Wittgenstein. .
In Feudingen wird Dorfgemeinschaft groß geschrieben. Vielleicht sogar ein bisschen größer als anderswo. Denn in Feudingen bildet sie seit dem vergangenen Herbst sogar einen eigenen Verein. Der sei aber auch dringend nötig gewesen, sagt Vorsitzender Hans-Hermann Weber. Etwa, um erschreckende Leerstände in den Häusern des Ortes kreativ zu bekämpfen. Positiv: „Wir haben Mitglieder aus allen Schichten“, freut sich Weber. „Und wir wachsen.“
Dorfgemeinschaften in ihrem Tun zu unterstützen – genau darum zum Beispiel gehe es beim EU-Förderprogramm LEADER, erklärt Jens Steinhoff vom Marler Institut für Regionalmanagement. Gemeinsam mit Vera Lauber vom Büro Lauber Raumplanung, Baesweiler/Bad Berleburg, moderiert er im Saal der AWO-Werkstatt Wittgenstein in Schameder einen Info-Abend, der den Auftakt bildet für eine Bewerbung Wittgensteins um Fördergelder aus eben diesem Programm. Mit einem handfesten Konzept, das bis zum Jahresende eben auch in den rund 50 Dörfern entstehen soll.
Heimvorteil der Ingenieurin
Etwa 70 Bürger und lokale Akteure sind nach Schameder gekommen. Steinhoff und Lauber begleiten die Bewerbung Wittgensteins fachlich – im Auftrag des Zweckverbands Region Wittgenstein, den Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück gegründet haben. Diplom-Ingenieurin Lauber kommt übrigens aus Wingeshausen, hat also ganz klar Heimvorteil. Sicher: Die Region Wittgenstein liege verkehrstechnisch nicht gerade günstig, räumt im Interview Bernd Fuhrmann ein, Bürgermeister in Bad Berleburg. Aber: „Wir haben hier vor Ort die Stärke, in Netzwerken agieren zu können.“ Unternehmen, Schulen, Bürgervereine, Dörfer, Kirchen, Kommunen – sie alle wirkten in sehr viele Projekten bereits sehr gut zusammen. Beispiele dafür gebe es mehr als genug.
Etwa in der Lukas-Kirchengemeinde im Eder- und Elsofftal. „Wenn man sich traut, sich zu wandeln, entsteht eine neue Mentalität“, hat Dr. Ralf Kötter erfahren, Pfarrer der Kirchengemeinde. Das setze eine „positive Energie“ frei. Beispiel Senioren-Betreuung: Durch den Einsatz diakonischer Gemeinde-Mitarbeiterinnen habe sich „die Verweildauer Pflegebedürftiger in den Familien deutlich erhöht“. Abschiebung ins Altenheim? Von wegen! Und der Bürgerbus mit Ehrenamtlichen am Steuer sei ausgelastet, so Kötter weiter – etwa dann, wenn das Ziel gerade für die Älteren der Hausarzt sei.
Das Ehrenamt – es spielt eine wichtige Rolle. Beispiel Bürger-Energiegenossenschaft in Bad Laasphe: Sie kümmert sich seit Mitte 2013 um Stromerzeugung aus Photovoltaik, aber zum Beispiel auch um ein Blockheizkraftwerk-Projekt für mehrere Häuser der denkmalgeschützten Bad Laaspher Altstadt.
Und wie schaut es mit dem Entwicklungspotenzial der Wirtschaft vor Ort aus, Herr Völkel? Wie wirtschaftlich stark die Region Wittgenstein sei, zeige nicht zuletzt die niedrige Arbeitslosenquote von vier Prozent, so Erndtebrücks Bürgermeister Karl Ludwig Völkel. Um jedoch die Fachkräfte der Zukunft hierher zu bringen, müsse man eben für ein rundum lebenswertes Umfeld sorgen.
Wichtig ist auch das Drumherum
Das sieht auch Jörg-Michael Bald so, Leiter der AWO-Werkstatt Wittgenstein, deren Mitarbeiter allein in Schameder rund 190 behinderte Menschen betreut. Doch im Team seien etwas zwei Drittel der Beschäftigten zwischen 40 und 59 Jahre alt, berichtet Bald – da müsse man sich nach neuen, jungen Fachkräften umsehen. Und ihnen in Wittgenstein als Wohnort schon etwas bieten können: „Wichtig ist auch das Drumherum“, sagt Bald.
Stichwort „Willkommenskultur“: Was kann man jungen Familien also in Wittgenstein bieten? Die „Freizeit-Qualität“ sei da, sagt Karsten Wolter vom Verein Bad Berleburg Markt und Tourismus. Und: „Die Vereinsaktivitäten werden sehr geschätzt.“ Gute Ansätze. Winfried Damm, Leiter des Städtischen Gymnasiums Bad Laasphe, berichtet von Praktika für die Schüler „in der hiesigen Arbeitswelt“, also gleich vor der Haustür. Und: Eltern oder Ehemalige der Schule fungieren erfolgreich als Berufsberater. Ein Angebot, das bei den Schülern ankomme, so Damm – vom Probe-Studium im nahen Marburg einmal ganz abgesehen.
Jugendliche an die Heimat binden
Und wie lassen sich Jugendliche in den Dörfern einbinden? Das möchte Vera Lauber von Katharina Benner-Lückel wissen, Stadtjugendpflegerin in Bad Berleburg. Der fallen auf Anhieb eine ganze Menge Beispiele ein – etwa der Bolzplatz in Raumland, der „den Jugendlichen am Herzen lag“. Und das sei für sie natürlich besonders motivierend gewesen, bei der Sanierung auch selbst mitzumachen.
Für den Herbst kündigt Jens Steinhoff die Bildung von Arbeitskreisen und Themen-Touren durch Wittgenstein an, um das Entwicklungskonzept für die Bewerbung der Region voranzubringen. Gemeinsam mit den Wittgensteinern. „Denn die Menschen vor Ort wissen am besten, was ihnen gut tut“, sagt Steinhoff.
Bad Laasphes Bürgermeister Dr. Torsten Spillmann, derzeit Vorsteher des Zweckverbands Region Wittgenstein, ist überzeugt: „Wenn wir unsere Stärken zusammenlegen, kriegen wir ein gutes Konzept zusammen.“