Wittgenstein. .

Lohnschecks statt Pausenbrot und Lehr- statt Taschengeld. Für viele Jugendliche hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Auf Wittgensteins Arbeitsmarkt sieht es gut aus. Nur wenige jungen Menschen sind noch auf der Suche. Die Kehrseite: Viele verlassen die Region, um in den Nachbargebieten zu arbeiten.

Max Harth steht auf einer Leiter und prüft die Abstände der Bohrlöcher mit Zollstock und Kennerblick. Er sieht zufrieden aus mit dem Bohrstaub auf den Schultern. „Den ganzen Tag auf einem Stuhl und vor dem Computer hocken, das wäre nichts für mich“, sagt der angehende Anlagenmechaniker.

Wie für den 16-jährigen Berleburger hat in dieser Woche für Hunderte Wittgensteiner das Berufsleben begonnen. Andere suchen noch. Rund 660 junge Menschen haben für das beginnende Ausbildungsjahr noch keine Stelle gefunden, meldet die Arbeitsagentur für den Bezirk Siegen. Eine enttäuschend hohe Zahl. Doch zumindest für den heimischen Ausbildungsmarkt kann Entwarnung gegeben werden.

Der Bezirk Siegen umfasst nämlich Wittgenstein und Siegerland und verschleiert so ein drastisches Gefälle. „Der Wittgensteiner Ausbildungsmarkt ist seit Jahren eher unproblematisch. Aktuell gibt es rund 31 freie Stellen und zur Stunde etwa 19 Jugendliche, die noch eine suchen“, berichtet Joachim Schneider, Teamleiter der Berufsberatung im Bezirk Siegen und Fachmann für den Ausbildungsmarkt. 14 weitere Jugendlichen haben zwar keinen Ausbildungsplatz gefunden, konnten aber zum Beispiel in Schulen untergebracht werden. Sie gelten nicht mehr als unterversorgt.

Die Kehrseite einer guten Situation

Auch Max Harth musste sich keine Sorgen machen, eine Stelle zu bekommen. In seinem jetzigen Ausbildungsbetrieb hat er bereits Praktika absolviert und in den Ferien gejobbt. Wittgenstein für seine berufliche Karriere zu verlassen, darüber hat er nie nachdenken müssen: „Auch in meinem Freundeskreis war das eigentlich kein Thema. Die meisten sind hier geblieben.“

Aber längst ist das Verlassen der Region keine Ausnahme mehr. Die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt für Berufseinsteiger hat eine Kehrseite. „Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2010 geht rund ein Drittel der Wittgensteiner Jugendlichen nicht in Wittgenstein selbst in die Ausbildung. Es zieht sie eher in die angrenzenden Gebiete wie zum Beispiel Hessen“, erklärt Joachim Schneider. Heimische Unternehmen würden zu wenig ausbilden. Die Jugendlichen seien so gezwungen, sich auch in den Nachbarregionen umzuschauen.

Die geringe Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz wird teuer bezahlt - mit dem Verlust von Arbeitskraft. „Wenn sich ein Auszubildender in seinem Unternehmen pudelwohl fühlt, wird er auch im Anschluss nicht wieder zurückkommen“, sagt Schneider. Dann fehlen die Fachkräfte.

Betroffen sind fast alle Berufszweige, insbesondere aber die Dienstleistungsbranche. Nur in der örtlichen Gastronomie gibt es ausreichend Ausbildungsplätze.