Siegen/Bad Berleburg. Was genau ist in jener Sommernacht 2009 in Bad Berleburg geschehen? War es eine Vergewaltigung? Wurde das mutmaßliche Opfer mit K.O.-Tropfen oder einem anderen Mittel willenlos gemacht?

Oder war es eine harmlose Liebesnacht nach einem Kneipenbesuch, wie die Angeklagten versichern? Eine zufriedenstellende Antwort darauf dürfte es nicht mehr geben.

Gutachterin Dr. Susanne Winkelmann aus Dortmund bewertete die Glaubhaftigkeit der Aussage der Hauptzeugin gestern als sehr gering. Allerdings bedeute das nicht, dass sich die Tat nicht doch genauso abgespielt haben könnte, schränkte die Psychologin ein. Die Zeugin schildere aber, in der bewussten Nacht maximal zwei Minuten am Stück wach gewesen, dann immer wieder bewusstlos geworden zu sein.

In diesen Wachphasen wiederum habe sie sich in einem Schockzustand gefühlt und kaum Orientierung gehabt. Das reiche nicht aus, um ihre Aussage zweifelsfrei auf ein tatsächliches Erleben zurückzuführen, urteilte Dr. Winkelmann. Die Frau sei mit einem unguten Gefühl aufgewacht und habe dann in den folgenden Tagen und Wochen immer mehr erinnert. Sie spreche selbst von „schwerer Arbeit und einem schwierigen Ringen”. Die Darstellung der Geschehnisse sei im Laufe der Zeit immer detailreicher und runder geworden.

Was dabei aber wirklich und was vielleicht nur erfunden sei, könne nach ihrer Auffassung objektiv nicht mehr getrennt werden.

Eine bewusste Falschaussage sei theoretisch möglich. „Das schließe ich aber eigentlich aus”, sagte Dr. Susanne Winkelmann. Die Zeugin habe in ihren Schilderungen keinen Hinweis gegeben, auf Rache aus zu sein. Sie leide vielmehr emotional sehr stark unter der Erinnerung und lasse eigentlich keine große Bereitschaft verspüren, überhaupt darüber zu reden. Wenn überhaupt gehe es ihr darum, andere Frauen vor ähnlichen Vorfällen zu schützen.

Streben nach Kontrolle

Zuvor hatte die Psychologin der Frau bereits ein ausgeprägtes Sozialbewusstsein und große Hilfsbereitschaft nachgewiesen. Dazu komme als „Auffälligkeit” noch ein starkes Streben nach Kontrolle und Ordnung. Was auch immer in jener Nacht geschehen sei, die Zeugin habe die Kontrolle verloren und leide darunter noch heute. Sie halte eine irrtümliche Falschaussage für möglich. Die Frau habe in den Tagen danach eine Erklärung gesucht und sei schließlich bei dieser gelandet, glaube auch fest daran.

Letztlich sei dies zumindest nicht auszuschließen, wiederholte die Gutachterin mehrfach. Ebenso wie eine Tat genau nach der Anklageschrift. Aufgrund der Zweifel könne sie aber nicht anders urteilen, wenngleich die Zeugin grundsätzlich sehr wohl zu einer glaubhaften Aussage fähig sei. Am 29. März sollen die Beteiligten plädieren. Einen Tag später hat die Kammer einen möglichen Urteilstermin vorgesehen.