Berlin. Nach dem Erfolg seines Covid-Impfstoffs forscht Biontech an neuen Arzneien – mit viel Potenzial. Doch Anleger sollten genau hinschauen.

Die Adresse „An der Goldgrube“ verheißt als Unternehmenssitz beste Aussichten. Im Falle des Pharmaherstellers Biontech sind sie zumindest in den vergangenen Jahren wahr geworden. Die Impfstoffe gegen das Corona-Virus Covid 19 brachten den Mainzern riesige Gewinne ein. 9,4 Milliarden Euro waren allein im vergangenen Jahr – mit lediglich einem Produkt.

An der Börse wurde Biontech da schon nicht mehr gefeiert. Denn das Ende der Pandemie zeichnete sich ab, und damit auch ein sinkender Bedarf an Impfstoffen. Kostete ein Anteilsschein an der New Yorker Nasdaq im November 2020 nur gut 76 Euro, erreichte der Kurs im November darauf den Rekordwert von 326 Euro und hatte sich innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht. Danach ging es bergab. Aktuell pendelt die Aktie um die Marke von 100 Euro herum.

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Die gerade veröffentlichten Quartalszahlen diesen Jahres belegen den Abwärtstrend bei Umsatz und Gewinn. Gut 1,4 Milliarden Euro nahm das Unternehmen im ersten Halbjahr ein. Ein Jahr zuvor waren es noch 9,5 Milliarden Euro. Der Gewinn ging von 5,3 Milliarden Euro auf nur noch 311 Millionen Euro zurück. Kein Wunder, dass der Kursrekord schnell Geschichte wurde. Doch das muss nicht so bleiben. Analysten der Banken halten teils deutliche Kurssteigerungen für möglich. Im Durchschnitt setzen sie ein Kursziel von 141 Euro.

Biontech-Aktie: Krebstherapie steht im Mittelpunkt

Für den Optimismus gibt es einige gute Gründe. Denn die Impfstoffentwicklung war eigentlich nur ein Nebenprodukt der mRNA-Technologie, mit der Biontech hochwirksame Arzneien insbesondere für die Krebstherapie entwickelt. Das Unternehmen gilt als das derzeit innovativste Pharmaunternehmen Deutschlands und investiert hohe Millionenbeträge in Forschung und Entwicklung. Das können sich die Mainzer auch locker leisten. Von den Pandemie-Gewinnen liegen noch über 14 Milliarden Euro in der Kasse. Dazu kommen noch einmal gut zwei Milliarden Euro an Wertpapieren.

Ein Blick ins Biontech-Labor: Das Unternehmen testet aktuell zwei Arzneien in Phase drei – also an einer großen Gruppe von Menschen.
Ein Blick ins Biontech-Labor: Das Unternehmen testet aktuell zwei Arzneien in Phase drei – also an einer großen Gruppe von Menschen. © picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten

Doch bis neue Therapien marktreif entwickelt und zugelassen worden sind, vergehen viele Jahre. Nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) dauert dieser Prozess im Durchschnitt 13 Jahre und durchläuft mehrere Stadien, noch bevor die eigentliche Erprobung in drei Phasen beginnt. In der ersten wird das Medikament an wenigen gesunden Menschen getestet. Dann folgt der Versuch mit wenigen Kranken. In der vorentscheidenden dritten Phase startet ein Test an vielen Patienten, das können je nach Produkt Tausende sein. Erst wenn diese Hürden überwunden werden, steht der Zulassungsprozess an. Laut VFA schafft es nur eine von 10.000 erprobten Substanzen am Ende auch in die Apotheke.

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Biontech hat eine ganze Reihe an Arzneien auf den Weg gebracht. 26 davon sind derzeit in Phase 1, elf in Phase 2 und zwei in Phase drei. „Wir bringen unsere Onkologie-Pipeline in fortgeschrittene Entwicklungsphasen“, sagt Biontech-Gründer Ugur Sahin. Weitere Studien mit Zulassungspotenzial würden in den kommenden Monaten gestartet. Immuntherapien sollen verschiedene Krebsarten bekämpfen. Sind die Entwicklungen erfolgreich, eröffnen sich für Biontech umsatzstarke Geschäftsfelder, vom medizinischen Nutzen für den Menschen ganz zu schweigen.

Aktien von Biontech: Das sind die neuen Chancen

Aber auch Impfstoffe werden wohl weiterhin gute Erträge bringen, wenngleich nicht mehr im Ausmaß der Pandemiezeit. Derzeit bereitet das Unternehmen die Markteinführung eines angepassten Corona-Impfstoffs vor. Laut einem Bericht der „Ärzte-Zeitung“ stehen die Vakzine kurz vor der Auslieferung. Sollte die behördliche Zulassung rechtzeitig vorliegen, könne das Unternehmen schon im September damit beginnen. Und noch weitere Impfstoffe könnten folgen – etwa in Kombination mit Grippeimpfstoffen.

Ugur Sahin und Özlem Türeci haben das Biotechnologieunternehmens Biontech gegründet.
Ugur Sahin und Özlem Türeci haben das Biotechnologieunternehmens Biontech gegründet. © picture alliance/dpa | Arne Dedert

Die Aussichten für die Aktionäre sind also nicht schlecht, sofern Biontech der eine oder andere Durchbruch bei der Therapieentwicklung gelingt. Geduld ist allerdings gefragt. Denn es gibt auch noch ein Problem, das in die Pandemiezeit zurückreicht. Auch der ebenfalls in Deutschland gegründete Konkurrent Curevac forscht und entwickelt die mRNA-Technologie.

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Zwar haben die Tübinger das Rennen um ein wirksames Vakzin gegen Covid 19 verloren – und statt hoher Milliardenumsätze blieb Curevac in den Startlöchern stecken. Womöglich ändert sich das aber bald, zumindest finanziell. Denn auch die Schwaben besitzen Patente auf die Technologie. Und das Unternehmen behauptet, dass Biontech einige seiner Schutzrechte verletzt hat.

Biontech bestreitet die Verletzung von Patenten

Curevac hat deshalb sowohl in den USA als auch in Deutschland gegen den Konkurrenten geklagt. Es geht in dem deutschen Verfahren um die Verletzung von zwei Patenten und drei Gebrauchsmustern. Ende September will das Gericht seine Entscheidung in dem Fall verkünden. Das kann teuer werden. Denn Curevac fordert für den Fall, dass das Unternehmen Recht bekommt, eine „faire Entschädigung“.

Das Biontech-Logo steht auf einem Lager. Der Markt für Arzneien auf Basis der mRNA-Technologie ist riesig.
Das Biontech-Logo steht auf einem Lager. Der Markt für Arzneien auf Basis der mRNA-Technologie ist riesig. © dpa | Sebastian Gollnow

Über die Höhe machten die Tübinger zwar keine Angaben. Doch dürfte es um einen milliardenschweren Anteil an den Umsätzen von Biotech mit dem Corona-Impfstoff gehen. Auch in den USA hofft Curevac auf die Hilfe der Justiz – dort wären womöglich noch weitaus größere Summen zur Debatte stehen.

Biontech bestreitet indes jegliche Patentrechtsverstöße. Die Entwicklungen seien originär, also vollständig in der eigenen Forschungsabteilung, zum Erfolg geführt worden. Umgekehrt will das Unternehmen beim Bundespatentgericht erreichen, dass ein Patent des Konkurrenten für nichtig erklärt wird. Hier steht im Dezember eine Entscheidung an. In der Branche wird hart gekämpft. Ein Wunder ist das nicht. Denn Experten erwarten aus Therapien der mRNA-Technologie neue Medikamente, für die es weltweit einen riesigen Markt gibt.