Bad Laasphe. Die sogenannte Agri-PV soll in Siegen-Wittgenstein die Doppelnutzung von Landwirtschaftlichen Flächen mit Photovoltaik ermöglichen.

Die Ideenvorstellung einer möglichen Freiflächen-PV-Anlage in Puderbach sorgte im Frühjahr dieses Jahres für Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern - und für einen vollen Saal während der Ratssitzung im Februar. Die Entscheidung über eine Freiflächen-Anlage des Investors wurde damals vertagt. Stattdessen schlug Bürgermeister Dirk Terlinden in der Sitzung vor, zunächst die Ergebnisse der Potenzialanalyse für Agri-PV-Anlagen, die der Kreistag in Auftrag gegeben hatte, abzuwarten. Dabei handelt es sich um aufgeständerte PV-Anlagen, unter denen Landwirtschaft betrieben werden kann. Jetzt wurden erste Ergebnisse dieser Studie während der Ratssitzung am vergangenen Montag in Bad Laasphe durch Dr. Andreas Kaiser von der Kreisverwaltung vorgestellt.

Durchgeführt wurde die Studie von Werner Warmuth (PSE Projects GmbH) und Lisa-Marie Bieber (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme). Dabei bezieht sich die Studie ausschließlich auf das Potenzial von Agri-PV-Anlagen im Kreis. „Viele Landwirte haben Angst um ihre Flächen. Agri-PV könnte dem entgegenwirken, indem eine Doppelnutzung möglich ist“, so Dr. Kaiser zu Beginn. Immerhin dürfe der Flächenverlust durch eine solche Anlage maximal 15 Prozent betragen und der landwirtschaftliche Ertrag darf 66 Prozent nicht unterschreiten.

„Angesichts der bereits wachsenden Flächenkonkurrenz zwischen wirtschaftlichen Bedarfen und Siedlungsräumen ist es notwendig, neue Formen der Doppelnutzung zu prüfen. Die Landesregierung NRW beabsichtigt, den Photovoltaik-Ausbau bis zum Jahr 2030 auf 18 bis 24 Gigawatt zu verdreifachen bzw. zu vervierfachen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen PV-Anlagen nicht nur auf Dächern, sondern auch auf Feldern, entlang von Schienenwegen oder an Randstreifen von Autobahnen errichtet werden. Der Anteil an versiegelten oder beplanten Flächen im Kreisgebiet ist im Vergleich zu anderen Landkreisen unterdurchschnittlich, land- und vor allem forstwirtschaftliche Flächen sowie dem Natur- und Landschaftsschutz zugewiesene Bereiche überwiegen“, wird der Kreis in der Studie zitiert. Das Ziel der Untersuchung sei eine Entscheidungsgrundlage für die Kommunen im Kreis zu schaffen.

Dabei werden allgemeine Informationen zur Agri-PV und die aktuellen Rahmenbedingungen analysiert. In der Studie geht es aber auch um potenzielle Fördermöglichkeiten, baurechtliche Rahmenbedingungen und drei möglichen Szenarien. Insgesamt prognostiziert die Studie für den Kreis Siegen-Wittgenstein „ein großes Potenzial an potenziellen Flächen für die Agri-PV“. Doch: „Fast alle landwirtschaftlich genutzten Flächen befinden sich im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge. Naturparks umfassen häufig große Flächen, die bereits als Landschaftsschutzgebiete oder Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Letztere werden aufgrund des hohen Schutzstatus als komplett ungeeignet für die Agri-PV angesehen. Landschaftsschutzgebiete hingegen können unter bestimmten Voraussetzungen als geeignet angesehen werden, eine naturschutzrechtliche Ausnahme Errichtung baulicher Anlagen kann erteilt werden“, heißt es. „Aufgrund der überragenden, flächenmäßigen Bedeutung des Landschaftsschutzgebietes wird empfohlen, zusätzlich zu dieser Studie einen Fachbeitrag bezüglich der Natur- und Landschaftsschutz einzuholen.“

Es bleiben also noch einige Fragen offen, findet CDU-Stadtverbandsvorsitzender Thorsten Weber. „Grundsätzlich stehen wir dem Thema offen gegenüber, aber es gibt noch viele Fragen, die vorab geklärt werden müssen.“ Auch und gerade, weil das Thema so vielschichtig sei. „Die Studie ist eine gute Basis, doch wir müssen nun schauen, was das konkret für unsere Stadt Bad Laasphe bedeutet. Das müsste man noch einmal genauer analysieren.“ Es sei wichtig, eine klare Linie zu haben. „Wir brauchen eine faire Lösung für alle - für den Landwirt, die Anwohner und die Investoren.“

Auch die FDP-Fraktion sieht die vorgestellte Potenzialanalyse als gute Basis für weitere Entscheidungen. „Der Vortrag von Dr. Kaiser wird es uns als Kommunalpolitiker einfacher machen, Entscheidungen zu treffen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Klaus Preis. „Sollten Antragsteller die erforderlichen Kriterien zur Errichtung einer Agri-PV-Anlage erfüllen, sehe ich keine Möglichkeit, dies zu verhindern, zumal die Bundesregierung mit dem Erneuerbaren–Energien–Gesetz (EEG) 2023 den Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen verbessert“, so Preis. „Am Ende muss sich die Errichtung einer PV-Anlage für den Betreiber lohnen. Ich denke, dass hier der Eigenverbrauch entscheidet.“

Um künftig jedoch eine Entscheidung treffen zu können, braucht es laut dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Samir Schneider einen klaren Kriterienkatalog für das gesamte Gemeindegebiet der Stadt Bad Laasphe. „Nach welchen der drei vorgestellten Szenarien wollen wir in unserer Stadt verfahren?“ Das sei wichtig, denn „am Ende müssen wir anhand der vorliegenden Fakten und Kriterien entscheiden. Daher brauchen wir klare Kriterien, wenn künftig weitere Investoren auf uns zukommen“, sagt Schneider. Daher erwarte er nun von der Stadt anhand der Studie einen Umsetzungsvorschlag für das gesamte Gemeindegebiet.

Ähnlich sieht es die Fraktion „Die Fraktion“. Auch sie wünscht sich einen „anwendbaren Kriterien-Katalog, der den politischen Gremien als Entscheidungshilfe bei allen Photovoltaik-Vorhaben in der Fläche dient. Die vorgelegte Potenzialanalyse zur Agri-PV kann dabei ein hilfreicher Baustein sein. Wir möchten die Thematik aber noch aus anderen Perspektiven beleuchtet wissen, damit Interessenausgleich und Gleichbehandlung gewährleistet werden können. Die Studie selbst empfiehlt, zusätzlich einen Fachbeitrag bezüglich Natur- und Landschaftsschutz einzuholen. Darüber hinaus interessieren uns Einschätzungen aus der Landwirtschaft“, so der Fraktionsvorsitzende Markus Schmidt. „Unabhängig von möglichen Potenzialen auf der grünen Wiese gilt es natürlich, die Bestandsaufnahme bei allen städtischen Gebäuden und versiegelten Flächen voranzutreiben, wo mit vertretbarem Aufwand PV-Module installiert werden können. Gleichzeitig sollten systematisch Anfragen an alle Eigentümer von Gewerbeimmobilien erfolgen, inwieweit die Bereitschaft besteht, dort selbst PV-Module zu installieren oder Flächen für diese Zwecke zu vermieten.“

Und auch das Bündnis90/Grünen beschäftigt sich intern intensiv mit dem Thema, so der Fraktionsvorsitzende Peter Honig. „Bevor wir hier aber ein Votum abgeben, müssen wir die Ergebnisse erstmal innerhalb unserer Fraktion ausführlich besprechen.“