Bad Laasphe/Heilbronn. Ein in Holland gesuchter Skandalarzt ohne gültige Zulassung konnte in Deutschland jahrelang weiter praktizieren. Unter anderem arbeitete er auch vier Jahre in der Bad Laaspher Schlossbergklinik. Bis Freitag war er sogar noch in einem Krankenhaus in Heilbronn beschäftigt.

Kunstfehler, ungeklärte Todesfälle, unnötige Behandlungen; die Liste der Vorwürfe gegen den 67-Jährigen Arzt ist lang. Die Bild-Zeitung zitiert in ihrer Online -Ausgabe holländische Blätter, die den Neurologen als „Dr. Frankenstein“ bezeichnen. Auch in Bad Laasphe stand am Wochenende das Telefon nicht still.

Bei HGC-Kliniken beschäftigt

Andreas Muhs, Pressesprecher des Gesundheitszentrums Wittgenstein, musste zahlreiche Medienanfragen zu dem dubiosen Mediziner beantworten, obwohl dieser nie für das Gesundheitszentrum gearbeitet hat. Fakt ist, der Niederländer arbeitet von 2005 bis zu seinem Rauswurf 2009 für das Vorgänger-Unternehmen, die inzwischen insolventen HGC-Kliniken, in der Bad Laaspher Schlossbergklinik. Die renommierte neurologische Fachklinik gehört heute zum Gesundheitszentrum und Mitarbeiter erinnern sich an den niederländischen Arzt.

Selbstmord nach Fehldiagnose

Als erste Kunstfehler aus seiner Zeit in den Niederlanden bekannt wurden und weitere Recherchen offenbar Zweifeln an seinen Zeugnissen schürten, setzten die HGC-Kliniken den Arzt vor die Tür. Offenbar rechtzeitig: „Aus seiner Laaspher Zeit sind keine strafrechtlich relevanten Fälle bekannt“, sagt Muhs im Gespräch mit der Wittgensteiner Heimatzeitung.

Ernst J.S. wird in Holland schwere Körperverletzung in mindestens 21 Fällen vorgeworfen. Er soll von 1998 bis 2003 im Krankenhaus in Enschede bei Dutzenden Patienten unheilbare Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose und Parkinson festgestellt haben. Sie waren zum Teil jahrelang mit schweren Medikamenten behandelt worden. Ein Patient habe Selbstmord begangen, nachdem bei ihm fälschlicherweise Alzheimer festgestellt worden war.

Bei mindestens 13 Patienten sollen aufgrund der falschen Diagnosen unnötig Gehirnoperationen ausgeführt worden sein. „Bei einem Mann wurde 12,5 Zentimeter Hirngewebe entfernt“, sagte Anwalt Yme Drost, der rund 200 mögliche Opfer vertritt.

Größter Medizinprozess Hollands

Politiker, und Verbände von Ärzten und Patienten in den Niederlanden reagierten fassungslos: Es sei unvorstellbar, dass der Skandalarzt in Deutschland ungehindert praktizieren konnte. Zur Einordnung: Die Staatsanwaltschaft spricht vom „größten medizinischen Strafprozess in der Geschichte der Niederlande“.

Auch in Deutschland ist jetzt Schluss: Die SLK-Kliniken in Heilbronn haben den Mediziner am Freitag entlassen. Die Zusammenarbeit sei mit Bekanntwerden der Vorwürfe am Freitag nach knapp zwei Jahren beendet worden, teilte der Geschäftsführer der SLK-Kliniken Heilbronn, Thomas Jendges, am Samstag mit. Er sei „überrascht und geschockt“ gewesen, als er aus niederländischen Medien von den Vorwürfen gegen den 67-Jährigen erfahren habe.

Das Wichtigste sei aber, dass der Mann im Südwesten nichts angerichtet habe: „Das Klinikum schließt derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass Patienten in Heilbronn geschädigt wurden“, sagte Jendges.