Erndtebrück. Erndtebrücks Politiker wollen mehr barrierefreie Straßen und Wohnhäuser. Die Wohnungen der Genossenschaften und Siedlungsgesellschaften sind es nur sehr eingeschränkt – und auf Erndtebrücks Straßen geraten die Bürgersteige ins Visier.
„Die Gemeinde sollte sich dafür einsetzen, dass möglichst wenig Menschen aus gesundheitlichen Gründen auf eine eigene Wohnung verzichten müssen.“ Das fordert die Erndtebrücker SPD-Fraktion – und außerdem „einen verstärkten Einsatz“, wenn es um die Beratung Betroffener, aber auch von Hauseigentümern oder Architekten gehe. Mit seniorengerechten Wohnungen jedenfalls sieht es in der Eder-Gemeinde jedenfalls nicht unbedingt rosig aus. Mit barrierefreien Bürgersteigen aber auch nicht.
Die Wohnungen
Beispiel Kreiswohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft: Erndtebrück sei „nicht gerade unser Hauptstandort“, sagt Susanne Klan von der KSG mit Sitz in Siegen. Hier unterhalte man fünf etwas größere Häuser, Baujahr 1975, mit Wohnungen zwischen 78 und 107 Quadratmetern, die für Soldaten der Bundeswehr konzipiert seien. Aufzüge in die oberen Etagen seien zwar vorhanden, so Klan – doch von dort aus seien es immer noch zwei Stufen bis in die Wohnung. Barrierefreiheit als Bedarf habe es bislang nie gegeben.
18 Personen in Pflegestufe III
Blick in die Statistik mit Ute Heyde, beim Kreis Siegen-Wittgenstein Leiterin des Fachgebiets Soziales: Aktuell erhalten derzeit in Erndtebrück 26 Personen Leistungen für die Pflegestufe I, 23 Personen für die Pflegestufe II und 18 Personen für die Pflegestufe III.
Für pflegebedürftige Menschen stehen in Erndtebrücker Einrichtungen derzeit insgesamt fünf stationäre Plätze leer.
Im Ausschuss für Schulen und Soziales hakt Doris Benfer (FDP) nach: Und was ist bei anstehenden Renovierungen? „Rüsten wir bei Bedarf nach“, so Klan. Etwa mit Haltegriffen in der Dusche. Altengerecht seien aber auf jeden Fall die Erdgeschoss-Wohnungen, betont die KSG-Frau.
Beispiel Wohnungsgenossenschaft Wittgenstein: Immerhin 38 Häuser mit insgesamt 189 Wohnungen betreibt in Erndtebrück die Wohnungsgenossenschaft Wittgenstein (WSG) mit Sitz in Bad Berleburg. „Wir haben keinen einzigen Aufzug und auch keine Barrierefreiheit oberhalb des Erdgeschosses“, macht WSG-Geschäftsführer Marc Hofmann gleich deutlich. Bei 34 Wohnungen wäre zumindest „barrierearmes“ Wohnen durch Umbau gestaltbar. Auch die WSG reagiert laut Hofmann individuell auf den Bedarf der Bewohner – etwa mit neuen Handläufen, wo es nötig sei. Das sei „inzwischen ohnehin Standard in der Wohnungswirtschaft“. Für Treppenlifte, nach denen sich Ausschuss-Vorsitzende Irmhild Laues erkundigte, habe es in den letzten anderthalb Jahren keine Nachfrage gegeben, so Hofmann.
Beispiel Wohnungsgenossenschaft Südwestfalen, ebenfalls aus Siegen: Sie meldet für Erndtebrück 70 Altbau-Wohnungen im Herrenseifen, in der Berliner Straße und „Im Grünewald“ – keine davon barrierefrei. Und auch keine davon entsprechend sanierbar – wegen der Kosten.
Die Beratung
Für Helge Klinkert, beim Kreis Siegen-Wittgenstein Dezernentin für Jugend, Familie, Soziales, klingen die Zahlen „sehr ernüchternd“. Für viele Senioren stelle sich irgendwann die Frage: Kann ich in meiner Wohnung bleiben? Oder brauche ich „Alternativ-Wohnraum“? Es gebe zum Beispiel in Siegen zwar viele neue Senioren-Wohnungen, weiß Klinkert – aber die seien oft teuer: Bei zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter bewegten sich die Mietpreise.
In Wittgenstein sei die Wohnsituation aber auch oft anders, so Klinkert, sei „sehr viel Eigenheim da“, das man im Notfall umbauen könne. Ziel müsse es aber in jedem Fall sein, „die Pflege im Eigenheim finanzierbar zu machen“. Für eine individuelle Beratung verweist die Sozialdezernentin auf die Senioren-Servicestelle im Rathaus Erndtebrück. Hier sollten sich die Senioren selbst oder aber deren Angehörige über die Möglichkeiten informieren.
Die Konzepte
Heiko Becker (SPD) sieht das Kernproblem in der Konzeption von Wohnhäusern. Hier müssten Architekten umdenken, meinte er im Ausschuss für Schule und Soziales. Rollstuhl-Rampen und barrierefreie Bäder seien hier „offenbar das Wichtigste“, so Klemens Pfeiffer (CDU). Und wie lässt sich das finanzieren? Dazu macht Sozialdezernentin Helge Klinkert auf Gelder der NRW-Bank und auf den Schwerbehinderten-Topf bei der Bezirksregierung in Arnsberg aufmerksam.
Eine gute Alternative könnten auch in Erndtebrück Senioren-WGs sein, findet Klinkert. Für solche Wohngemeinschaften müsse aber ein passendes Angebot mit einem guten Konzept gemacht werden. Und natürlich: „Die Nachfrage muss da sein.“
Die Bürgersteige
Barrierefreiheit dürfe es aber nicht nur in seniorengerechten Wohnungen geben, sondern müsse auch auf Erndtebrücks Bürgersteigen Standard sein, meint Doris Benfer (FDP). Und „da gibt’s viele Probleme“, sagt die Liberale. Im Bereich Post/Forum-Apotheke am Marktplatz zum Beispiel werde es durch parkende Autos oft schmal für Kinderwagen, Rollstühle und Rollatoren. Das habe sie mit ihrer Mutter, die im Rollstuhl sitze, selbst erlebt, fügt Brigitte Six (CDU) hinzu. „Sogar Schulkinder kommen da oft nicht vorbei“, ereifert sich die Ratsfrau. Vielleicht müsse man Falschparker gerade am Marktplatz endlich einmal „mehr bestrafen“. Auf Antrag Benfers wird sich der Ausschuss demnächst eingehend mit dem Thema befassen.
FDP-Fraktionschef Heinz Georg Grebe geht sogar noch einen Schritt weiter: Er fordert, hohe Bordsteine an Einmündungen oder Kreuzungen so abzusenken, dass Rollstuhl-Fahrer hier bequem über die Straße kommen. In der Grimbachstraße zum Beispiel, wo der gesamte Bürgersteig in einem schlechten Zustand sei, könne die Gemeinde gut damit anfangen, so Grebe – und das Absenken nach und nach in anderen Straßen fortsetzen, etwa bei ohnehin anstehenden Bauarbeiten.