Hagen. Südwestfalens Wirtschaft sieht die Auseinandersetzung über Chinas Tibet-Politik und die Frage der Menschenrechte im Vorfeld der Olympischen Spiele mit Sorge. Mehr als 300 Unternehmen haben enge geschäftliche Verbindungen mit der Volksrepublik. ...
... Bundesweit warnen Wirtschaftsverbände vor einer Eskalation. 200 000 Arbeitsplätze sollen in Deutschland vom Export nach China abhängen.
China wirtschaftlich zu erobern: Das war ein ungeschriebenes Gesetz, als vor sieben Jahren die Olympischen Spiele nach Peking vergeben wurden. Der Wachstumsmarkt verspricht gute Geschäfte. Jüngste Nachricht: VW hat gestern ein neues Werk im ostchinesischen Nanjing mit 1200 Mitarbeitern eröffnet. Sie sollen jährlich 60 000 Autos produzieren. Seit Beginn des Fackellaufs aber ist die Stimmung umgeschlagen. In China häufen sich Boykott-Aufrufe gegen westliche Firmen und liefern anti-chinesischen Stimmungen in Europa Nahrung. Ein Rückschritt ist für Vertreter der Wirtschaft in Südwestfalen undenkbar.
"Viele Unternehmen sind aufeinander angewiesen", sagt Rudolf König, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen. "Sie unterhalten arbeitsteilige Verbindungen, die eng aufeinander abgestimmt sind. Viele chinesische Vorprodukte gehören zu Produkten unserer Firmen." China ist seiner Einschätzung nach die Plattform, um im Weltmarkt dabei zu sein. Einen Boykott hält König für den schlechtesten Weg, Veränderungen im Land zu erzielen. "Die wirtschaftliche Vernetzung, der Handel und die Vielzahl der Kontakte führen zu einer Liberalisierung und Öffnung des absolutistischen Regimes."
Aktuelle Zahlen aus dem Düsseldorfer Wirtschaftsministerium unterstreichen die Bedeutung Chinas für NRW. Allein im Januar war die Volksrepublik mit Importen von 1,24 Milliarden Euro nach Nordrhein-Westfalen das zweitgrößte Lieferland. In Gegenrichtung exportierten Firmen aus NRW Waren und Güter im Wert von 588,9 Mio. Euro nach China - Rang 9 in Liste der wichtigsten Export-Märkte. Seit 2005 stammt, grob gesagt, ein Viertel der Einfuhren aus China und gehen mehr als 20 Prozent der Ausfuhren dorthin.
Firmen wie BJB Leuchttechnik aus Arnsberg (120 Millionen Euro Umsatz, 700 Beschäftigte, davon 40 in China) gehören zu denen, die große Hoffnungen auf den chinesischen Markt setzen. "Seit zwei Jahren haben wir dort, Stichwort niedrige Lohnkosten, eine Produktionshalle", sagt Ulrich Klein, der kaufmännische Leiter, "und wickeln darüber den Vertrieb ab. Im Juni ist in Kanton eine Leuchtmesse, von der wir uns viel versprechen. Die ersten Einschränkungen bei der Einreise für Geschäftsleute sind ausgesprochen. Wenn das so beibehalten wird, wirkt das für uns wie ein Bremsklotz."
Steckerfabrikant Walter Mennekes aus Kirchhundem hält es für falsch, das Engagement zurückzufahren. "Wir sind seit 14 Jahren dort, beschäftigen 130 Mitarbeiter und bauen unsere zweite Fabrik. Mit den Menschen haben wir gute Erfahrungen. Man darf die Wirtschaft nicht für die Politik verantwortlich machen." Heinz-Josef Schröder, Fachbereichsleiter Außenhandels-Service der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK), pflichtet Mennekes bei: "Es ist immer kritisch, wenn Politik und Wirtschaft vermischt wird. Was wird damit erreicht? An China als Wachstumsmarkt kommt man nicht vorbei." Eine Meinung, die, Walter Hess teilt. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Hess Maschinenfabrik aus Burbach (170 Mio. Euro Umsatz, 650 Beschäftigte an 8 Standorten). Seit 1980 ist das Unternehmen in China aktiv, hat 5 Millionen Euro investiert und betreibt seit 1998 eine eigenständige Fabrik. "Man darf die Verletzungen der Menschenrechte nicht unter den Tisch fallenlassen. Der Druck muss angezogen werden. Nicht zu viel, sonst wird es ein Eigentor. Die Chinesen sind bei einer Einmischung in innere Angelegenheiten empfindlich."