Bad Berleburg. Es war in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1874. Innerhalb kürzester Zeit hat ein Großbrand in Berleburg Scheunen und Häuser in der Unterstadt zerstört. Not und Elend – ohnehin bei vielen Menschen vorhanden – wurden noch größer.

Laut gellen die Schreie durch die Nacht. „Feuer, Feuer!“ Was heute als Teil der Berleburger Unterstadt gilt, hieß vor 140 Jahren „Scheunenviertel“. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli 1874 stand es in Flammen. Wenige Tage zuvor erst war die Heuernte eingefahren, landwirtschaftliches Gerät war dort abgestellt, außer den Scheunen der Landwirte aus Ober- und Unterstadt standen dort natürlich auch Wohnhäuser. Auch vor ihnen machte der rote Hahn nicht Halt. Es war eine Katastrophe.

Durch die Feuersbrunst heute vor 140 Jahren wurde der links der Odeborn liegende Teil der Stadt und die damalige „Gasse“, die heutige Emil-Wolff-Straße, fast völlig zerstört. Nach dem amtlichen Bericht jener Tage fielen 16 Wohnhäuser und 84 Scheunen dem Großbrand zum Opfer. Da diese Gebäude auf engstem Raum vielfach aneinander aus Holz gebaut und mit Stroh gedeckt waren, breitete sich das Feuer rasend aus.

Alte Aufzeichnungen

Hier einige Auszüge aus einem ausführlichen Bericht über den Brand aus dem Wittgensteiner Kreisblatt vom 1. August 1874 sowie aus einem Aufsatz von Albrecht Homrighausen im Heft „Wittgenstein“ des Wittgensteiner Heimatvereins aus 1974:

„Es ist 1 Uhr nachts. Kurze, schaurige, sich rasch wiederholende Töne des Nachtwächterhorns, das Heulen der Sturmglocke weckt die Bewohner aus erstem festen Schlaf, und rasch in die nothwendigen Kleidungsstücke hineinschlüpfend, zeigt selbst dem entfernter Wohnenden der erste Blick aufs Fenster, tag hell gelichtete Nacht, und gibt ihm die Überzeugung, daß es sich hier nicht um einen etwa rasch zu löschenden Kaminbrand, um ein kleines Feuer handelt, sondern daß große Gefahr vorhanden und ein weiterer Blick zeigt uns den Ort des Brandes: ,Unsere Scheunen’, nach glücklich beendeter Heuernte eben gefüllt. – Hier scheint Rettung unmöglich.

Spritzen und Mannschaften reichen nicht aus und immer weitere Ausdehnung gewinnt das unheilschwere Element....

Ueberall klagende Truppen Frauen und weinende Kinder; überall fehlt die ruhige Ueberlegung, Schreck und Angst haben sie gebannt. Ueberall wird gerettet, überall geholfen, aber in der Angst, der Verwirrung fast stets das Unrichtige; – hier kommt eine Frau mit einem schweren Strohsack und hat die besseren Federkissen ruhig dem Element überlassen, dort schiebt ein Vater den glücklich geretteten Pflug wieder in die brennende Scheune hinein, weil ihn der Sohn zur Eile mahnt; hier werden werthvollere Päcke mit Leinen und Bettzeug glücklich gerettet und verbrennen in dem Hof des gegenüber liegenden Gebäudes.

„Noth, Jammer und Elend“

Die Noth, den Jammer und das Elend der schwer Betroffenen zu schildern, ist schwer. Dort ein alter 78jähriger Greis, der vor Kurzem noch durch den Verlust der Gattin heimgesucht, jetzt sein theures, ihm so liebes ,Heim’ eingebüßt hat... Hier eine junge Mutter; sie hat mit dem Mann ihrer Wahl vor nicht gar langer Zeit den Hausstand gegründet, ein Häuschen gekauft und Anzahlung darauf gemacht; ihr ist fast Alles verbrannt und reicht die ihr werdende Versicherungsprämie nicht hin, den Restkaufsschilling auf solches zu zahlen. Dort eine durch die Last der Jahre, der Arbeit und des Kummers gebeugte Witwe, die mit ihrem Häuschen ihr Ein und Alles verlor.

Spritzen aus den Nachbardörfern

Nur mit großer Mühe gelingt es, die Ludwigsburg, ein dem Grafen von Sayn gehörendes Besitzthum, den Klauen des Elements zu entreißen. Und trifft das Lob der Erhaltung unseren Mitbürger, den Zimmermeister Schupp, der als Spritzenleiter mit größter Umsicht dies Gebäude zu bewahren verstand. Aber hinter der Ludwigsburg tobt das Element weiter und nähert sich immer mehr der ,Gasse’, größten­theils aus Häusern mit Strohdächern bestehend und bewohnt von dem ärmeren Theile der Bevölkerung....

Inzwischen ist Hülfe von allen Seiten der Landbevölkerung eingetroffen und es ist vornehmlich den wohlorganisierten Spritzenmannschaften aus Berghausen und Wingeshausen zu danken, daß endlich zwischen 7 und 8 Uhr der Herd des Feuers begrenzt war; wenn auch die Gefahr noch nicht als beseitigt angesehen werden konnte, findet man ja heute nach verstrichenen vollen 10 Tagen noch rauchende Trümmer genug...

Im Ganzen liegen 110 Gebäude, darunter 17 Wohnhäuser, in Asche. Eine genaue Feststellung des verursachten Schadens ist nicht möglich; es sollen ca. 6000 - 8000 Ctr. (Zentner, die Red.) Heu, viel Stroh, landwirthschaftliche Geräte u.a. verbrannt sein...

Ueber Ursache und Entstehung des Feuers sich in Muthmaßungen zu ergehen, würde zwecklos sein, indessen ist die Vermuthung, daß solches durch ruchlose Hände entstanden, leider sehr nahe liegend.“

Sowohl direkt nach dem Feuer als auch mehr als 100 Jahre später hat das das „Scheunenviertel“ durch die Stadtkernsanierung erneut ein anderes Erscheinungsbild erhalten.