Wittgenstein. . Der zentrale Notfalldienst in Wittgenstein sei für den Bedarf der Patienten ausreichend, sagt Dr. Ulrich Gauß, Vorsitzender des Netzwerks „Ärzte in der Region“. Allerdings fehle der Mediziner-Nachwuchs. Hier gelte es, zusätzliche Anreize zu schaffen.

Den Hausarzt von früher, der stets genügend Zeit für seine Patienten hatte und auch öfters mal auf Hausbesuch kam – ihn gibt’s nur noch sehr selten, selbst im Wittgensteiner Land. Das sieht auch der Bad Laaspher Allgemeinmediziner Dr. Ulrich Gauß so. Kooperation statt Konkurrenz – im Netzwerk „Ärzte in der Region“ (ADR) versuchen er und viele Kollegen aus Wittgenstein sowie dem nahen hessischen Hinterland, die Versorgung so optimal wie möglich zu halten. Das gilt auch und gerade für den ärztlichen Notfalldienst.

Wie sieht der Bedarf auf Seiten der Patienten aus?

In die Bad Laaspher Gemeinschaftspraxis von Gauß und seinen drei Kollegen kamen früher im Notdienst 40 bis 50 Patienten pro Tag. Zum Vergleich: Beim sogenannten ärztlichen Notfalldienst über 14 Stunden im Bad Berleburger Krankenhaus sind es laut Gauß etwa 30 Patienten aus ganz Wittgenstein.

Service für die Patienten in der Region

Dr. Ulrich Gauß und die Mediziner-Kollegen in seiner Bad Laaspher Gemeinschaftspraxis gehören zum Verband „Ärzte der Region Hinterland und Wittgenstein“ (ADR), in dem rund 50 Haus- und Fachärzte dies- und jenseits der Landesgrenze zu Hessen kooperieren.

Gemeinsames Ziel sei die bestmögliche ärztliche Versorgung vor Ort, so Gauß, zugleich im ADR erster Vorstandsvorsitzender.

Darüber hinaus wolle man den Patienten in der Region einen Service bieten – zum Beispiel bei der Arzt- und Praxis-Suche, aber auch in Sachen Notfälle.

So findet sich im Internet-Auftritt des ADR eine umfangreiche Liste mit wichtigen Telefon-Kontakten zu Notdiensten, Krankenhäusern oder Apotheken.

Internet: www.adr-netz.de

Was leisten die Ärzte?

Früher, in den Zeiten des kollegialen Notdienstes außerhalb der üblichen Praxis-Zeiten, schoben die Wittgen­steiner Mediziner oft 60 Bereitschaftsdienste in einem Jahr – „heute sind es nur noch sechs“, berichtet Gauß. Damit seien die einzelnen Kollegen vor Ort deutlich entlastet. „Durch die Zentralisierung seit 2011 überlegt sich so mancher Patient, ob er wirklich einen Arzt braucht“, haben Gauß und Kollegen festgestellt. Schon gar nicht jene Anrufer, findet der Mediziner, die sich nachts um 0.30 Uhr ihren Hausarzt melden – nur, um zu erfahren, „wer denn Dienst hat“. Und um sich den nächsten Hausarzt-Termin geben zu lassen.

Welche Erfahrungen haben die Wittgensteiner Mediziner in den Notfalldiensten gemacht?

Die Zentralisierung habe „jetzt keine erhöhten Sterbezahlen“ ergeben, so Gauß. Und meint damit auch: In ernsten, akuten Notfällen seien die betroffenen Patienten noch immer angemessen behandelt worden.

Aber sehr oft sei es eben so, dass manche Beschwerden „nicht vollversorgt werden müssen“, erklärt Gauß. Da reiche es für den Kollegen im ärztlichen Notdienst oft, dem leidenden Anrufer Tipps zu geben, ihn mit Hinweis auf ein Medikament zur Apotheke zu schicken. Oder ihm einfach zuzuhören.

Dafür seien die Arztpraxen oft montags voll, weiß Gauß aus Erfahrung – nicht zuletzt mit Patienten, die sich mit ihren Beschwerden bis in die neue Woche gerettet haben.

Wie funktioniert der ärztliche Notfalldienst in Wittgenstein eigentlich?

In Wittgenstein ist seit 1. Februar 2011 ein Behandlungsraum in der Bad Berleburger Helios-Klinik „Zentrale“ des ärztlichen Notfalldienstes – und zwar montags, dienstags und donnerstags ab 18 Uhr, mittwochs und freitags ab 13 Uhr sowie am Wochenende rund um die Uhr. Dann sitzt dort einer der Kassenärzte aus der Region, „ist Anlaufstelle für Grippe, Husten, Schnupfen, Heiserkeit“, wie es Dr. Ulrich Gauß etwas salopp ausdrückt. Bis 22 Uhr sind die Kollegen in diesem „Sitzdienst“, wie Gauß es nennt, präsent. Ab 22 Uhr, wenn die Zahl der Anrufe erfahrungsgemäß zurückgehe, übernehmen dann die Assistenzärzte des Krankenhauses.

Sind da noch Hausbesuche möglich?

Ja, durchaus. Parallel steht ein Fahrdienst bereit, der einen Arzt bei Bedarf zu Hausbesuchen bringt.

Er zeigt aber auch, dass es mit der medizinischen Versorgung in der Region nicht immer einfach ist. Gauß hat das in Feudingen erlebt – mit einer Schlaganfall-Patientin. Für sie sei nur der Weg ins Marburger oder ins Siegener Krankenhaus in Frage gekommen, berichtet der Bad Laaspher Arzt. Gauß entscheidet: Die „Stroke Unit“ am Kreisklinikum Siegen in Weidenau kann damit am besten umgehen. Anfahrtszeit jedoch: etwa anderthalb Stunden. Das bedeute allerdings nicht, betont der Mediziner, dass in Akutfällen nicht auch generell Bad Berleburg oder Biedenkopf anfahrbar seien.

Was fehlt in Bad Laasphe?

Es sei schon ein echter Verlust gewesen, bedauert Gauß, als seinerzeit die Neurologische Fachklinik in Bad Laasphe habe schließen müssen. Immerhin: Im Medizinischen Versorgungszentrum der Berleburger Helios-Klinik sei zweimal in der Woche ein Kollege der Neurologie präsent – aber leider eben oft nicht, wenn man ihn im Akutfall brauche.

Wie ist der ärztliche Notfalldienst für Wittgenstein telefonisch erreichbar?

Am besten direkt unter 0180/50 44 100. Anfangs Ärger gemacht habe bei der Einführung 2011 die neue, bundesweit geltende Rufnummer 116 117, erinnert sich Gauß. Dabei laufen die Anrufe aus ganz NRW in Duisburg auf, von wo aus dann die Einsätze vor Ort koordiniert werden – und genau das habe in der Vergangenheit oft nicht so gut geklappt.

Welche Perspektive hat die ärztliche Versorgung in der Region?

Die Frage in Sachen ärztliche Versorgung für Wittgenstein sei, so Gauß: „Was passiert in fünf Jahren? Wie können wir die Zukunft bewältigen?“ Dabei sei es für die niedergelassenen Ärzte wichtig, mit Krankenhäusern in der Region, aber auch den Krankenkassen darüber im Gespräch zu bleiben, wie die Situation verbessert werden kann.

Den „Knackpunkt“ dabei sieht der Bad Laaspher Mediziner schon im Bereich der Hausärzte, „die vieles abfangen“. Allerdings drohten der Region in den nächsten Jahren reichlich Praxis-Schließungen, weil Kollegen in den Ruhestand gehen – und keinen Nachfolger finden.

Hier müsse man jungen Medizinern mehr Anreize geben, findet Gauß – und sieht dabei die Kassenärztliche Vereinigung mit ihrem Versorgungsauftrag in der Pflicht. So kann sich Gauß durchaus vorstellen, dass etwa ein Arzt in Marburg wohnt und tagsüber eine Praxis in Aue-Wingeshausen betreibt. Das könne auch deshalb funktionieren, weil es jetzt den erwähnten zentralisierten ärztlichen Notfalldienst gebe – mit mehr Feierabend für die Ärzte.

Welche Erfahrungen habe Sie in letzter Zeit mit dem Ärztlichen Notfalldienst in Wittgenstein gemacht, liebe Leserinnen und Leser? Rufen Sie uns ab Montag in der Redaktion an, 02751/9244-22, oder senden Sie uns eine E-Mail an: berleburg@westfalenpost.de