Berlin. Für die meisten Menschen ist der Immobilienkauf mit einem Kredit verbunden. Experten erklären, wie Sie die richtige Laufzeit finden.
- Steigende Zinsen für Hypothekendarlehen werfen die Frage auf: Welche Laufzeit ist beim Immobilienkredit optimal? Wir erklären, wohin aktuell der Trend geht bei der Zinsbindung
- Von kurzen bis zu 40-jährigen Zinsbindungen: Welche Vor- und Nachteile bieten sie und wie beeinflussen sie die Gesamtkosten eines Darlehens? Experten ordnen ein
- Anschlussfinanzierung, Forward-Darlehen, Sonderkündigungsrechte: Erfahren Sie, wie Sie das Beste aus Ihrem Kredit herausholen
Viele potentielle Immobilienkäufer und Bauherren sind verunsichert. Die Zinsen für Hypothekendarlehen steigen weiter und damit rückt verstärkt die „Laufzeit“, gemeint ist die Dauer der Zinsbindung, derartiger Kredite in den Blickpunkt der Interessenten.
Wie eine Untersuchung des Immobilienfinanzierungsvermittlers Interhyp ergeben hat, wählen Immobilienkäufer zunehmend wieder längere „Laufzeiten“. Betrug die durchschnittliche Dauer der Zinsbindung im ersten Halbjahr 2021 noch 13,2 Jahre, sind es aktuell bereits 14,1 Jahre.
Immobilienkredit: Lange Zinsbindung gibt Sicherheit
Die Zinsbindung stellt eine festgeschriebene Garantie auf einen festen Zinssatz in einem Darlehensvertrag dar. Dies bedeutet, Zinsveränderungen, die am internationalen Finanzmarkt stattfinden, haben keinen Einfluss auf das Darlehen. Diese Festschreibung eines Kreditzinses über einen festen Zeitraum entscheidet also maßgeblich, wie teuer der Kredit zumindest in dieser Phase wird. Darlehensnehmer kennen von Beginn an die Höhe ihrer monatlichen Rate, die sich über die „Laufzeit“ nicht verändern wird – sie haben also eine hohe Planungssicherheit.
Je länger man sich die Zinsen sichert, desto höher ist jedoch auch der Zinssatz. Der Unterschied zwischen einer fünf- und einer zehnjährigen beziehungsweise einer zehn- und einer fünfzehnjährigen Zinsbindung beträgt aktuell durchschnittlich jeweils 0,3 Prozent.
Zwar sind die Kreditraten bei langen Laufzeiten niedriger, die Gesamtkreditkosten erhöhen sich jedoch durch den Zinsaufschlag. Somit erkauft sich der Kreditnehmer in der Praxis die Zinsbindung durch einen höheren Zinssatz. „Wir empfehlen in unseren Finanzierungsberatungen den Interessenten weiterhin eine fünfzehnjährige Zinsbindung“, empfiehlt Thomas Hentschel, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW), „zumal man nach zehn Jahren auch noch ein Sonderkündigungsrecht hat.“
Immobilie finanzieren: Zinsbindungen bis zu 40 Jahren werden angeboten
Mit der Ausübung dieses Sonderkündigungsrechts kann der Kreditnehmer dann zum Beispiel eine Finanzierung zu günstigeren Konditionen abschließen, entweder bei derselben Bank oder auch bei einem anderen Institut, das ihm ein besseres Angebot macht. Ein „richtig“ oder „falsch“ gibt es hier dennoch nicht, denn es hängt ganz von der individuellen Situation und auch dem Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen ab, welche Zinsbindung er wählen möchte. Wer ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat, sollte sich die aktuellen Zinsen lange sichern. Denn historisch betrachtet ist das Zinsniveau immer noch moderat.
Institute bieten sogar Zinsbindungen von 30, 35 oder sogar 40 Jahren an. Ein Modell, das vorwiegend von jungen Familien gewählt wird, die somit bereits beim Kauf wissen, was sie insgesamt zahlen müssen, bis die Immobilie ihr vollständiges Eigentum ist. Jedenfalls was Zinsen und Tilgung angeht. „Die Entwicklung der Nebenkosten kann allerdings seriös über einen derart langen Zeitraum nicht vorhergesagt werden“, so Hentschel.
Auch bei diesen langen Zinsbindungen steht den Darlehensnehmern nach Ablauf von zehn Jahren ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht nach Paragraph 489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu.
Sind diese zehn Jahre noch nicht verstrichen, kann der Vertrag auch vorzeitig gekündigt werden. In diesem Fall erhebt die Bank jedoch eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Diese kann die Kreditkosten deutlich erhöhen und den Vorteil eines für lange Zeit festgeschriebenen niedrigen Zinssatzes zunichte machen.
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Immobilienkredit: Kurze Zinsbindung birgt Risiko
Sollte das Kreditniveau hoch sein, empfiehlt sich eher eine kürzere Zinsbindungsfrist. Dies ist bei dem jetzigen Zinsniveau allerdings noch nicht der Fall. Eine kurze Laufzeit mit kurzer Zinsbindung wirkt sich vor allem auf den Zinssatz aus. Dieser ist deutlich günstiger als bei einer langen „Laufzeit“. Somit wird der Kredit günstiger. Kreditnehmer müssen aber dafür mit einer hohen Restschuld nach Ablauf der Zinsbindungsfrist rechnen.
Haben sich die Sollzinsen in der Zwischenzeit erhöht, besteht bei einer kurzen Zinsbindung der Nachteil, dass sich das Anschlussdarlehen erheblich verteuern kann. Wer dann zu knapp kalkuliert hat, kann durch die Zinserhöhung in echte finanzielle Schwierigkeiten geraten. Ein positives Beispiel für eine kurze Zinsbindung: Für Personen, die zum Beispiel eine Erbschaft oder Schenkung erwarten, mit der sie den Kredit dann zurückzahlen können, ist es sinnvoll, eine kurze Kreditlaufzeit zu wählen. Ebenso wählen Kapitalanleger in der Regel eine kürzere Zinsbindung, ebenso Menschen, die mit sinkenden Zinsen rechnen.
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Anschlussfinanzierung für Immobilien: Forward-Darlehen sichern
Bevor die Zinsbindung endet, muss die Bank den Kreditnehmer gemäß Paragraph 492a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) darüber informieren. Außerdem muss ihm mitgeteilt werden, zu welchen Konditionen der Kredit dann fortgeführt wird, zum Beispiel mit einem neuen Festzins oder einer variablen Verzinsung.
Der Verbraucher sollte sich daher bereits sehr frühzeitig um seine Anschlussfinanzierung kümmern und wie beim Erstkredit verschiedene Angebote vergleichen, rät die Verbraucherzentrale NRW. „Bei einigen Instituten kann man sich bereits ab fünf Jahre, in der Regel jedoch drei Jahre, vor Ablauf der Zinsbindung durch ein sogenanntes ‚Forward-Darlehen’ eine günstige Anschlussfinanzierung sichern“, erklärt der Finanzexperte.
Die Aufschläge für Forward-Darlehen haben sich im Übrigen trotz gestiegener Zinsen kaum verändert. Sie betragen etwa 0,3 Prozentpunkte auf den aktuellen Zins, wenn man sich das Darlehen bereits 36 Monate im Voraus sichert. Wer jedoch mit fallenden Zinsen rechnet, wartet eher weiter ab und kann dann unter Umständen nach Ablauf der Zinsbindung sogar noch günstiger abschließen. Wechselt man dann die Bank, darf diese für den Wechsel keine Gebühren erheben – lediglich für die Umschreibung der Grundbuchschuld. Die Ersparnis durch die neue Finanzierung für das Eigenheim ist jedoch in der Regel weitaus höher als die Gebühr.
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