Berlin. Ein britischer Zulieferer soll bei der Zulassung von Turbinenteilen geschummelt haben. Mehrere große Airlines halten Flieger am Boden.
In der Luftfahrt bahnt sich ein Skandal an. Wie etwa das Branchenmagazin "airdatanews" berichtet, sind mindestens rund 100 Triebwerke des Herstellers CFM im Umlauf, in denen Teile ohne Zulassung der Luftaufsichtsbehörden verbaut sind. Konkret handelt es sich um Turbinen der Typen CFM56 und CF6, die unter anderem in den Modellen Boeing 737 und Airbus A320 und anderen Flugzeugen zum Einsatz kommen.
CFM selbst, ein Gemeinschaftsunternehmen des US-Konzerns General Electric (GE) und des französischen Triebwerksspezialisten Safran, bestätigte in einer Mitteilung, dass eine unbekannte Anzahl seiner Triebwerke mit nicht-zertifizierten Teilen unterwegs sei. Dem Unternehmen zufolge habe ein britischer Zulieferer, AOG Technics, gefälschte Zertifikate für von ihm hergestellte Teile benutzt.
Die CFM-Triebwerke sind in der zivilen und militärischen Luftfahrt weit verbreitet. Neben den Modellen 737 und A320 finden sich Turbinen des Herstellers in großen Maschinen wie der Boeing 767 und der A330. Militärische Flugzeuge wie die P-8A Poseidon, ein Seefernaufklärer, der auch bei der Bundeswehr im Einsatz ist, fliegen ebenfalls mit CFM-Turbinen.
Gefälschte Flugzeugteile: Bislang 100 Triebwerke unter Verdacht
Eine Klage vor dem britischen High Court soll AOG Technics nun dazu zwingen, Dokumente über die in Frage stehenden Teile herauszugeben. Offenbar geht die Produktion mit gefälschten Zertifikaten bis ins Jahr 2015 zurück. CFM will so schnell wie möglich herausfinden, welche Flugzeuge noch mit den nicht-freigegeben Teilen unterwegs sind.
„Sicherheit hat für uns oberste Priorität, und wir gehen aggressiv gegen AOG Technics vor, weil das Unternehmen nicht zugelassene Triebwerksteile mit gefälschten Lufttüchtigkeitsunterlagen verkauft hat“, teilte CFM mit. Man arbeite mit der Branche daran, die nicht zugelassenen Teile aus dem Verkehr zu ziehen.
Bislang hat CFM Berichten zufolge 86 gefälschte Dokumente entdeckt; 100 Triebwerke stehen unter Verdacht.
In Deutschland bislang kein Fall bekannt
In der Luftfahrtbranche weiß man entsprechend schon länger von den Teilen. Die Europäische Luftfahrtbehörde EASA schickte Anfang August eine Warnung. Besitzer, Betreiber, Wartungsunternehmen und Vertreiber wurden aufgefordert, ihre Aufzeichnungen nach Teilen von AOG Technics zu durchforsten. Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat eine ähnliche Warnung herausgegeben.
Deutsche Airlines scheinen von den gefälschten Teilen bislang nicht betroffen. Das Luftfahrt Bundesamt (LBA) teilte unserer Redaktion schriftlich mit, bisher seien aufgrund der von der EASA empfohlenen Maßnahmen "keine unter die Aufsicht des LBA fallenden betroffenen Luftfahrzeuge/Turbinenteile gemeldet worden". Auch gezieltes Nachfragen bei potentiell betroffenen Betreibern unter Aufsicht des LBA hätte bisher keine Meldung ergeben. Man stehe zudem im laufenden Austausch mit der EASA.
Gefälschte Teile in Flugzeugen: Drei Fluglinien betroffen
Außerhalb Deutschlands sind bislang drei Fluglinien bekannt, die Flugzeuge mit den betroffenen Teilen in ihrer Flotte haben. Stand Freitag haben die US-amerikanischen Unternehmen United Airlines und Southwest Airlines sowie die australische Gesellschaft Virgin Australia in ihren Flotten gefälschte Teile entdeckt.
Southwest habe ein Paar Turbinenschaufeln aus einer 737 NG ausgetauscht, verkündete die Airline Anfang September. Bei United waren einem Bericht zufolge zwei Triebwerke betroffen. Die Airline will sie austauschen, bevor sie die Flugzeuge zurück in den Dienst schickt.
Virgin Australia wurde in zwei seiner Boeing 737-800 fündig, beide Maschinen bleiben bis zum Abschluss der Überprüfung am Boden, hieß es. Die Maschinen werden überwiegend für Inlandsflüge genutzt. Bereits vergangene Woche habe die Fluggesellschaft ein Teil von AOG Technic in einer anderen 737 ausgetauscht.