Freudenberg.

Der ganze Raum wackelt, es rummst ohrenbetäubend und Winfried Helmeking zuckt zurück, als hätte er einen Pferdetritt bekommen. Der Schwarzpulverschütze der Sportschützen Freudenberg hat einen Vorderlader abgefeuert. Und die bocken wie die Esel. Zumindest wenn es sich, wie bei Helmekings Gewehr, um einen originalgetreuen Nachbau einer Flinte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) handelt.

Die Schwarzpulverschützen sind die Tüftler unter den Schützen. Von wegen anlegen und feuern: Für 15 Schuss braucht man mindestens 30 Minuten. Erst kommt eine genau abgemessene Menge Schwarzpulver in den Lauf, dann wird die etwa himbeergroße Bleikugel eingefettet und mit dem Füllrohr festgestopft. Dann kommt das Zündhütchen mit Knallquecksilber auf den Hahn, die so genannte Perkussionszündung, und das Gewehr ist feuerbereit.

Das ist noch die einfache Variante, wie Henry Falk, der Vorsitzende der Abteilung erklärt. Beim Steinschlossvorderlader oder bei der Muskete gibt es keine Zündhütchen, sondern auf die Pulverpfanne wird eine kleine Menge Schwarzpulver gekippt, beim Abzug schlägt der Feuerstein am Hahn Funken, entzündet das Pulver auf der Pfanne und das wiederum die Treibladung im Lauf. Ohne Mütze und Schutzbrille ist dann schnell mal eine Augenbraue abgeflämmt.

Blaue Flecken bleiben nicht aus

„Die ersten Musketen waren nicht sehr treffsicher, sondern für Sperrfeuer ausgelegt“, weiß Falk. Die gegnerischen Bataillone marschierten aufeinander zu und feuerten — irgendwer wird schon treffen. Außerdem waren die Gewehre sehr anfällig. Feuchtigkeit, zittrige Hände, Unaufmerksamkeit: Schon war der mühsam vorbereitete Schuss dahin. Daher auch das Sprichwort: „Nichts auf der Pfanne haben“. Das Pulver rieselte einfach runter.

„Das Schöne ist, dass man viel Zeit investieren und experimentieren muss“, sagt Falk. Die Pulvermenge wird ganz genau abgemessen, jeder mischt sich sein eigenes Fett für die Kugeln, gießt seine Kugel selbst und stattet seine Waffen mit bestimmten Visieren aus. Hinzu kommt die Reinigung, denn das Schwarzpulver hinterlässt jede Menge Schmauchspuren am Gewehr, die schnell Feuchtigkeit ziehen und das Metall rosten lassen. „Das Schießen selbst braucht die wenigste Zeit“, sagt Falk. Dafür freue man sich umso mehr, wenn alle Faktoren stimmen und die Kugel trifft. Denn einfach drauflosschießen ist nicht. Bei solchem Aufwand will jeder Treffer gut vorbereitet sein. Einschüssige Vorderlader sind an Volljährige frei verkäuflich. „Um Dummheiten damit anzustellen, braucht es zu viel Zeit“, sagt Henry Falk. Außerdem entwickelt sich jede Menge Qualm, sodass der Schütze im Freien sofort lokalisiert würde. Eine Hochleistungslüftung im Schützenhaus sorgt für freie Sicht, ohne die Anlage wäre der Schießstand nach zwei Schüssen komplett vernebelt.

Obwohl Vor- und Nachbereitung so langwierig sind, sind die moderneren Waffen sehr treffsicher. Die erfahrenen Schwarzpulverschützen treffen auf 50 und 100 Meter sehr präzise, entsprechend gut sieht die Wettkampfstatistik des Vereins aus. Auch wenn es nie ohne blaue Flecken ausgeht. Wie gesagt – die Bürgerkriegsbüchse keilt ordentlich nach hinten aus.

Nur Rumpelstilzchen ist langsamer

Anders bei den Vorderladerpistolen. Falk zieht einen Westernrevolver aus dem Futteral: „Wenn man weiß, wie die funktionieren, stellt man jeden Western infrage“, lacht er. Genau wie bei der Muskete muss in jede der sechs Kammern der Trommel erst Pulver, dann Kugel, dann festgestopft und sechs Mal von hinten das Zündhütchen aufgesetzt werden. Noch langsamer schießt nur die selbst gebaute Böllerkanone „Rumpelstilzchen“.