Essen. Essener Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof braucht Verstärkung im Verkauf. Viele Beschäftigte waren in der Insolvenz freiwillig gegangen.
Der Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof sucht zur Vorbereitung auf das Weihnachtsgeschäft in großem Umfang neue Arbeitskräfte. Das Ziel sei, deutschlandweit rund „3500 neue Kolleginnen und Kollegen an den Start“ zu bringen, schreiben Unternehmenschef Olivier Van den Bossche und Arbeitsdirektor Guido Mager in einem „Mitarbeiter-Brief“, der unserer Redaktion vorliegt. Gesucht würden „Verkaufsunterstützer“ und „Weihnachtsaushilfen“ für die bundesweit 91 Filialen. Es solle aber auch Ausschreibungen geben, um alle festen Stellen, die derzeit offen seien, zu besetzen. Es gehe um Beschäftigte, „die beraten, verkaufen und kassieren“.
Da in der jüngsten Insolvenz gerade erst viele Beschäftige gehen mussten und vielerorts noch Transfergesellschaften mit Hilfe der Bundesagentur versuchen, sie in neue Jobs zu vermitteln, ist die Einstellungsoffensive von Galeria in dieser Größenordnung bemerkenswert. Das „Recruiting“ sei in allen Filialen angelaufen, erklären die Firmenchefs. „Für die ersten zu besetzenden über 1000 Stellen haben wir bereits innerhalb der ersten Woche eine überwältigende Anzahl von Bewerbungen bekommen.“ Der „Zielwert“ für den Dezember dieses Jahres sei 3500 neue Beschäftigte.
Deutlich weniger Stellen abgebaut als befürchtet
Der letzte große Kaufhauskonzern Deutschlands hat erst Anfang Juni sein zweites Insolvenzverfahren binnen drei Jahren hinter sich gelassen. Ihm fielen wie schon 2020 erneut Dutzende Filialen und etliche Arbeitsplätze zum Opfer. Da in diesem Sommer immer wieder Häuser in letzter Sekunde von der Schließungsliste genommen wurden und doch weiterbetrieben werden, fielen aber auf dem Papier weniger Stellen weg als die ursprünglich von der Gewerkschaft Verdi befürchteten 5000. Sanierer Arndt Geiwitz hatte bereits nach der entscheidenden Gläubigerversammlung Ende März von „weniger als 3000“ gesprochen. In den Wochen danach wurden noch einige Häuser gerettet.
Inzwischen sind nach Informationen unserer Zeitung aus Betriebsratskreisen trotzdem nur noch rund 11.000 der zuvor mehr als 16.000 Beschäftigten übrig. Das lässt sich nur mit den vielen freiwilligen Abgängen erklären. Wie unsere Redaktion aus den Ruhrgebietsfilialen insbesondere in Essen, Dortmund und Mülheim aus den Belegschaften erfuhr, warteten viele Kolleginnen und Kollegen nicht auf ihre Kündigung, sondern gingen von sich aus. „Es gab aus purer Existenzangst regelrechte Fluchtwellen, gerade von jüngeren Beschäftigten“, sagt Heino Georg Kassler, Handelsexperte von Verdi in NRW. Solche Beobachtungen machte Verdi bundesweit und sagte Schwierigkeiten voraus, nach der Insolvenz noch genügend Personal zu haben.
Für den Neustart unter dem neuen Galeria-Chef Olivier Van den Bossche braucht das Unternehmen nun tatsächlich wieder mehr Arbeitskräfte auf den Verkaufsflächen. Zur Strategie gehöre es, die Filialen stärker „lokal auszurichten“, erklären Van den Bossche und Mager in dem Brief an die Beschäftigten. Dafür seien nicht nur entsprechende Sortimente erforderlich, sondern auch mehr Personal. „Wir bereiten uns mit Hochdruck auf das im Oktober beginnende neue Geschäftsjahr vor“, betonen die Manager. Beim Essener Warenhauskonzern wird die Jahresbilanz traditionell Ende September geschlossen.
Turbulente Monate für Galeria-Beschäftigte
Hinter den Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof liegen turbulente Monate. Von zahlreichen Standorten hat sich Galeria verabschiedet, unter anderem in Gelsenkirchen und Duisburg (Düsseldorfer Straße). Weitere Filialen sollten voraussichtlich im Januar kommenden Jahres schließen. Die Unternehmenschefs Van den Bossche und Mager schreiben in dem Mitarbeiter-Brief von einer „nicht so einfachen Zeit“, betonen aber, optimistisch auf die kommenden Monate zu blicken.
Mit Verdi verhandelt Galeria seit Monaten und bisher erfolglos über einen neuen Tarifvertrag. Die Gewerkschaft will den Kaufhausriesen zurück in den Flächentarif holen, die Geschäftsführung hält das in der weiterhin schwieriger Lage für unbezahlbar, Teile des Konzernbetriebsrats sind ebenfalls deutlich defensiver als Verdi. Dass Galeria nun Tausende „Verkaufsunterstützer“ einstellt, begrüßt Verdi einerseits, macht die Gewerkschaft aber auch skeptisch: „Die Galeria-Häuser brauchen gute Beratung und es ist richtig, jetzt zu handeln. Aber gute Leute können sich ihren Arbeitgeber inzwischen aussuchen und sie werden nur kommen, wenn man sie gut bezahlt, also nach Tarif“, sagt Kassler.