Bad Laasphe.

Sie wollen vieles (kennen) lernen und erleben: Land und Leute. Die deutsche Sprache. Das hiesige Schulsystem. Und auch „die Dinge, die man nicht in der Schule oder der Uni lernt“, wie es der 17-jährige Josue auf den Punkt bringt.

Josue kommt aus Florida. Er ist einer von 50 amerikanischen Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren, die im Rahmen des Parlamentarischen Partnerschafts-Programms (PPP) im Juli nach Deutschland gereist sind. Sie alle haben ein zehnmonatiges Stipendium erhalten. Bevor sie am Wochenende bei ihren Gastfamilien einzogen, kamen sie zu einem dreiwöchigen Vorbereitungsseminar auf Schloss Wittgenstein zusammen.

Die Jugendlichen wohnten im Internat, hatten vormittags Unterricht und nachmittags Freizeit. Deutsch als Fremdsprache (DaF) sowie deutsche Geschichte und Politik waren zwei Unterrichtschwerpunkte, die ein vom PPP engagiertes fünfköpfiges Lehrerteam mit den Jugendlichen behandelte – unter anderem am Beispiel der Filme „Goodbye Lenin“ und „Fack ju Göhte“. Zudem stand ein Kurs zum Thema Umwelt auf dem Programm.

Unterricht genießen

Dass die Schüler freiwillig am PPP teilnehmen, machte sich in der Unterrichtsatmosphäre bemerkbar. „Hier arbeitet man mit Schülern zusammen, die den Unterricht genießen“, so die DaF-Lehrerin Viktoria Krimmel. Für jemanden, der sich – so wie sie – auf den normalen Schuldienst vorbereitet, sei dies eine tolle Erfahrung, denn: „Später unterrichtet man sowieso noch in Klassen mit 30 Schülern, in denen nicht alle Lust haben.“

Nachmittags kamen die Betreuer zum Zuge: Fünf junge Erwachsene, die ehrenamtlich für die Austausch-Organisation „Experiment e.V.“ tätig sind und selbst Austausch-Erfahrung haben. Sie organisierten Spiele mit den Jugendlichen und unternahmen viel. Bildung und Freizeitspaß ergänzten sich dabei. Ein Ausflugsziel der Gruppe war Marburg. „Eine sehr schöne Stadt“, wie die 17-jährige Shawna aus Virginia findet. Sie interessiert sich für die deutsche Kultur, dafür, „wie die Menschen leben, wie sie ihre Zeit verbringen.“ Ihr erster Eindruck: Das alltägliche Leben in Deutschland unterscheide sich gar nicht so sehr vom dem in den USA.

Einen Unterschied stellt die 18-jährige Sarah aus Kentucky fest: Es gebe in Deutschland ein ganz anderes Umweltbewusstsein als in den USA – ein aus ihrer Sicht sehr ausgeprägtes. Das fange schon bei der Mülltrennung an. Ein Aspekt, den auch James aus Florida hervorhebt. Den Müll trennen, das Licht beim Verlassen eines Zimmers ausknipsen – das seien Dinge, auf die in seiner Heimat weniger geachtet werde. Dinge, die den Jugendlichen in ihrem Vorbereitungsseminar näher gebracht wurden. Welches Staunen etwa das deutsche Mülltrennsystem bei den US-Amerikanern auslöst, weiß auch Martina Munninger, Leiterin des Vorbereitungsseminars, zu bestätigen. „So etwas gibt es in den USA nicht.“

Interesse an Kultur

Was motiviert Jugendliche, ein anderes Land kennen zu lernen?

Für James spielt Kulturinteresse eine wichtige Rolle. Der 18-Jährige ist ein großer Fan klassischer Musik. Er mag Schubert und Beethoven. Nicht zuletzt deshalb hat es ihn nach Deutschland gezogen.

„Mich selbst entdecken“ ist das Ziel, das Ian, ebenfalls 18, mit seinem Deutschland-Aufenthalt verbindet. Er hat soeben die High School beendet und will vor Beginn seines Studiums noch etwas Lebenserfahrung sammeln. Von seiner Zeit in Deutschland erhofft er sich neue Freundschaften. Und er möchte nach zehn Monaten die deutsche Sprache fließend beherrschen. Josue misst dem Spracherwerb ebenfalls große Bedeutung bei. Er hat klare Vorstellungen davon, wo ihm seine Sprachkenntnisse zugute kommen sollen: „Ich will Politiker oder Diplomat werden.“ Dass man während eines solchen Stipendiums auch Dinge lerne, die einem an keiner Schule und keiner Universität beigebracht würden, macht für ihn den persönlichen Mehrwert des Auslandsaufenthalts aus. Als ein Beispiel nennt der aufgeschlossene junge Mann die Fähigkeit zur Interaktion.

Welche Bedeutung einem Auslandsstipendium für die persönliche Entwicklung zukommt, haben die Betreuer allesamt selbst erfahren. Umso mehr hoffen sie, dass der deutsche Bundestag und das US-Kongress das PPP in seiner jetzigen Form weiterhin unterstützen und nicht durch Kürzungen einschränken wird.

„Wir glauben an die Idee“, verdeutlicht der Betreuer Benedikt Scharfe. „Living together, learning together“ (zusammen leben, zusammen lernen) laute das Motto. Gelingen könne ein Austausch freilich nur, wenn sich genug Gastfamilien fänden. Und genau das ist nicht immer einfach.

Gastfamilien gesucht

Die meisten der 50 Jugendlichen hatten zum Ende der dreiwöchigen Vorbereitungsphase eine Gastfamilie gefunden, ein paar aber nur übergangsweise. Für vier Jugendliche geht die Suche vorerst weiter.

Prinzipiell könne jede Familie Gastfamilie sein, unterstreichen die Betreuer. Allerdings müsse sie den Austauschjugendlichen mehr bieten als ein „Hotel“. Jemanden nicht nur aufzunehmen, sondern in die Familie zu integrieren, sei das Entscheidende. Denn nur so sei Kultur erfahrbar.

Am vergangenen Wochenende trennten sich die Wege der Jugendlichen, ihrer Betreuer und Lehrer. Die Stipendiaten machten sich auf den Weg zu ihren dauerhaften oder vorläufigen Gastfamilien – und verstreuten sich in fast alle Bundesländer. Den Schwerpunkt bildet Nordrhein-Westfalen.

In den kommenden zehn Monaten werden die Jugendlichen nicht anders leben als ihre Altersgenossen in Deutschland. Sie werden mit ihnen zur Schule und in Vereine gehen und Freundschaften schließen – letzteres womöglich für mehr als zehn Monate.