Berlin. An den Börsen purzeln Rekorde, auf Tagesgeldkonten locken wieder Zinsen. Wie legt man größere Geldbeträge an? Experten geben Tipps.
Attraktive Zinsen auf Tages- und Festgeldkonten, hohe Renditen bei Staatsanleihen und Börsenrekorde: Für Sparerinnen und Sparer gibt es aktuell viele Möglichkeiten, ihre Ersparnisse für sich arbeiten zu lassen. Das ist auch nötig – denn die Inflation hat sich zuletzt zwar abgeschwächt, liegt mit 6,1 Prozent im Mai aber immer noch deutlich über der von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Teuerungsrate von rund zwei Prozent. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie legt man jetzt am besten 10.000 Euro an?
Der Bausparvertrag wird zuteilungsreif, man möchte das auf dem Girokonto oder Sparbuch gebunkerte Geld nicht mehr länger zum Nullzins liegen lassen oder erhält eine Erbschaft und hat 10.000 Euro zur Verfügung. Wie aber legt man es sinnvoll an, wenn man das Geld nicht kurzfristig für eine Anschaffung benötigt? „Wer einen größeren Geldbetrag zur Verfügung hat, sollte ihn erstmal auf ein Tagesgeld-Konto legen, um überhaupt Zinsen zu bekommen und sich dann über seine Anlagestrategie klar werden“, sagt Christian Kahler, Geschäftsführender Gesellschafter von Kahler & Kurz Capital.
Das löse allerdings nicht langfristig das Problem, dass es durch die Inflation zu einer Geldentwertung komme – rund drei Prozent Zinsen stehen aktuell rund sechs Prozent Teuerung gegenüber. Daher empfiehlt Kahler, den Großteil des Geldes in Aktien zu investieren. Dies sollten über 60 Prozent sein. Aber auch Anleihen würden sich eignen.
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Welche Banken zahlen am meisten Zinsen auf dem Tagesgeldkonto?
Aktuell buhlen eine ganze Reihe von Banken mit zeitlich befristeten Angeboten um Kunden. Die TF Bank bietet aktuell für vier Monate 3,35 Prozent Zinsen für Einlagen bis zu 100.000 Euro. Der reguläre Zinssatz bei dem schwedischen Geldhaus liegt anschließend bei 1,3 Prozent. Die spanische Openbank bietet für sechs Monate 3,3 Prozent, bei der Renault Bank und der Suresse Direkt Bank, dem deutschen Ableger der belgischen Niederlassung von Santander Consumer Finance, gibt es denselben Zinssatz für jeweils drei Monate. Die Advanzia Bank und die Comdirect zahlen 3,25 Prozent Zinsen für ein halbes Jahr, die Consorbank liegt bei 3,2 Prozent für sechs Monate. Nach den Aktionszeiträumen sind die Zinsen bei vielen Banken deutlich geringer, häufig auch noch unter einem Prozent pro Jahr.
Sollte das Geld auf einen Schlag in Aktien investiert werden?
Fondsmanager Kahler rät dazu, das Geld in Tranchen anzulegen: „Bei 10.000 Euro würde ich jedes Vierteljahr 3333 Euro anlegen. Alles auf einmal anzulegen, kann riskant sein, da es in den kommenden vier bis sechs Wochen bei einer drohenden Rezession in den USA und womöglich weiteren Zinsanhebungen an den Börsen nochmal turbulenter zugehen könnte.“
Und wenn man nicht nur 10.000 Euro, sondern 100.000 Euro anlegen kann?
„Bei 100.000 Euro würde ich Anlegerinnen und Anlegern raten, sich externe Beratungshilfe einzuholen. Auch dieses Geld sollte über die Monate gestreut und nicht auf einen Schlag angelegt werden. Auch eine Aufteilung in zwölf Monatstranchen kann sinnvoll sein“, sagt Kahler.
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Ist jetzt wirklich ein guter Zeitpunkt für den Börseneinstieg?
Manch Anlegerin und Anleger mag sich in den vergangenen Wochen verwundert die Augen gerieben haben. Deutschland befindet sich in einer Rezession, der Dax erklomm vor zwei Wochen aber sein Rekordhoch mit 16.331 Punkten. Seitdem hat das Barometer der wichtigsten 40 börsennotierten deutschen Unternehmen allerdings wieder nachgelassen und liegt deutlich unter 16.000 Punkten.
„Angesichts der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges und der weltweit explodierenden Rohstoffpreise und der anschließenden Rezession ist es erfreulich, dass wir im Mai einen Dax-Rekord gesehen haben“, sagt Joachim Schallmayer, Leiter des Bereichs Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka, dem Wertpapierhaus der Sparkassen. Es gebe aber auch einen guten Grund für den Rekord: „Mit einer Dividendenrendite von mehr als 3 Prozent ist der Dax als Performance-Index auch von den Ausschüttungen getragen worden, hinzu kommt die gute Unternehmensgewinnentwicklung. In schwierigen Zeiten haben sich die deutschen Unternehmen gut geschlagen.“
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Performance-Index bedeutet: Beim Dax werden auch die ausgeschütteten Dividenden miteinberechnet. Das unterscheidet den deutschen Leitindex von anderen wichtigen Indizes wie etwa dem amerikanischen S&P500, der ein Kursindex ist, also lediglich die Entwicklung der Kurse ohne Ausschüttungen angibt. Auch für den Dax gibt es einen solchen Kursindex, der aktuell bei unter 6.300 Punkten notiert – und damit auf einem Niveau, das er auch 2015 und 2017 bereits erreicht hatte.
Sollte man bei den aktuellen Kursen schon zugreifen? „Der Dax hat eine unterjährige Schwankungsbreite von rund 20 Prozent. Den perfekten Einstiegszeitpunkt zu erwischen, ist eine Illusion“, sagt Schallmayer. Grundsätzlich gelte: „Nicht spekulieren, sondern investieren. Beim langfristigen Investieren spielt der Einstiegszeitpunkt nur eine untergeordnete Rolle.“
Wie groß sollte der Anteil an Aktien im Depot sein?
„Je länger der Anlagehorizont ist, desto höher sollte der Aktienanteil sein“, sagt Deka-Stratege Schallmayer. Aktien sollten 50 bis 60 Prozent des Depots ausmachen. Hinzu kämen 20 bis 25 Prozent Anleihen sowie Investitionen in Immobilien oder Edelmetalle wie Gold. Die DZ Bank, Zentralbank der Genossenschaftsbanken wie den Volks- oder Raiffeisenbanken, empfiehlt in ihrer Gewichtung ein Gleichgewicht zwischen Aktien und Anleihen. 15 Prozent des Vermögens sollten laut DZ Bank in Barmitteln liegen.
Welche Anleihen könnten sich lohnen?
Die Zeit, in der Käufer der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe dafür auch noch Negativzinsen zahlen mussten, ist vorerst vorbei. Die zehnjährige Staatsanleihe notiert derzeit bei einer Rendite von rund 2,3 Prozent. Andere Staatsanleihen notieren noch höher. Die zehnjährige italienische Staatsanleihe beispielsweise liegt aktuell bei einer Rendite von 4 Prozent.
„Bei Anleihen muss man sehr gut diversifizieren und sich keinesfalls auf ein oder zwei Unternehmen stützen. Der Markt preist im riskanteren Bereich eine Ausfallquote in den nächsten fünf Jahren von bis zu einem Drittel ein. Ein Investment in Anleihen sollte also mehrere Hundert Anleihen abdecken“, sagt Schallmayer. Das geht zum Beispiel über Fonds.
Bei der Frage, wie groß das Risiko bei den Anleihen sein sollte, gehen die Expertenmeinungen auseinander. Die DZ Bank setzt im Depot mit rund 10 Prozent auf Schwellenländer, also aufstrebende Länder wie etwa Indien oder Brasilien. Deka-Stratege Schallmayer würde rund die Hälfte der Anleihen in riskantere Unternehmensanleihen oder in Anleihen aus Schwellenländer investieren, was im Gesamtdepot ebenfalls rund 10 Prozent entsprechen würde. Fondsmanager Kahler warnt dagegen: „Bei Schwellenländern wäre ich vorsichtig – neben einem erhöhten Ausfallrisiko gibt es noch Wechselkursschwankungen. Das kann für Anleger schnell kompliziert werden.“
Wie kann man sich vor Risiken schützen?
Statistiken zeigen: Nur wenigen Anlegern gelingt es, den breiten Markt zu schlagen. Wer breit investieren möchte, kann dies zum Beispiel mit dem Aktienindex MSCI World machen, der rund 1.500 Unternehmen aus 23 Industrieländern bündelt. Der MSCI World ACWI, der auch Schwellenländer berücksichtigt, bildet sogar die Entwicklung von 2900 Unternehmen aus 47 Ländern ab. Wer kostengünstig globale Entwicklungen abbilden möchte, kann dies mit einem passiv gehandelten Fonds, einem ETF, tun. „Der MSCI ACWI könnte größere Chancen als der MSCI World bieten, da er Schwellenländer stärker gewichtet und zuletzt etwas zurückgeblieben ist“, sagt Christian Kahler.
Ob ein aktiver oder passiver Fonds besser geeignet ist, müssen Anleger selbst entscheiden. Passive Fonds sind kostengünstiger. Bei aktiven Fonds fallen mehr Kosten an, es besteht aber die Chance, dass die Fondsmanager Entwicklungen besser einschätzen und eine höhere Rendite erzielen. Genauso gibt es das Risiko, dass sie schlechter performen.
In welche Branchen sollte man investieren?
„Auch bei Branchen gilt: Auf lange Sicht sollte man in unterschiedliche Branchen investiert sein“, sagt Joachim Schallmayer. Wer beispielsweise in den MSCI World investiert, deckt eine ganze Reihe von Branchen bereits ab. Trotzdem locken manche Branchen mit scheinbaren Fabelwerten – etwa im Technologie-Sektor. Gerade erst in dieser Woche knackte der Chiphersteller Nvidia die Börsenbewertung von einer Billion Dollar – befeuert vom Trendthema Künstliche Intelligenz.
„Für Privatanleger wird es schwer zu erkennen, ob man bei den aktuellen Marktentwicklungen noch einer Nvidia oder einer Alphabet nachlaufen sollte oder lieber nicht. Klar ist: Wo es hohe Bewertungen gibt, gibt es auch Potenzial für Enttäuschungen“, sagt Schallmayer.
Sven Streibel, Chef-Aktienstratege bei der DZ Bank, hält den Wachstumstrend in der Technologie-Branche für ungebrochen. „Große amerikanische Technologietiteln haben sich in der Vergangenheit aufgrund ihrer Ertragsstärke zu den „neuen sicheren Häfen“ am Kapitalmarkt entwickelt“, sagte Streibel unserer Redaktion. Sollte es in den USA zu einer Rezession kommen, könnten sich Anleger wieder in dieses Segment flüchten. Bemerkenswert: „In den USA hat der S&P500 seit Jahresbeginn um 9 Prozent zugelegt.
Acht dieser neun Prozent verdankt er nur sechs Technologie-Titeln: Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft und Tesla“, sagt Streibel. „Immer wenn es anfängt zu kriseln, werden genau diese Titel gesucht.“ Chancen sieht der DZ-Bank-Experte aber auch bei konjunktursensiblen Aktien etwa aus dem Automobilbereich – zumal es für den europäischen Automobilsektor aktuell Dividendenrenditen von 5,4 Prozent im Schnitt gebe. Auch Banken und Versicherungen könnten perspektivisch profitieren, so Streibel.