Berlin. 100.000 Sozialwohnungen wollte die Ampel pro Jahr bauen – von diesem Ziel ist sie weit entfernt. Stattdessen nimmt die Zahl sogar ab.
Während die Mieten steigen, nimmt die Zahl der besonders preiswerten Wohnungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt weiter ab. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Bundestagsfraktion der Linken hervorgeht, über die die Deutsche Presse-Agentur berichtet, ist die Zahl der Sozialwohnungen im vergangenen Jahr um rund 14.000 Wohnungen gesunken.
Bundesweit gab es noch rund 1,088 Millionen solcher subventionierten Wohnungen, die mit einem Wohnberechtigungsschein bezogen werden können. „Während es nur noch rund 1 Millionen Sozialwohnungen gibt, haben mehr als 11 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf eine Sozialwohnung“, sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, unserer Redaktion. „Das ist ein riesiges Problem. Die klägliche Zahl von rund 22.000 neuen Sozialwohnungen in 2022 schafft da natürlich keinerlei Entlastung.“
Wohnen: Zahl der Sozialwohnungen hat sich seit 2006 fast halbiert
Zum Vergleich: Ende der 1980er Jahre gab es noch knapp vier Millionen Sozialwohnungen – allein in der damaligen Bundesrepublik. In den vergangenen Jahren ist die Zahl allerdings rasant gesunken, seit 2006 hat sich der Bestand fast halbiert. Und der Neubau lahmt. Gerade einmal 22.545 neue Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr gebaut – die Ampel-Koalition hatte sich 100.000 neue Sozialwohnungen als Ziel gesetzt.
Da gleichzeitig 36.500 Preisbindungen ausliefen, sank die Zahl der Sozialwohnungen unter dem Strich sogar. Deren Bau wird staatlich gefördert, etwa mit vergünstigten Darlehen oder Zuschüssen. Im Gegenzug müssen sie für eine gewisse Zeit – häufig 20 Jahre – günstig vermietet werden. Endet diese Sozialbindung, kann die Miete im Rahmen der geltenden Kappungsgrenze erhöht werden.
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Sozialverband will mindestens 30-jährige Bindungsfrist
Angesichts der aktuellen Entwicklung fordert der Sozialverband Deutschland (SoVD), dass die Sozialbindung auf mindestens 30 Jahre steigen müsse. „Die Lage insgesamt ist dramatisch: Wohnungen sind einfach zu teuer, viele mit den Wohnkosten überlastet und sie werden so zum Armutsrisiko“, sagte SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier unserer Redaktion. Auch sollten Mietsteigerungen effektiv begrenzt werden, so Engelmeier.
Mieterbundpräsident Siebenkotten geht noch weiter und fordert ein Sofortprogramm, um „den noch vorhandenen Bestand an Sozialwohnungen aus der derzeitigen zeitlichen Befristung in eine dauerhafte Bindung zu überführen“. Auch müsse die von der Ampel-Koalition geplante Wohngemeinnützigkeit nun zeitnah umgesetzt werden. Die Wohngemeinnützigkeit soll es gemeinnützigen Trägern wie etwa der Diakonie oder Caritas ermöglichen, Wohnungen zu bauen.
Aus der Bundestagsfraktion der SPD kam insofern Zustimmung, als dass der wohnpolitische Sprecher Bernhard Daldrup forderte, die Anstrengungen zu verstärken: "Beim sozialen Wohnungsbau muss trotz der schwierigen Rahmenbedingungen mehr bezahlbarer Wohnraum neu entstehen", sagte Daldrup unserer Redaktion. Das Thema habe Priorität, allerdings reiche es nicht aus, nur finanziell mehr zu fördern. Es müsse mehr Bauland mobilisiert und der Bauüberhang abgebaut werden, sagte Daldrup.
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„Alle 37 Minuten eine Sozialwohnung weniger“
„Rechnerisch hat Deutschland alle 37 Minuten eine Sozialwohnung weniger“, sagte Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, unserer Redaktion. Dabei sei das Ziel der Bundesregierung gewesen, dass alle fünf Minuten eine neue Sozialwohnung gebaut werde. „Die Zahlen machen deutlich: Deutschland hat eine neue Talsohle beim sozialen Wohnen erreicht – und das bei weiterhin hoher Zuwanderung von Flüchtlingen“, sagte Feiger.
Besserung sei nicht in Sicht. Um gegenzusteuern, forderte Feiger ein staatliches Sondervermögen von 50 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 sowie eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für den sozialen Wohnungsbau. Auch müssten Förderanträge schneller bearbeitet werden.
Die Bauwirtschaft – lange Zeit Konjunkturzugpferd – hat zuletzt eine regelrechte Vollbremsung hingelegt. Hohe Material-, Energie- und Arbeitspreise, vor allem aber die Zinswende belasten die Branche. Reihenweise verzeichneten die Unternehmen im Wohnungsbau zuletzt Stornierungen. Das hat auch Folgen auf ein weiteres Ziel des Koalitionsvertrages, das die Ampel zuletzt verfehlte: Den Bau von insgesamt 400.000 Wohnungen im Jahr. 2022 lag die Zahl der insgesamt fertiggestellten Wohnungen bei 295.300 Wohnungen. Experten rechnen damit, dass selbst diese Zahl in diesem Jahr nicht zu halten sein wird. Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia wird in diesem Jahr beispielsweise gar nicht mehr neu bauen.