Oberhausen. Ein Experte rechnet damit, dass Wirtschaftsminister Habeck den Verkauf des Oberhausener Gasturbinen-Geschäfts von MAN ES nach China untersagt.
Der vom VW-Tochterkonzern MAN Energy Solutions (MAN ES) geplante Verkauf des Oberhausener Gasturbinen-Geschäfts an ein chinesisches Unternehmen dürfte einer kritischen Prüfung der Bundesregierung unterzogen werden. Der Rechtsanwalt und Außenwirtschaftsexperte Viktor Winkler zeigt sich davon überzeugt, dass der Deal untersagt werden müsste. Worum geht es? Der deutsche Anlagenbauer hat eigenen Angaben zufolge einen Vertrag zum Verkauf seines Gasturbinen-Geschäfts an das chinesische Unternehmen CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co Ltd. (GHGT) unterzeichnet. Die rund 100 betroffenen Beschäftigten an den Standorten in Oberhausen und Zürich sollen demnach vom Käufer aus China übernommen werden. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Behörden grünes Licht geben. Die Gasturbinen von MAN Energy Solutions könnten vom neuen chinesischen Eigentümer zur Energieerzeugung oder für Pipelines eingesetzt werden. „Ich kann kein Argument erkennen, dass für eine Genehmigungsfähigkeit spricht“, sagt dazu der Jurist Viktor Winkler im Gespräch mit unserer Redaktion.
Herr Winkler, warum gehen Sie davon aus, dass die Bundesregierung den Verkauf untersagen muss?
Winkler: Den Kauf zu genehmigen, wäre rechtlich unvertretbar. Die strengen Regeln der sogenannten Investitionsprüfung nennen den Bereich Energie als allerersten Maßstab für die Frage, ob ein solcher Kauf genehmigt werden kann. Kritische Infrastrukturen sind schon laut Gesetz das klassische Beispiel für das, was „voraussichtlich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt“. Hier kommt hinzu, dass sich die Bedeutung der Energieversorgung seit letztem Jahr rechtlich grundlegend gewandelt hat, vor allem, was Abhängigkeiten Deutschlands angeht. In dieser Situation den Kauf zu genehmigen, wäre daher vor 2022 nur juristisch angreifbar gewesen, seit 2022 wäre es aus meiner Sicht ein massiver Verstoß gegen sowohl deutsches als auch europäisches Recht.
Was wären Argumente, die eine Freigabe durch das von Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium ermöglichen würden?
Winkler: Ich kann kein Argument erkennen, dass für eine Genehmigungsfähigkeit spricht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist hier sehr klar. Er spricht von einer „Gefährdung eines Grundinteresses der
Gesellschaft“, um die es bei der Prüfung der Bundesregierung gehen muss. Bei den Themen Pipelines und Energieversorgung verbleibt aus meiner Sicht – jedenfalls in der aktuellen Versorgungssituation – kein Spielraum. Herr Habeck muss untersagen, sonst handelt er rechtswidrig.
Im vergangenen November hatte die Bundesregierung den Kauf der Dortmunder Chipfabrik Elmos durch ein chinesisches Unternehmen untersagt. Lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen?
Winkler: Ja, definitiv. Rechtlich gehe ich von dem aus, was wir Juristen „Selbstbindung der Verwaltung“ nennen, also dass sich das Bundeswirtschaftsministerium durch die damalige Entscheidung ein gutes Stück gebunden hat. Denn was Herrn Habeck damals trieb, war richtig. Aber er muss es auf den Fall jetzt auch anwenden. Er sagte damals: „Gerade im Halbleiterbereich ist es uns wichtig, die technologische und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands und auch Europas zu schützen.” Zu argumentieren, diese Erwägung würde bei der Energieversorgung in einem so zentralen Bereich nicht oder weniger gelten, würde jedem Studierenden ein „ungenügend“ einbringen. Übrigens erfolgte entgegen einem verbreiteten Missverständnis auch beim Hamburger Hafen eine Teiluntersagung – und aus ähnlichen Erwägungen.
Gibt es genug Rechtssicherheit für die Unternehmen, die Firmenverkäufe planen? Oder trifft die Bundesregierung am Ende weniger eine juristische als vielmehr eine politische Entscheidung?
Winkler: Weder noch. Die Entscheidung ist eine rein juristische Entscheidung. Dem Entscheider – hier also dem Bundeswirtschaftsministerium – gewährt das Gesetz aber ganz bewusst einen Spielraum. Dahinter steht die richtige Überlegung, dass die Exekutive näher dran ist am Thema und somit die Gefahrenlage besser einschätzen und prognostizieren kann. Das Thema Energieversorgung hier ist dafür ein Paradebeispiel. Mit „Unsicherheit“ hat das rechtlich nichts zu tun. Die Unternehmen aus solchen regulierten Branchen sind zudem mit genau diesen Spielräumen extrem gut vertraut, etwa bei der Ausfuhrgenehmigung.