Wittgenstein. Der Film „Waldland Wittgenstein“ zeigt spannende alte Aufnahmen - wie zum Beispiel vom Stünzelfest 1963. Hier kommen Sie zum Film.
Beinahe so wie das Bauernidyll aus Astrid Lindgrens Lönneberga kommt es daher, das Wittgenstein der sechziger Jahre in dem Film „Waldland Wittgenstein“, der jetzt vom LWL-Medienzentrum für Westfalen auf Youtube, für Jedermann und Jederfrau frei zugänglich, online gestellt wurde. Der Film zeigt einen selten lebendigen Einblick in die Region, wie sie vor 60 Jahren einmal aussah - mit Bildern unter anderem aus der Berleburger Kernstadt, vom Stünzelfest, Laasphe oder auch zahlreichen Eindrücken des bäuerlichen Lebens und Arbeitens. Den Film finden Sie weiter unten im Text.
„Euphorisch berichtete die Westfälische Rundschau: ,In einer Viertelstunde haben wir ein Maß an Schönheit erlebt, wie wir es nicht erwartet hatten. Ja, das ist unser Wittgenstein.‘“ So beschreibt Moderatorin Laura-Marie Iven die Reaktion auf den Film in Wittgensein nach der Premiere im Jahr 1965. Besonders beeindruckt sei das Publikum vom „farbigen Bildmaterial des Films“ gewesen. Der Kultur- und Werbefilm wurde Anfang der sechziger Jahre von der Kreisverwaltung Wittgenstein in Auftrag gegeben: „Sie wollte die Region bei Touristinnen und Touristen bewerben“, so Iven. Paul Kellermann, Dokumentarfilmer und Produzent aus dem märkischen Sauerland, wurde schließlich für die Umsetzung beauftragt. Andere Filme, für die Kellermann verantwortlich zeichnete, waren unter anderem „Eine Talsperre entsteht – Versetal“ (1952), „Stadt Hagen – Stadt zwischen Erz und Kohle“ (1959) oder auch „Rund um das Ebbegebirge“ (1971).
Die Musik, die den Kurzfilm über Wittgenstein begleitet, wurde währenddessen von einem Wittgensteiner komponiert: Fritz Böhl. Heutzutage mutet die Musik ein wenig an wie aus der Zeit gefallen (wie es auch einige Nutzer unter dem Video kommentieren), fügt sich aber in den Musikstil von Heimafilmen aus dieser Zeit ein. Fritz Böhl, geboren in Wemlighausen, hatte in seinem Studium an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin Komposition, Instrumentation und Partiturspiel gelernt und arbeitete später als Komponist und Lehrer.
„Waldland Wittgenstein“ zeigt das Wittgensteiner Land im Jahr 1963. Das ganze Jahr über begleitete Paul Kellermann das Leben und die Natur im Wandel der Jahreszeiten. „Mit seinen weitläufigen Wäldern und dem Naturpark Rothaargebirge gilt die Region als Naherholungsgebiet und Kurort. Der Film zeigt diese vielfältige Natur im Wandel der vier Jahreszeiten. Der Film feierte 1965 seine Premiere und sollte vor allem dazu dienen, die Region für Touristen attraktiven Urlaubsort zu zeigen“, beschreibt es der LWL.
„In den 1960er Jahren wollte sich die Region als Kur- und Erholungslandschaft profilieren. Das zeigt der Kurzfilm Waldland Wittgenstein von 1965. Die Region gilt als Naherholungsgebiet und Urlaubsregion. Und das nicht erst seit der Eröffnung des Naturparks Rothaargebirge im Jahr 1963. Dabei legt er seinen Fokus auf die Natur und auf die Kurorte der Region“, erklärt die Moderatorin, um den Film einzuleiten.
Der Film beginnt schließlich mit einem Blick auf die weiten Waldlandschaften und die Eisenstraße, die das Wittgensteiner Land vom Siegerland trennt. Der Film ist stark geprägt von Bewegtbildern des bäuerlichen Lebens: So bekommt man mehrfach Bauern bei der Ernte zu sehen, Kühe auf der Weide oder eine Bäuerin, die ihre Enten füttert. „Obwohl nur 20 Prozent der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt werden, ist die Landwirtschaft bis heute die Lebensgrundlage des Wittgensteiners geblieben, wobei der Ackerbau gegenüber der Weidewirtschaft und Viehzucht weit zurück tritt“, heißt es in dem 60 Jahre alten Film, der das Leben wie eine romantische Idylle wirken lässt, in der der Bauer auf seiner einfachen Pferdekutsche durch das Dorf fährt. „Auf den wenigen Hochflächen, auf den größeren Tälern oder auch gelegentlich in weltabgeschiedenen Talmulden hat sich der Bauer angesiedelt.“
Westfalen im Film
Auf dem YouTube-Kanal „Westfalen im Film“ sind zahlreiche Inhalte zur Geschichte und Gegenwart Westfalens kostenlos zu finden. „Historisches Filmmaterial gibt Einblicke in unser Filmarchiv und zeigt die Region und ihre Menschen im Wandel der Jahrzehnte. Das Farbfilm und Schwarz-Weiß-Material ist vielfältig und reicht zurück bis in die 1920er Jahre. Eingeordnet von Experten und Expertinnen aus dem Archiv erlaubt es einen Blick in das filmische Gedächtnis der Region“, beschreibt es der LWL.
Dabei sind nicht nur Dokumetarfilme, sondern auch Webserienüber die Geschichte Westfalens zu finden. Der YouTube-Kanal repräsentiert die Medienproduktion und das Filmarchiv des LWL-Medienzentrums für Westfalen. Er leistet einen Beitrag dazu, das filmische Erbe Westfalens auf neuen Wegen zu sichern und die Geschichte und Gegenwart der Region in zeitgemäßen Filmformaten zu vermitteln.
Kinder, die am Bach spielen, ein Jäger, der mit Hund und Flinte in den Wald zieht und den stattlichen Hirsch im Wald beobachtet - so präsentiert Kellermann das Wittgenstein der sechziger Jahre: „In dieser weiträumigen Landschaft hat der Hirsch noch seine Domäne. Ungestört zieht er die uralten Wildpfade.“ Es wirkt wie ein alter Heimatfilm, in dem die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Besonders spannend für einige Zuschauer mögen in dem Film die Aufnahmen des Stünzelfests sein, bereits damals eine historische Veranstaltung mit großer Bedeutung für die Region.
„Seit 130 Jahren immer ein großes Fest“, so der Erzähler des Films. Bereits vor 60 Jahren, so kann man es in den Aufnahmen gut erkennen, zogen zahlreiche Menschen auf den Stünzel, um die landwirtschaftliche Tierschau zu beobachten und den Bauern dabei zuzuschauen, wie sie ihre Tiere am Nasenring im Kreis vorführten. Auch Bilder von Erntedank- und dem Kartoffelbratfest bekommt man in diesem Zusammenhang zu sehen, genau wie Eindrücke aus Feudingen, Sassenhausen, den beiden Schlössern und einem kleinen Blick auf Erndtebrück.
Bei aller Idylle gesteht der Filmemacher aber auch zu: „Der Tisch war hierzulande niemals reich gedeckt.“ In Wittgenstein fokussierte man sich deshalb schließlich darauf, mit Touristen und Kurgästen in Berleburg und Laasphe einen neuen Wirtschaftsweg zu beschreiten. Auch davon bekommt man in dem Kurzfilm zu sehen: So sieht man Bilder aus dem Kurbetrieb. Gäste ertüchtigen sich Schwimmbecken, bei Kneipp-Kuren, Gymnastik und Wandern im Wittgensteiner Wald: „Die seit langem geübte Betreuung der Wanderwege dient nun in gleicher Weise Gesunden und Genesenden. “
Der Film endet im Winter, zeigt viele Skipisten und Langläufer. Auch den Förstern begegnet man wieder, die Heu für die Wildtiere verteilen. Eine kurze Sequenz zeigt den Künstler Ludwig Florin beim Schnitzen am Dödesberg. Wittgenstein, so heißt es im Film, „soll den Menschen im Sommer und Winter eine Stätte der Stille sein.“ Und auch wenn es wirkt, als könne in jeder Sekunde Michel aus Lönneberga in einer der malerischen Szenen auftauchen, erhält man den wertvollen Blick auf die Menschen und ihr Leben in Wittgenstein vor 60 Jahren.