Berlin. Die deutschen Brauereien befürchten Umsatzrückgänge – doch der Alkoholkonsum bleibt hoch. Trotzdem ändern sich die Trinkgewohnheiten.
Na, dann Prost. Wer alkoholfreies Bier trinkt, liegt im Trend: Die Produktion von alkoholfreiem Bier hat sich in Deutschland innerhalb der vergangenen zehn Jahre nahezu verdoppelt. 2022 sind gut 474 Millionen Liter alkoholfreies Bier gebraut worden, rechnet das Statistische Bundesamt vor, kurz bevor am Freitag der „Internationale Tag des Bieres“ ist. 2012 habe die Produktionsmenge noch bei knapp 242 Millionen Litern gelegen.
1972 hat eine Ostberliner Brauerei das „Autofahrerbier“, kurz: AuBi, erfunden - und damit das erste alkoholfreie Bier. Maximal 0,5 Volumenprozent Alkohol blieben bei der Gärung übrig, jener Wert, bei dem Bier als alkoholfrei gilt. Ändern die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland nun, 50 Jahre später, ihre Trinkgewohnheiten? Nicht ganz.
Alkohol: 7,6 Milliarden Liter alkoholhaltiges Bier wurden 2022 gebraut
Zwar sinkt der Absatz des herkömmlichen, alkoholhaltigen Bieres. Er liege um 12 Prozent niedriger als vor zehn Jahren, so die Statistiker.
Derzeit hielten sich die Menschen auch wegen der hohen Inflation zurück, gäben etwa in Gaststätten weniger Geld aus, erklärte der Deutsche Brauer-Bund. Für die 1500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien sei 2023 darum extrem fordernd. Doch haben die Brauereien in Deutschland im Jahr 2022 noch immer gut 7,6 Milliarden Liter alkoholhaltiges Bier hergestellt.
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Alkohol: 91,6 Liter Bier trinkt der Durchschnittsdeutsche pro Jahr
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier ist hoch: rund 91,6 Liter im Jahr. Und Bier ist, wenn auch besonders beliebt, nur das eine. Dazu kommen Wein (20,7 Liter pro Kopf und Jahr) , Schaumwein (3,2 Liter) und Spirituosen (5,2 Liter). Das zeigen Daten, die die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Hamm zusammenstellt.
So nimmt im Schnitt jede und jeder in Deutschland im Alter ab 15 Jahren pro Jahr 10 Liter reinen Alkohol zu sich – das ist gut ein Putzeimer voll. 1990 waren es allerdings noch 13,4 Liter. Das heißt: Die Deutschen trinken die eine oder andere Flasche weniger Bier, auch das eine oder andere Glas weniger Wein. Nur: Ein Alkoholproblem bleibt.
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Todesursache Alkohol: Über 14.000 Tote im Jahr in Deutschland
Jakob Manthey untersucht als promovierter Psychologe am Hamburger Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung den Alkoholkonsum der Deutschen. Er sagt: „Der abnehmende Alkoholkonsum ist an sich ein gutes Zeichen. Die Zahl derjenigen, bei denen im Totenschein als Todesursache Alkohol steht, ist in den vergangenen Jahren aber gestiegen.“
Das waren in Deutschland allein im Jahr 2020 mehr als 14.200 Menschen. Sie stürben an den Folgen einer Alkoholabhängigkeit, etwa an einer Überdosis Alkohol oder einer alkoholischen Leberzirrhose. Hinzu kämen zehntausende weitere Tote durch Unfälle, Krebs, Herzkreislauferkrankungen, die durch Alkoholkonsum verursacht werden. Zum Vergleich: 2022 kamen bei Verkehrsunfällen 2788 Menschen zu Tode.
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Junge Menschen trinken weniger
Die hohen Zahlen an Alkohol-Toten hingen auch mit Versorgungslücken in Krankenhäusern während der Corona-Zeiten zusammen, sagt Manthey. Lebererkrankungen sind zu spät behandelt, Entzugstherapien nicht angetreten worden. Das sei allerdings ein Problem der Älteren, der über 40-Jährigen. Die Jüngeren seien jene, die weniger trinken.
„Verzicht statt dicht“, „Knallt auch ohne Alk“ – der Alkoholfrei-Trend sorgt seit längerem für zahlreiche Schlagzeilen. Er habe viel mit den Corona-Zeiten zu tun, meint Manthey: „Weniger Partys, weniger Disko – viele Jugendliche sind gar nicht in die Verlegenheit gekommen, mit dem Alkohol trinken anzufangen.“ Zudem sei das Gesundheitsbewusstsein in der Pandemie gestiegen.
Die Jüngeren trinken darum aber nicht nur Wasser oder Limo. In den hippen Bars und Restaurants gibt es längst Drinks mit alkoholfreiem Gin, Rum, Vermouth. Und in den Supermarktregalen gibt es immer neue Getränke mit nur gar keinem oder nur wenig Alkohol wie Radler.
3 Milliarden Euro Steuereinnahmen – und 15 Milliarden Euro an Kosten
Durch den Verkauf von Bier, Spirituosen und Sekt kämen jedes Jahr nur rund drei Milliarden Euro an reinen Verbrauchssteuern zusammen, sagt Forscher Manthey. Eine Weinsteuer gibt es nicht. Die Summe gleiche die direkten Kosten, die im Gesundheitssystem wegen Alkohol anfielen, „bei weitem“ nicht aus, das seien 15 Milliarden Euro im Jahr.
Weg vom Alkohol ist Deutschland nicht. Die anderen trinken aber mehr, die Finnen, die Briten? Auch das nicht, meint Manthey: „In Europa liegt Deutschland beim Alkoholkonsum weit vorne, nur die Letten, Polen, Tschechen trinken noch mehr.“ Das alkoholfreie Bier - es wird öfter getrunken, ganz gewöhnlich ist es in Deutschland aber noch immer nicht.