Balve. An der Tankstelle wird sie sieben bis acht Dollar kosten, gefüllt ist sie mit flüssigem Harnstoff: Eine Kunststoff-Flasche soll der Balver Kruse KG den Weg auf den US-amerikanischen Markt ebnen.
Das Unternehmen aus dem Sauerland, das sich auf Produktion und Vertrieb von Chemikalien, Baustoffen sowie Wasch- und Reinigungsmitteln spezialisiert hat, will demnächst mit einem Produkt für den Automobilsektor in den USA Fuß fassen. Harnstoff hilft, den Stickoxid-Ausstoß im Dieselkraftstoff zu minimieren und soll damit den Selbstzünder-Absatz auf dem größten Automarkt der Welt entscheidend voranbringen.
Denn noch sind Diesel-Pkw selten anzutreffen auf den scheinbar endlosen Freeways in Amerika. Angesichts der auch dort drastisch steigenden Benzinpreise könnten sie jedoch schon bald auf die Überholspur abbiegen. Experten gehen davon aus, dass sich der Marktanteil bis zum Jahr 2015 auf 10 bis 15 Prozent mehr als verdreifachen könnte. Fast alle deutschen Hersteller planen in den USA eine Diesel-Offensive. Verkaufen durften sie ihre neuen Fahrzeuge in wichtigen Bundesstaaten wie Kalifornien allerdings noch nicht; wegen zu hohen Stickoxid-Emissionen verweigerten ihnen die Behörden die Zulassung.
Den Durchbruch schaffen wollen die Autokonzerne nun mit einer Technologie, die im Lkw-Sektor bereits eingesetzt wird: Ein spezieller Katalysator und die Einspritzung einer künstlichen Harnstoff-Lösung (Handelsnahme: AdBlue) drücken den Stickoxid-Ausstoß um etwa 90 Prozent.
AdBlue als Chance An dieser Stelle sieht die Kruse-Gruppe (600 Mitarbeiter) ihre Chance. Denn für AdBlue benötigen die Autos nicht nur einen Zusatztank; die Flüssigkeit muss im Notfall auch bequem und sicher vom Fahrer oder Tankwart nachgefüllt werden können - so wie Wasser für die Scheibenwaschanlage. Genau für diesen Markt wollen die Balver das passende Gebinde auf den US-Markt werfen: die patentierte "Kruse-Flasche" mit Trockenkupplung.
Die Eintrittskarte für die USA hat sich das mittelständische Unternehmen bereits gesichert: "Alle großen Fahrzeughersteller haben sich auf den von uns entwickelten Einfüllstutzen für den Zusatztank im Auto geeinigt", sagt Firmenchef Matthias Kruse. Mercedes orderte bereits 10 000 Flaschen, andere Autobauer wollen nach seinen Angaben nachziehen.
Bis 2012 möchte Kruse ein flächendeckendes Händlernetz in den USA aufbauen. Bisher hat das Unternehmen mehr als eine Million Euro in die Entwicklung der Flasche investiert. "Für die Kosten der Logistik vor Ort sollen jedoch die Automobilhersteller aufkommen", sagt Kruse. "Das können wir nicht leisten." In den USA gibt es immerhin gut 200 000 mögliche Verkaufsstellen, darunter 120 000 Tankstellen, an denen nicht nur die Flüssigkeit, sondern auch die Flaschen zur Verfügung stehen müssten. Ein Distributionszentrum hat Kruse bereits im Bundesstaat Delaware eröffnet. Weitere sollen noch in diesem Jahr unter anderem in Michigan und an der Westküste folgen.
Ob die Entwicklung aus dem Sauerland in den USA eine Erfolgsgeschichte schreiben kann, wird indes auch von der Mentalität der amerikanischen Autofahrer abhängen: "Wenn die nicht auf Dieselautos umsteigen, dann verkaufen wir dort auch keine Flaschen", betont Kruse.
Fest steht jedoch: Emissionsminderung ist eine der herausragenden Zukunftsaufgaben der Pkw-Produzenten. Auch in Europa werden die Schadstoff-Standards in den kommenden Jahre verschärft (Euro 6). Die Hersteller sind sicher, dass sich hierzulande die AdBlue-Technologie ebenfalls durchsetzen wird. Die Kruse-Gruppe aus Balve ist darauf vorbereitet.