Bad Berleburg.

Am 1. Oktober 2010 ist es soweit: Dann sind auf den Punkt einhundert Jahre vergangen, seitdem die erste Eisenbahn von Berleburg in Richtung Raumland gerollt ist.

Wenn alles glatt läuft, wird übrigens pünktlich zum Jubiläum am Bahnhof in der Odebornstadt der neue Bahnsteig fertiggestellt.

In Zeiten, in denen die Bahn nicht mehr unbedingt als Verkehrsmittel Nummer eins gilt, stellt sich die Frage: Wie kam die Eisenbahn überhaupt nach Berleburg? Der Berleburger Martin Spies ging dieser Frage in seiner in Klasse 12 obligatorischen Facharbeit, die als Vorbereitung für Examensarbeiten im Studium dient, auf den Grund. Folgendes hat der 18 Jahre alte Schüler des JAG bei seinen Recherchen herausgefunden:

Schiefertransport

Besonders Männer aus Wirtschaftsvereinigungen, aus der Kommunalpolitik, der Industrie und dem Einzelhandel drängten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Bau einer Eisenbahnstrecke ins Odeborn- und Edertal. „Wie soll denn der Schiefer nach Westfalen kommen?“, monierte das Wittgensteiner Kreisblatt schon im Februar 1882.

Genau das war der Anstoß für die Diskussion, denn bis dahin war Wittgenstein nur schlecht an das Umland angeschlossen, was wirtschaftlich gesehen klare Nachteile mit sich brachte. Doch die Forderungen der Wittgensteiner stießen im damaligen Staatsministerium auf taube Ohren. Als am 15. Juni 1890 die Strecke Erndtebrück - Raumland feierlich eröffnet wurde, kämpfte ein bereits 1885 gegründetes Komitee immer noch für eine Fortführung der Bahnlinie bis Berleburg.

Stillstand

Lange Zeit sollte sich wenig tun – 16 Jahre strichen ins Land, bis der Landtagsabgeordnete für den Kreis Wittgenstein, Ingenieur Heinrich Macco aus Siegen, nach einer Versammlung am 6. Januar 1906 überglücklich mit der Baugenehmigung nach Hause kam.

Interessant: Schon bei der landespolizeilichen Abnahme durch die königliche Regierung aus Arnsberg und die Eisenbahndirektion aus Kassel drei Monate später, bemängelte man die schlechte Einsehbarkeit am Bahnübergang an der Berleburger Bismarckstraße. Folglich sollten Schranken installiert werden. Bekanntlich ist auch heute das Problem noch nicht aus der Welt.

Doch die Freude in der Bevölkerung über den Erfolg der Eisenbahnbefürworter währte nicht lange. Wegen gestiegener Kosten für Baumaterialien und einer geplanten Umgehung der Raumländer Schiefergruben, die ursprünglich mit ein Hauptgrund für den Bau der Strecke darstellten, mussten die Planungen bereits ein Jahr später revidiert werden. Die Folge: Eine Neubearbeitung des Projekts wurde notwendig, das wegen zu hoher Entschädigungen der Anlieger trotzdem scheiterte. Sollte es denn überhaupt noch eine Bahnstrecke zwischen dem Schieferdorf und der Kreisstadt geben?

Im Januar 1908 tat sich wieder etwas: Eisenbahndirektion, Kreisvertreter und Grundstückseigentümer trafen sich im noch heute existierenden Gasthof Kunze in Raumland. Nach zähem Ringen einigten sich die drei Parteien auf Ausgleichszahlungen, die jeweils zur Hälfte der Kreis und die Eisenbahndirektion tragen sollten. Grundlage dafür war das Preußische Enteignungsgesetz, nach dem das öffentliche Verkehrsinteresse dem „Eigennutz des Einzelnen“ vorangestellt wurde.

Euphorisch meldete das Wittgensteiner Kreisblatt Anfang 1909: „Unser Berliner Berichterstatter telegraphiert uns [...], daß der Bau der Eisenbahn von Raumland nach Berleburg sofort in Angriff genommen werden soll.“ Der Erwerb der Raumländer Schiefergruben durch den Kreis Wittgenstein und die Eisenbahndirektion hatte es doch möglich gemacht.

Unfall bei Sprengung

Der Bau selbst ging zügig vonstatten – lediglich eineinhalb Jahre brauchte die Bahn für die Fertigstellung des Schienenstrangs. Bei Sprengungen am Felsen neben der Raumländer Ederbrücke an der heutigen B 480 wurden drei italienische Arbeiter zum Teil schwer verletzt – der einzige ernsthafte Zwischenfall in der Bauphase. Parallel zum Schienenstrang wurde übrigens auch der Berleburger Bahnhof gebaut, der bereits am 9. November 1909 fertiggestellt war. An seiner Errichtung hatte die Berleburger Baufirma Rompel maßgeblichen Anteil.

Feierliche Eröffnung

Bei den Festlichkeiten zur Eröffnung der Bahnstrecke waren neben den Bürgerinnen und Bürgern selbstverständlich auch sämtliche Personen von Rang und Namen, wie Fürst Richard zu Sayn-Wittgenstein Berleburg und Vertreter des Reichstages anwesend. Niemand wollte sich trotz Regens die Jungfernfahrt am 1. Oktober 1910 um 11.15 Uhr nach Raumland entgehen lassen.

Das Wittgensteiner Kreisblatt widmete dem besonderen Ereignis die Titelseite, auf der ein Gedicht der heimischen Gelegenheitsdichterin Frieda Claudy abgedruckt war. Es sprach vielen Bürgern aus der Seele: Neben der Hoffnung auf einen neuen „Pulsschlag des Lebens“, besiegelte die Eisenbahn auch das Ende des als so romantisch empfundenen Postverkehrs mit der Postkutsche.