München. Planet A Foods denkt Schokolade neu und stellt sie ganz ohne Kakao her. Läutet das die Revolution der Süßwarenbranche ein? Ein Besuch.

Sie ist als Tafel manchmal quadratisch, meist länglich – und umhüllt Erdbeercreme, Minze, Kekse, Karamell oder Erdnüsse. Schokolade, behaupten manche, mache glücklich. Und ohne Kakao geht nichts. Bisher jedenfalls. Denn ein deutsches Unternehmen könnte den Markt ordentlich aufzumischen. Mit einer Schokolade, die komplett kakaolos und somit klimaschützend daherkommt.

Erfunden haben die Schokolade die Geschwister Maximilian und Sara Marquart mit ihrem Unternehmen Planet A Foods aus Planegg bei München. Die Technologiechefin und Gründerin verrät, was drin ist in der kakaofreien Süßigkeit: „Im Prinzip nur Zucker, Sheabutter und natürlich unser Nocoa aus Hafer oder Sonnenblumenkernen.“

Die Schokolade sieht nicht nur aus wie Schokolade, sie lässt sich auch so verarbeiten. Und wie schmeckt die Schokolade ohne Kakao? Marquart lächelt: „In Blindverkostungen haben Experten keinen Unterschied festgestellt.“ Ihre Geschäftsidee hatten die Geschwister Weihnachten 2020, als sich die beiden über Schokolade unterhielten und darüber, dass für Kakaoplantagen Regenwald abgeholzt wird.

Schokolade aus Kakao ist ein Milliardengeschäft

Kakao wächst nur in Regenwaldgebieten, gut 44 Prozent kommen nach Zahlen des der Internationalen Kakao Organisation aus Elfenbeinküste, Ghana folgt mit 14,3 Prozent vor Ecuador mit 7,7 Prozent. Brasilien und Indonesien haben das Geschäft ebenfalls entdeckt und weiten ihren Anbau aus. Das zerstört die grüne Lunge der Welt – doch die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Mit Schokolade werden Milliarden umgesetzt.

Die Experten von Fortune Business Insight schätzten den Weltmarkt 2022 auf etwas mehr als 48 Milliarden Dollar (mehr als 44 Milliarden Euro), rund 20 Milliarden Dollar davor entfallen auf Europa, mit Deutschland als größtem Schokoverbraucher. Nach Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie kauften die Bundesbürger Produkte für insgesamt 3,5 Milliarden Euro, die Industrie stellte sogar Waren für 6,15 Milliarden Euro her. Und nur die Schweizer essen pro Kopf mehr Schokolade als die Deutschen.

Sara und Maximilian Marquart sind die Gründer von Planet A Foods.
Sara und Maximilian Marquart sind die Gründer von Planet A Foods. © Planet A Foods | Planet A Foods

Um den Regenwald zu schützen, müsste eigentlich aber viel weniger Kakao angebaut werden. Deshalb komplett auf Schokolade zu verzichten, ist für die Marquart-Geschwister aber keine Lösung. Sie fragten sich: Wie sieht eine Alternative zu Kakao aus? Regional sollte sie sein, um Transportwege kurz zu halten, bezahlbar – und vor allem sollte sie gleich schmecken. Sie schauten sich die Kakaobohne genau an, zerlegten sie in ihre Bestandteile, in Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette.

Schokolade ganz ohne Kakao – das ist das Geheimnis

Die gleichen Bausteine wie in der Kakaobohne entdeckten sie in Hafer und Sonnenblumenkernen. Den meisten Geschmack liefern auch beim Kakao Fermentation und Röstung. Den Marquarts gelang es, die richtige Hefe zu finden, um aus Hafer und Sonnenblumenkernen den Stoff für kakaofreie Schokolade zu gewinnen – Nocoa tauften sie das Produkt.

Versuche, Kakao in Schokolade zu ersetzen, gab es in den vergangenen Jahrzehnten viele, aber niemand hat das Thema bis zur Marktreife gebracht. „Die Rahmenbedingungen waren anders, es lohnte sich nicht“, sagt Marquart. Heute gebe es CO2-Steuern und ESG (ökologische, soziale und Kriterien guter Führung). Zudem bedrohe der Klimawandel auch den Anbau der Pflanzen in tropischen Regionen.

Aus Hafer und Sonnenblumenkernen macht Planet A Foods „Nocoa“ – Kernbestandteil der kakaolosen Schokolade.
Aus Hafer und Sonnenblumenkernen macht Planet A Foods „Nocoa“ – Kernbestandteil der kakaolosen Schokolade. © Planet A Foods | Katrin Winner

Bisher gibt es die kakaofreie Schokolade noch nicht zu kaufen. Im Sommer vergangenen Jahres konnten Eis-Fans den Stoff aber bereits in verschiedenen Eisdielen in deutschen Großstädten testen. Die ersten Produkte mit Nocoa sollen im September in die Supermarktregale kommen, zunächst in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wir schauen aber auch Richtung USA“, sagt Marquart.

Im September sollen erste Produkte in die Regale kommen

Planet A Foods will selbst keine kakaofreie Schokolade in die Supermärkte bringen. „Wir beliefern die Industrie“, sagt Sara Marquart. Denn nur, wenn Kakao im großen Stil ersetzt werde, gebe es auch einen Effekt für das Klima. „Aber auf den Verpackungen steht schon ,Nocoa‘“, sagt sie. Dem Unternehmen geht es nicht so sehr um Schokotafeln mit sehr hohem Kakaoanteil, in denen die richtige Bohne eine große Rolle spielt, sondern um all die anderen Produkte, in denen Kakao enthalten ist – Schokoriegel und Kekse zum Beispiel.

Für die Industrie geht es neben dem Geschmack auch immer um den Preis. Und da ist regionaler Hafer der Kakaobohne deutlich überlegen: „Die Tonne Hafer kostet derzeit rund 500 Euro, die Tonne Kakao 2500 Euro“, sagt Marquart. Und noch einen Vorteil nennt sie: Anders als Kakao sei Nocoa nicht bitter, das Produkt komme mit 30 Prozent weniger Zucker aus.

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Für Planet A Foods ist Kakaoersatz erst der Anfang. „Wir arbeiten auch an einem Ersatzstoff für Palmöl“, sagt Marquart, ebenfalls produziert von Hefen. Palmöl setzt die Industrie als billigen Fettersatz in zahlreichen Lebensmitteln ein. Und für die nötigen Plantagen wird Regenwald abgeholzt. Planet A Foods setzt auch hier auf Hefe. Bis der neue Ersatzstoff auf den Markt kommt, dauert es. Marquart hält einen Start in den USA für 2025 für möglich.

Zunächst geht es um Schokolade. Die Pilotanlage bei Planet A Foods in Planegg stellt 40 Kilogramm pro Tag her, für die Lebensmittelindustrie sind größere Mengen nötig. Im tschechischen Pilsen baut das Unternehmen deshalb gerade eine Produktion auf. .„Eine Kombination aus Brauerei und Schokolade“, sagt Marquart. In der ehemaligen Staatsbäckerei, einer großen 60er-Jahre Halle, werden Fermentationskessel aus Edelstahl und Konchiermaschinen aufgestellt. Diese Knetanlagen verbessern den Geschmack der Schokolade – egal ob mit oder ohne Kakao.