten Obst- und Gemüsesorten mögen es am liebsten kühl.
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