Bad Berleburg. Die Eisbecher an der B 480 voll mit einem stinkenden Schaum sind kein Müll, sondern erfüllen einen wichtigen Zweck: Sie sollen Leben retten.

Eigentlich ist der Arbeitsplatz eines Berufsjägers in Wald und Feld. Markus Surwehme, hauptberuflicher Revierjäger bei der Wittgenstein Berleburg’schen Rentkammer, hat dieser Tage aber auf der Bundesstraße gearbeitet. Mit über 40 Eisbechern, die vom Eiscafé San Remo gesponsert wurden, mit Sprühfarbe, Schaum und einer streng riechenden Flüssigkeit. Wie passt das zusammen ?

Markus Surwehme war bereits zum wiederholten Mal an der B 480 unterwegs, um das Rehwild zu schützen und tödliche Wildunfälle zu verhindern. „Bis vor zwei Jahren noch hatten wir hier 14 tödliche Unfälle in weniger als sechs Wochen“, erklärt er. Immer wieder musste der Jäger ausrücken, um gerade gegen Ende des Winters Rehe, die nach einem Autounfall noch lebten, aber schwer verletzt waren, zu erlösen und um tote Tiere einzusammeln und zu entsorgen.

Gerade im Winter kommt es vermehrt zu Wildunfällen

Manchmal hatte die Polizei ihn verständigt, manchmal der betroffene Autofahrer selbst und manchmal auch unbeteiligte Passanten, die die verletzten Rehe gesehen haben, weil die Autofahrer sich einfach aus dem Staub gemacht hatten, ohne sich um das verletzte Tier zu kümmern. Doch warum kommt es gerade gegen Ende des Winters zu so vielen Unfällen mit Rehwild?

Markus Surwehme, hauptberuflicher Revierjäger bei der Wittgenstein Berleburg`schen Rentkammer, stellt die gefüllten Eisbecher an der B480, um Wildunfälle zu vermeiden. 
Markus Surwehme, hauptberuflicher Revierjäger bei der Wittgenstein Berleburg`schen Rentkammer, stellt die gefüllten Eisbecher an der B480, um Wildunfälle zu vermeiden.  © WP | Matthias Böhl

„Die Tiere kommen nach dem Winter an die Straßenränder, weil das Salz vom Winterdienst verlockend für sie schmeckt. Zwar haben wir im Wald auch Salzlecken aufgestellt, um die Tiere von den stark befahrenen Straßen fern zu halten, doch viele Tiere suchen auch immer wieder die Gräben auf, um da die ersten Gräser zu knabbern, die den Salzgehalt an sich haben“, erklärt der Fachmann. Gerade an der B 480 zwischen Bad Berleburg und Schüllar sei dann das Problem, dass die Tiere nach dem Genuss der salzhaltigen Gräser durstig werden und die Straße dann einmal überqueren müssen, um an die gegenüberliegenden großen, saftigen Wiesen, die zuerst grün werden, und auch in den Morgenstunden viel Tau bieten, zu kommen.

Ständiges Queren stellt große Gefahr dar

„Danach müssen die Straße nochmals überqueren, weil sie ja zurück in ihre Tageseinstände Richtung Reifelscheid wollen“, so Surwehme weiter. Dieser Aufenthalt an der stark befahrenen Straße und das mehrfache Queren bei laufendem Verkehr stellt eine große Gefahr für die Rehe dar. Hinzu kommt noch ein anderer Punkt: „Eigentlich gelten hier 70 km/h, ein großer Teil ist aber schneller unterwegs und auch bei 70 km/h kommt man oft nicht mehr rechtzeitig zum Stehen“, erklärt Markus Surwehme.

Markus Surwehme, hauptberuflicher Revierjäger bei der Wittgenstein Berleburg`schen Rentkammer, stellt die gefüllten Eisbecher an der B480, um Wildunfälle zu vermeiden. 
Markus Surwehme, hauptberuflicher Revierjäger bei der Wittgenstein Berleburg`schen Rentkammer, stellt die gefüllten Eisbecher an der B480, um Wildunfälle zu vermeiden.  © WP | Matthias Böhl

Der Berufsjäger ist auf einen virtuellen Duftzaun aufmerksam geworden, der Wildunfälle verhindern soll und das Konzept ist denkbar einfach: In regelmäßigen Abständen werden im Grünstreifen und der Dickung neben der Straße Holzpfähle angebracht, auf die der Jäger die erwähnten Eisbecher schraubt. „Dann gebe ich einen speziellen Duftschaum, der komplett abbaubar und nicht umweltschädlich ist, dort hinein“, erklärt er, während er mit einer Sprühflasche die Eisbecher mit einer Substanz, die Bauschaum ähnlich sieht, füllt.

Strenger Geruch nach Menschenschweiß

Bereits hierbei ist der strenge Geruch nach menschlichem Schweiß deutlich wahrzunehmen – je nach Windrichtung. Sind die Eisbecher einmal mit dem Schaum befüllt, muss man ihn ca alle vier Monate mit einer Flüssigkeit auffrischen, damit der Geruch für das Wild so intensiv bleibt. Der Erfolg gibt Markus Surwehme bereits Recht: Die Unfallzahlen sind seit der Einrichtung des Duftzaunes deutlich gesunken. Gab es hier vorher 14 tote Rehe in etwas mehr als einem Monat, gab es seit dem Duftzaun nur noch drei tote Tiere innerhalb eines gesamten Jahres.

Markus Surwehme erklärt Passanten, was es mit den gefüllten Eisbechern auf sich hat.
Markus Surwehme erklärt Passanten, was es mit den gefüllten Eisbechern auf sich hat. © WP | Matthias Böhl

Während Markus Surwehme neue Becher anbringt, oder auffrischt, kommen Spaziergänger vorbei und kommen mit dem Jäger ins Gespräch. „Zwei Jahre lang habe ich mich gefragt, was diese Becher auf den Zaunpfählen für eine Bedeutung haben“, schildert der Spaziergänger. Er ist begeistert von der Aktion: „Ich selbst bin Motorradfahrer und für uns sind Begegnungen mit dem Wild auch sehr gefährlich. Auf diese Weise werden Gefahren für Mensch und Tier minimiert“, ist er voll des Lobes für das Engagement des Revierjägers.

Um Unfälle mit Rehen nach dem Winter zu reduzieren, greift Surwehme zu der Methode mit dem Duftzaun. 
Um Unfälle mit Rehen nach dem Winter zu reduzieren, greift Surwehme zu der Methode mit dem Duftzaun.  © WP | Matthias Böhl

Die Sprühfarbe benötigt der Jäger, um die Zaunpfähle farblich zu markieren: „Zum Einen finde ich die zum Auffrischen immer schnell wieder, zum anderen sehen die Mitarbeiter des Landesbetriebes die Pfähle sofort und können so pflegen, dass die Pfähle nicht stören und nicht beschädigt werden“.