Berlin. Die Telekom investiert Milliarden in das Mobilfunknetz. Dass es Funklöcher gibt, ist laut dem Konzernchef kein eigenes Verschulden.

Die Deutsche Telekom investiert als größter europäischer Telekommunikationskonzern jedes Jahr Milliarden in den Ausbau des Mobilfunks und Internets. Der Geschäftsführer in Deutschland setzt dabei mit großer Begeisterung auf den Ausbau des Glasfasernetzes. Unsere Redaktion spricht mit Srini Gopalan über lästige Hindernisse, bürokratische Hürden und Ziele des Konzerns in Deutschland.

Herr Gopalan, wir haben das Jahr 2023 – und noch immer gibt es Funklöcher. Wie kann das sein?

Srini Gopalan: Wir haben viel erreicht. Das Telekom-Netz ist auch in Europa führend. Gleichzeitig haben wir noch viel zu tun. Wir investieren pro Jahr mehr als fünf Milliarden Euro – und ich bin bereit, die Investitionen zu erhöhen. Allerdings bremsen uns die langen Genehmigungsverfahren massiv aus. Ich habe in 12 Ländern gearbeitet und nirgends so schwierige und bürokratische Verfahren erlebt. Funklöcher gibt es auch noch, weil beispielsweise Widerstände aus dem Naturschutz, Denkmalschutz oder auch von Bürgern kommen. Alle wollen schnellen und günstigen Mobilfunk, aber einen Funkturm wollen viele nicht im eigenen Ort. In manchen Gemeinden ist es so schwierig, dass wir mittlerweile mit Plakaten nach Standorten suchen.

Wie lange dauern die Genehmigungsverfahren?

Gopalan: Das ist sehr unterschiedlich. Zunächst müssen wir einen Standort finden. Wenn eine Gemeinde kooperiert, können dann Genehmigungen innerhalb weniger Wochen erteilt sein. Es kann aber auch 12 oder mehr Monate dauern. Manchmal wird es absurd. Ein Beispiel: Eine Gemeinde wollte keinen Funkmasten im Ort haben – und hat uns stattdessen einen Bescheid für ein Hochwassergebiet ausgestellt. Ein mit Strom betriebener und mit Glasfaserkabeln ausgestatteter Funkmast im Hochwassergebiet… Da fängt man dann wieder von vorne an.

Wer Bahn fährt, ärgert sich oft über den schlechten Handy- und Internetempfang. Was läuft schief?

Gopalan: Wenn man in andere Länder wie Schweiz oder Österreich schaut, ist die Versorgung deutlich besser, weil die jeweiligen Bahnen in diesen Ländern bereits seit Jahren in die Infrastruktur investiert haben. Die Deutsche Bahn war jahrelang unterinvestiert. Das ist ein Problem, auch für uns. Weil der Mobilfunk nicht nur an die Strecken muss, sondern auch in die Züge. Es braucht also auch Technik im Zug. Aber wir kooperieren mit der Bahn und haben auch hier viel erreicht. An den Hauptverkehrsstrecken gibt es nur noch sehr wenige Lücken. Auch bei den Regio-Verbindungen wird kräftig gebaut. Wir bauen alle 2,5 Tage einen neuen Mobilfunkmasten an der Schiene. Gemeinsam mit der Bahn haben wir vor, bis Ende 2026 das Schienennetz lückenlos mit Mobilfunk zu versorgen. In modernen Zügen gibt es Fenster, die Mobilfunk durchlassen. Auch das wird den Empfang verbessern.

Srini Gopalan leitet seit gut zwei Jahren die Telekom Deutschland als Sprecher der Geschäftsführung. Der 53-Jährige ist Brite und ein international erfahrener Manager in der Telekommunikationsbranche.
Srini Gopalan leitet seit gut zwei Jahren die Telekom Deutschland als Sprecher der Geschäftsführung. Der 53-Jährige ist Brite und ein international erfahrener Manager in der Telekommunikationsbranche. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Bis 2030 soll in Deutschland überall ein schnelles 5G-Netz und Glasfasernetz stehen. Ist dieses Ziel der Bundesregierung noch erreichbar?

Gopalan: Absolut. In den letzten vier Jahren haben wir mehr als 5000 Funktürme aufgestellt, die 5G-Abdeckung liegt heute bei 95 Prozent der Bevölkerung. Bis 2025 wird die Telekom 5G für 99 Prozent der Bevölkerung anbieten. Noch nie wurde eine Mobilfunktechnologie so schnell für die Kunden ausgebaut. Bei Glasfaser haben wir 2021 etwas über eine halbe Millionen Haushalte versorgt. 2022 haben wir 1,2 Millionen neuen Haushalten Glasfaser bereitgestellt, dieses Jahr werden wir 2,5 bis 3 Millionen Haushalten Glasfaser anbieten. Wir werden die hohe Ausbaugeschwindigkeit halten. Bis 2030 wird die Telekom dann 25 bis 30 Millionen Haushalte mit Glasfaser versorgen. Es könnte noch schneller gehen, wenn wir öfter eine Erlaubnis für alternative Verlegemethoden bekommen würden, wie zum Beispiel die sogenannte Mindertiefe. Meist muss es in Deutschland der klassische Tiefbau sein. Unserer Meinung nach würde es reichen, die Glasfaser in maximal 40 Zentimeter Tiefe zu verlegen, das spart Zeit und Geld. In anderen Ländern wird gar nicht gebuddelt. Da wird die Glasfaser oberirdisch verlegt.

Wie viel günstiger sind solche Bauweisen?

Gopalan: Mit alternativen Methoden können wir Glasfaser drei bis fünfmal schneller und um 30 bis 50 Prozent günstiger ausbauen als mit dem klassischen Tiefbau. Im Schnitt kostet der Meter Glasfaser im Tiefbau 85 bis 110 Euro. Mit Mindertiefe wäre es rund ein Drittel günstiger, mit oberirdischen Leitungen kostet der Meter sogar nur zehn bis 15 Euro. Hinzu kommt: Pro Tag können wir mit klassischem Tiefbau bis zu 150 Meter bauen. Wenn wir weniger tief oder oberirdisch bauen, sind wir bis zu drei Mal schneller. Und Anwohner haben weniger Lärm und Ärger, weil beispielsweise der Verkehr nicht wie beim Tiefbau umgeleitet werden muss.

Ein Gegenargument bei der Mindertiefe ist, dass die Leitungen aufgrund schnellerer Schäden früher erneuert werden müssen.

Gopalan: Wenn man es nicht richtig macht, dann kann das passieren. Aber wir haben eine große Erfahrung mit Mindertiefe ohne Schäden. 25 bis 30 Prozent des Ausbaus wird mittlerweile als Mindertiefe genehmigt. Das ist ein Fortschritt.

Werden einzelne Haushalte im ländlichen Raum auf einen Anschluss verzichten müssen, weil es zu teuer wäre?

Gopalan: Wir müssen auf dem Land, wo alle zwei, drei Kilometer mal ein Haus steht, offen für den oberirdischen Ausbau sein. Würden wir perspektivisch 20 Prozent oberirdisch, 50 Prozent mindertief und 30 Prozent im Tiefbau verlegen, dann können wir auf jeden Fall alle anschließen. Aber auch in dichterbesiedelten Gebieten ist der oberirdische Anschluss eine Chance, denn die letzten 30 Meter von der Straße zum Haus sind oft kompliziert. Spanien und Frankreich machen es vor. Hier wird fast ausschließlich oberirdisch ausgebaut. Entsprechend weit ist man dort.

Viele Haushalte sind mit ihrem DSL-Anschluss sehr zufrieden und wollen kein Glasfaser, jedenfalls nicht zu einem höheren Preis. Wie gehen Sie damit um?

Gopalan: Ein persönliches Beispiel: Vor einigen Jahren hatte ich einen Tarif mit 50 MBit/s. Meine Kinder waren damals 10 und 12 Jahre alt, meine Frau und ich haben im Büro gearbeitet. Dann kam die Corona-Pandemie, meine Frau und ich sind ins Homeoffice gewechselt, die Kinder hatten Homeschooling. 50 Mbit/s waren nicht genug, also sind wir zu 250 MBit/s gewechselt. Das war mit einem Kupferanschluss ohne Probleme möglich. Jetzt sind meine Kinder 15 und 13 Jahre alt, wir haben 14 Geräte im Haus, die mit dem WLAN verbunden sind. Das ist keine Ausnahme: Bundesweit sind im Schnitt 7 bis 20 Geräte im WLAN verbunden – Handys, Laptops, Tablets, der Fernseher – da kommt einiges zusammen. Wenn wir alle zuhause sind und das Internet nutzen, dann brauchen wir Glasflaser. So geht es unseren Kunden auch.

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Viele Verbraucher schrecken die Kosten ab.

Gopalan: Den Hausanschluss gibt es bei uns momentan kostenlos. Ein Glasfaserupdate ist ein kontinuierlicher Prozess. 2020 haben 25 Prozent unserer Kunden mehr als 100 MBit/s genutzt. Jetzt sind es 45 Prozent. Jedes Jahr buchen fünf bis zehn Prozent der Kunden ein Upgrade – aber sie steigern sich in Schritten, buchen nicht gleich das schnellste und teuerste Paket. Hier haben sich manche Wettbewerber verkalkuliert, die dachten, sie könnten binnen kürzester Zeit mit Glasfaser eine hohe Rendite erzielen. Weil jeder Gigabit-Tarife buchen würde. So funktioniert der Markt nicht. Wir planen langfristig und erwarten eine Rendite in 7 bis 15 Jahren.

Je mehr Glasfaser Sie haben, desto unrentabler werden die Kupferanschlüsse werden. Werden früher oder später alle Kupferkabel ausgetauscht – unabhängig davon, was die Verbraucher gerade wollen?

Gopalan: Da muss sich keiner Sorgen machen. Aber ja, Glasfaser ist die beste und schnellste Technologie. Nichts ist schneller als das Licht. Glasfaser wird Kupfer- und Kabelnetze ablösen. Perspektivisch ist eine Versorgung zweier Netze Energieverschwendung. Das heißt aber nicht, dass Kunden deswegen mehr zahlen müssen. Wer als Verbraucher 250 MBit/s bucht, zahlt bei einem Kupferanschluss genau denselben Preis wie bei Glasfaser. Die Leistung entscheidet über den Preis, nicht die Technologie.

Während es vielerorts noch gar kein Glasfaser gibt, bauen Sie an Stelle Ihr Netz aus, wo bereits Glasfaser anderer Mitbewerber liegen. Ist das nicht unsinnig?

Gopalan: Wir haben rund 35 Millionen Haushalte mit einem Kupferanschluss. Jetzt machen wir das Netz zukunftsfest und modernisieren mit Glasfaser. Bei Ausbau der Netze ist und bleibt Wettbewerb der richtige Weg. Das sieht man zum Beispiel an Spanien. Wettbewerb steigert die Qualität und senkt die Preise. Manche Wettbewerber, die uns nun mit Vorwürfen überziehen, wollen aber lieber Monopole. Das ist vielleicht gut für deren Rendite, aber nicht im Sinne der Kunden. Vor unserer Haustüre in Bonn bekommen wir übrigens Konkurrenz von der EON-Tochter Westconnect. Da beklagen wir uns auch nicht. Im Gegenteil, das spornt uns an.

Alles wird teurer, die Inflation ist hoch. Ist auch mit steigenden Mobilfunk- und Internettarifen zu rechnen?

Gopalan: Seit 2015 ist der Verbraucherpreisindex um 17 Prozent gestiegen. Kosten für Tiefbau oder Strom sind um rund 40 Prozent gestiegen – die Mobilfunkpreis sind dagegen seitdem um 12 Prozent gesunken. Aber der Wettbewerb in unserer Branche ist hoch, drastische Preissteigerungen erwarte ich nicht. Wir haben unsere Preise mit den Family-Tarifen zuletzt sogar gesenkt.

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Die Datennutzung wurde durch große Streaming-Anbieter wie Amazon oder Netflix verändert. Sie fordern, dass sich diese Anbieter am Netzausbau beteiligen sollen. Würde dann der Internetanschluss für Kunden günstiger?

Gopalan: 80 Prozent des Internetverkehrs machen fünf bis acht Anbieter aus. Ein Drittel des kompletten Datenverkehrs ist nur Werbung. Die Telekom investiert jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro in die Netze in Deutschland. Breitbandanbieter ermöglichen mit ihren Investitionen also die Werbeeinnahmen von Netflix, Amazon und Co.. Warum sollen die keinen Beitrag leisten? Für die Infrastruktur in Europa und damit für die Kundinnen und Kunden wäre das gut.

Die EU und auch der Bund machen Druck, Technik aus China von Huawei und ZTE beim 5G-Ausbau hierzulande verbieten zu wollen. Nutzt die Telekom solche Technik? Müssen aus Sicherheitsgründen bereits verbaute Teile ausgetauscht werden?

Gopalan: Wir haben Komponenten vieler Anbieter in unseren Netzen. Dabei haben wir bereits 2019 entschieden, chinesische Hersteller aus dem Kernnetz zu nehmen. Huawei nutzen wir neben anderen Herstellern im Antennennetz. ZTE haben wir nicht. Gesetzlich als „kritische 5G-Mobilfunkkomponenten“ eingeordnete Bauteile setzen wir nach eigener Prüfung sowie Erlaubnis durch die zuständigen Behörden ein. Bislang gab es keine Beanstandungen. Zudem setzen wir uns für offene Netzstandards im Antennennetz ein, Stichwort ORAN. Dies erhöht die Herstellervielfalt und stärkt die europäische Souveränität in Bezug auf digitale Mobilfunknetze.

Telekom-Chef Tim Höttges wird bis mindestens 2026 bleiben – Sie werden als sein Nachfolger gehandelt. Wie sehen Sie Ihre Zukunft bei der Telekom?

Gopalan: Ich bin sehr zufrieden mit meiner aktuellen Rolle, finde jeden Tag neue Herausforderungen und konzentriere mich jetzt auf Deutschland – und trainiere meine deutsche Grammatik.