Bad Berleburg. Kunstoff-Blumen, Blumenvasen und Engelsfiguren. Markus Dreisbach kann die Angehörigen verstehen, aber der Grabschmuck muss raus aus dem Ruheforst.

Rote Rosen liegen als auffälliger Farbtupfer unter einem Baum. Sehr schöne Blumen, aber eben falsch. „Gegen Schnittblumen hätte ich nichts. Die räume ich dann einfach weg“, berichtet Markus Dreisbach. Der Forstwirt steht vor einer Mammutaufgabe. Er will, er muss den Ruheforst in Bad Berleburg freihalten von solchen Grabmarkierungen. Was er damit meint, wird ein paar Meter weiter deutlich: Hier liegt ein Kreis aus Steinen. Darin längst verwelkte Blumen in einem Kunststofftopf. An anderen Stellen sind es fast schon Schreine. Rosen aus Ton, beschriftete Steintafeln mit Sinnsprüchen wie „Irgendwann sehen wir uns wieder“ oder sogar ein in Holz gelasertes Porträt des Toten. Manchmal liegen sogar Schmuck oder Halskettenanhänger am Fuß eines Baumes. „Da hört es dann für mich auch auf. Ein Erinnerungsstück eines geliebten Menschen lasse ich nicht einfach im Wald liegen“, ärgert sich Dreisbach, wohl auch, weil es Anrufe gibt, wenn dann ein Grab geräumt wurde und so ein Stück fehlt.

"Der Ruheforst ist nicht der Ort für eine große Grapflege", sagt Markus Dreisbach. Er ist für den Ruheforst in Bad Berleburg zuständig. Der Forstwirt macht kämpft gegen eine ungewünschte Erinnerungskultur aus steinernen Grabeinfassungen, gravierten oder bemalten Steinen und Kunstblumen, die an den bewusst naturbelassenen Erinnerungsorten nicht zugelassen sind und entfernt werden müssen.  © WP | Lars-Peter Dickel

Trotzdem: Immer wieder räumt er einzelne Gräber ab. Und er darf das: „Im Vertrag steht eindeutig, dass so etwas im Ruheforst nicht erlaubt ist. Im Grunde sind selbst die Kränze bei der Bestattung nur eine Ausnahme. Ein gentleman’s agreement“, sagt er.

Klare Vorgaben für Bestattungen

Beim Rundgang im Ruheforst zeigt Dreisbach viele solcher Stellen und schüttelt dann den Kopf. „Ich kann das ja verstehen. Es gibt Personen, die das für ihre Trauer brauchen. Aber der Ruheforst ist kein Ort für eine aufwändige Grabpflege. Genau deswegen wählen Menschen diese Bestattungsform.“ Viele Angehörige haben Verständnis dafür. Aber einzelne eben nicht. Und für die läuft jetzt die Zeit ab. Das macht Dreisbach im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich.

„Der Ruheforst wird zwar nicht forstwirtschaftlich genutzt, aber ich muss ihn freischneiden, begehbar halten. Das bedeutet, dass wir rund um die Bestattungsbäume einen Drei-Meter-Radius bearbeiten und freihalten.“ Nach gut zehn Jahren, in denen der Bestattungswald am Burgfeld jetzt genutzt wird, ist es immer wieder nötig, auch Bäume zu entnehmen. Der Käfer und die Trockenheit haben einigen zugesetzt. Vor allem die Fichten sind tot und müssen aus Verkehrssicherungsgründen gefällt werden. Das Gute an den Fichten: „Die wählt niemand als Bestattungsbaum aus“, weiß Dreisbach und ist auch nicht böse darum. Bei dem Flachwurzler müsste er viele Meter Abstand halten, bevor er überhaupt eine Urne in den Boden bringen könnte. Aber auch einige der bis zu 230 Jahre alten Eichen sind immer wieder ein Fall für die Säge. „Wenn es ein Bestattungsbaum ist, pflanzen wir einen neuen nach“, erläutert er.

Forstwirt Markus Dreisbach zeigt, wie der Ruheforst aussehen soll. Rund um Bestattungsbäume soll der Raum begehbar sein. Die Naturverjüngung ist gewünscht und wird gefördert. 
Forstwirt Markus Dreisbach zeigt, wie der Ruheforst aussehen soll. Rund um Bestattungsbäume soll der Raum begehbar sein. Die Naturverjüngung ist gewünscht und wird gefördert.  © WP | Lars-Peter Dickel

Gleichzeitig kommt auch viel Naturverjüngung im Ruheforst hoch. In Einrichtungsbuch der Rentkammer ist nachzulesen, dass dies hier ein vor 230 Jahren angepflanzter Eichenbestand war. In der Zwischenzeit haben aber auch zahlreiche andere Bäume hier Wurzeln geschlagen. Fichten und Lärchen aus den Nachbarbeständen haben hier ausgesamt. Douglasien, Ahorn, Roteichen wachsen auch hier. Die Besucher des Ruheforstes können an dieser Stelle auch sehen, wie der Mischwald der Zukunft in Wittgenstein wächst. Eine „Naturwaldzelle“ sei es aber trotzdem nicht, sagt Dreisbach. „Das alles wächst hier, weil hier vorher Forstwirtschaft betrieben wurde“, macht er deutlich.

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Und die Aufgabe des Forstwirtes im Ruheforst ist vergleichbar mit der in anderen Waldkulturen. Dreisbach muss den Umbau und die natürliche Entwicklung des Ruheforstes begleiten und fördern. „Wenn wir die Bestattungsbäume freischneiden, dann achte ich darauf, dass wir die Baumarten fördern, die in der Minderheit sind“, erläutert er. So wird die Vielfalt gestärkt.

Stichtag 2. September

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Um diese Arbeit vernünftig machen zu können, muss der Bestattungswald von aller unnötigen Grabpflege befreit werden. „Ich habe nichts davon, wenn ich beispielsweise ein auf Holz gelasertes Porträt oder einen liebevoll bemalten Stein einsammele und wegwerfe. Deswegen bitte ich die Angehörigen, ihre Dinge selbst abzuholen. Sie haben Zeit bis zum 2. September. Danach wird alles abgeräumt“, sagt Dreisbach. Und für die Zukunft wünscht er sich, dass der Waldboden und die Bestattungsbäume naturbelassen bleiben. „Dass mit den Schnittblumen wäre ja kein Problem gewesen. Aber dabei bleibt es erfahrungsgemäß nicht“, sagt der Ruheförster.