Wittgenstein/Biedenkopf. Gerade kamen in Wittgenstein 2 Prozesse zur Anklage, die auf Cybergrooming basieren. Körperlicher Missbrauch ist dabei nicht die einzige Gefahr.

Bei gleich zwei Missbrauchsfällen in Wittgenstein, die aktuell zur Anklage kamen, fand die Kontaktaufnahme im Internet statt. Diese Taktik, die sich in den vergangenen 15 Jahren immer weiter entwickelt hat, hat mittlerweile einen Namen bekommen: Cybergrooming. Unter anderem in Chaträumen von Onlinespielen nutzen Täter die Gelegenheit, junge Menschen anzusprechen. Passend dazu hat jetzt die Polizei Biedenkopf eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie einen Überblick über die (sexuell motivierten) Gefahren, die Chats in Onlinespielen mit sich bringen können.

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„Zugegeben, Erziehung ist schwer. Und sexuelle Aufklärung auch. Viele Erwachsene versuchen dabei ihr Bestes zu geben und zweifeln doch immer mal am eigenen Weg. Im Jugendalter kommt noch teilweise die Besonderheit hinzu, dass so manch ein Ausdruck des eigenen Sprösslings nicht mehr verstanden wird und man sich fragen muss, ob man die gleiche Sprache spricht oder in der gleichen Gesellschaft lebt. Manche Erziehungsberechtigten können vielleicht auch mit der liebsten Freizeitbeschäftigung der Kinder und Jugendlichen nichts anfangen, vor allem, wenn sie sich selber wenig auf Videoportalen herumtummeln oder mit ,Zocken‘ nichts am Hut haben. Umso wichtiger ist es dann für Erziehungsberechtigte, aber auch beispielsweise für Lehrerinnen und Lehrer, sich mit den heute ,angesagten‘ Dingen vertraut zu machen“, schreibt die Polizei.

Möglichkeit, Spieler weltweit kennen zu lernen

Nur so sei ist es möglich, den Nachwuchs mit „Verstand an neue Themen, aber auch an damit auftretende Probleme und Kriminalitätsfelder“ heranzuführen. Ein immer wiederkehrendes Problem sind demnach die Chatfunktionen in Onlinespielen. Onlinespiele werden an Computern oder sämtlichen Spielekonsolen gespielt und haben den Reiz, sich dazu mit Freunden verabreden zu können, ohne dass die Spieler physisch beieinandersitzen müssen. Somit ist es auch möglich, neue Spieler weltweit kennenzulernen. Der Kontakt ist schriftlich oder über Headset mündlich möglich.

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„Dabei ist jedoch nicht ersichtlich, wer sich tatsächlich hinter einem Username, also dem Nutzerkonto, steckt. Eine anscheinend gleichaltrige Person ist somit vielleicht einige Jahrzehnte älter und hat sich diesen Account mit zumindest fragwürdigen Motiven erstellt. In Mittelhessen kam es bereits zu mehreren Fällen von sexuellen Missbrauch Minderjähriger, die ihren Anfang im Sinne dieser ,Cybergrooming‘-Masche in Chatfunktionen bei Spielen nahmen“, warnt die Polizei. Nicht immer seien die Kriminellen am persönlichen Kontakt interessiert, teilweise haben sie ein Interesse am textlichen Austausch mit Minderjährigen, andere suchen Erregung durch sexuelle Handlung online vor dem Kind oder Jugendlichen, wieder andere drängen sie zu einer Übersendung von Nacktbildern oder pornografischen Aufnahmen, mit denen sie die sendenden Personen dann auch noch erpressen könnten („Sextortion“).

Thema das Spiels ist für die Gefahreneinschätzung nicht relevant

Diese Chatfunktionen gibt es in sämtlichen Spielgenres, ob Sportspiele, Fantasyspiele, oder beispielsweise Egoshooterspiele. Es gehe also nicht darum, wie „harmlos“ ein Spiel vielleicht ist. Oftmals werde der dort begonnene Kontakt über andere Messengerdienste fortgeführt, sodass Unterhaltungen nicht mehr an die tatsächliche Spielzeit gekoppelt sind.

„Daher ist es so wichtig, dass Erziehungsberechtigte mit den Kindern in Kontakt bleiben, insbesondere dann, wenn die Interessen plötzlich sehr weit auseinandergehen. Denn Kinder und Jugendliche haben ein sich noch entwickelndes Gefahrenbewusstsein und eine Naivität, die wir Erwachsenen durch unsere Erfahrungen und unser Wissen in dem Maße meist nicht mehr haben. Erziehungsberechtigte sollten sich daher gut überlegen, wann sie dem Nachwuchs die Anmeldung und regelmäßige Nutzung erlauben“, erklärt die Polizei. Wenn es so weit ist, sollten sie sich demnach bestenfalls vorher über das Thema informieren, gemeinsam mit dem Kind starten und erste Schritte und Erfahrungen eng begleiten. Bereits früh könne Kindern beigebracht werden, dass Erwachsene niemals in sexuellen Beziehungen mit Minderjährigen stehen dürfen und Kinder sämtliche Vermutungen oder Erfahrungen damit sofort erzählen solle: „Das Verhältnis zu Hause ist bei der Prävention ohnehin ein wichtiges Thema: Ängste erzählen dürfen, Fehler machen und zu Hause beichten können ist unerlässlich.“