Aue. . In einem halben Jahr hat Lucas Santos so viele Länder bereist, wie die meisten Menschen ein Leben lang nicht sehen werden. Der 22-Jährige hat dort gearbeitet, wo andere Urlaub machen: auf der MS Deutschland, dem aus der Fernsehserie bekannten „Traumschiff“.

Die Voraussetzung ist ein Beruf, der auch auf dem schwimmenden Grandhotel gebraucht wird. Den kann der gebürtige Brasilianer, der seit zehn Jahren in Wittgenstein lebt, vorweisen: Er hat Hotelfachmann gelernt. Neben guten Kenntnissen der deutschen und englischen Sprache musste Lucas Santos ein tadelloses Erscheinungsbild und sehr gute Umfangsformen mit an Bord bringen.

Als Neuer an Bord

Als ‚Commis de Rang’, als Kellner ohne Berufserfahrung, ging es los. Als Neuer habe er es nicht leicht gehabt: „Ich hätte mir eine richtige Einführung gewünscht: wo alles steht und wie alles abläuft, aber ich wurde ins kalte Wasser geschmissen.“ Er musste viel fragen und mit den Augen lernen, bei den häufigen Crewwechseln erklären die Kollegen nur das Allernotwendigste. Hilfreich war: „Ich habe Respekt vor allen gehabt, denn jeder wird auf dem Schiff gebraucht, jeder Posten, ob Kapitän oder Spüler, ist wichtig und alle 280 Mannschaftsmitglieder müssen zusammen arbeiten.“

Wittis in der Welt: Lucas Santos, Traumschiff
Wittis in der Welt: Lucas Santos, Traumschiff

Im Passagierbereich ist übrigens immer Uniform Pflicht – auch in der Freizeit, je nach Tageszeit gehörte für das männliche Servicepersonal eine unifarbige oder gestreifte Weste mit Krawatte oder Fliege dazu. „In den ersten drei Monaten war viel los, da hat man nur gearbeitet und geschlafen.“ Lucas Santos hatte von Laibach-Stammgästen neben vielen guten Wünschen auch ein Glas mit „Wittgensteiner Luft“ mit auf die Reise bekommen. „Gegen Heimweh!“ Aber weder das noch Seekrankheit waren Thema für ihn. „Wellen ab sechs Metern hab ich genossen.“ Im Dienst musste er allerdings aufpassen, da kippten Geschirrstapel um und „beim Servieren mit dem großen Tablett von der Küche bis ins Restaurant muss man die zwölf Teller darauf gut ausbalancieren.“

Mehr Trinkgeld als an Land

Der gelernte Hotelfachmann hat immer und überall wie ein Schwamm Informationen aufgesaugt, seine Sprachkenntnisse verbessert und viel gelernt, u.a. Gästen und Kollegen Menüs ausführlich erklärt, welche Zutaten verwendet wurden, woher sie stammen und so weiter.

Die Bezahlung auf einem Kreuzfahrtschiff sei nicht höher als bei einem Betrieb an Land, aber das Trinkgeld könne sich sehen lassen, berichtet Lucas Santos mit einem breiten Lachen. Viele positive Erfahrungen mit Reisenden hat er mit von Bord genommen, von einem Stammgast sogar eine Empfehlung für Hapag Lloyd, die ihm die Tür für das nächste Kreuzfahrtschiff öffnen soll. Und auf dem Crew-Barometer stand als Feedback von den Passagieren oft sein Name, „das hat mich genauso gefreut wie der Satz: ‚Ich möchte da sitzen, wo Lucas bedient.’“

Sein ehemaliger Chef, Hotelier Michael Müller, den Lucas Santos schon mehrfach nach seiner Rückkehr besucht hat, nickt wissend: „Dieser Berufszweig bietet solche Möglichkeiten und Chancen – trotzdem bleiben leider viele Lehrstellen unbesetzt.“

Kostbare Freizeit

Die Anforderungen an das Personal an Bord sind hoch. Sieben Tage Dienst pro Woche, 175 Tage am Stück nur stundenweise frei – „anstrengend, aber machbar“, meint der junge Hotelfachmann. Die Arbeitszeiten auf dem Schiff wechseln, die Dienstpläne werden kurzfristig erstellt, es gibt Früh- oder Spätschicht, „wir haben beispielsweise um 3 Uhr morgens Neuanreisen bedient.“

Wittis in der Welt: Lucas Santos, Traumschiff
Wittis in der Welt: Lucas Santos, Traumschiff

Manche haben Dienste teuer an Kollegen verkauft, aber Lucas Santos hatte auch so genügend Freizeit. „Dann habe ich, so oft es ging, Landgänge mitgemacht.“ Manchmal wurden speziell Ausflüge für die Crew angeboten. In vielen Ländern hat er landestypische Speisen probiert: zum Beispiel dänisches Eis – „ das ist noch besser als das italienische“ oder ein vegetarisches Sandwich auf einem indischen Markt mit unbekannten, scharfen Gewürzen. „Wir haben davon geschwitzt wie noch nie.“ Seinen 22. Geburtstag beging er am 28. September im teuren Saint Tropez. „Wir haben aber nichts Besonderes gemacht, dort kostete zum Beispiel eine Kugel Eis 13 Euro.“ Das Essen an Land heißt nicht, dass das Crewessen nicht gut war, im Gegenteil: Es gibt drei verschiedene Menüs zur Auswahl, zusätzlich Süßes, Weihnachtsessen und durch seinen guten Draht zur Küche auch manche Leckerei außer der Reihe. In der Freizeit konnte sich die Mannschaft alternativ auf dem Crewdeck die Zeit vertreiben, wo auch Partys stattfinden oder Geburtstage gefeiert werden.

Kontakte in die Heimat

Auch Sonnendeck, Pool, Kino, Bücherei und Fitness-Studio oder die Boutique, wo man zollfrei einkaufen kann, wurden vor allem an Seetagen angesteuert. Da das Telefonieren auf See sehr teuer ist, kaufte Lucas nach einem Tipp von Kollegen meist in dem entsprechenden Land eine Karte fürs Handy, um Kontakt nach Hause zu haben. „Und E-Mails konnten wir gegen Gebühr vom Schiff abschicken.“ Seine Kabine, die mit Bett, Schrank, Schreibtisch und Fernsehen möbliert war, hat er mit einem deutschen Kollegen geteilt. „Martin und ich haben viel zusammen unternommen.“ Lucas Santos hat viele Leute näher kennengelernt, auch Kollegen mit Streifen an der Uniform.

Neue Erfahrungen

Auch in der Küche war er gern gesehen. Der 29-jährige Küchenchef Daniel Behrendt sei wie ein großer Bruder für den jungen Wittgensteiner gewesen. „Ich habe ab und zu freiwillig in der Küche geholfen, zum Beispiel Fische filetiert, als bei uns wegen Landgang nicht viel zu tun war.“

Internationale Crew

Aufgrund seiner Hautfarbe habe er auf dem Schiff keine Probleme gehabt; Rassismus kannte er aus seiner Heimat nicht und sei nur in Deutschland ein unliebsames Thema für ihn gewesen. „Ich bin eine offene Person, ich liebe Ehrlichkeit und Direktheit.“ Bei den Philippinos war er der „Spätzle-Mann“, „weil ich mal in der Küche Spätzle geschabt habe.“

Auf der MS Deutschland reisen überwiegend Deutsche und Holländer, die Crew hingegen stammt aus allen Teilen der Welt. „In der Küche wird nur Englisch gesprochen, damit alle die Ansagen vom Küchenchef verstehen.“ Sprachbarrieren wurden notfalls mit Händen und Füßen überwunden, aber Lucas Santos spricht fließend Portugiesisch und Spanisch sowie etwas Italienisch und Französisch.

Fernweh

Der Hotelfachmann hat jetzt erst einmal Urlaub, hält jedoch weiterhin über Facebook Kontakt zu den ehemaligen Kollegen und verfolgt die MS Deutschland, die zurzeit Richtung China unterwegs ist und auf der in Kürze wieder Dreharbeiten für die TV-Serie „Das Traumschiff“ anstehen. Lucas Santos will so schnell es geht wieder los. Das Fernweh hat ihn gepackt: „Ich möchte mehr sehen von der Welt!“