Bad Berleburg. Er hat ein großes Problem mit Alkohol, er ist vorbestraft – trotzdem saß er 2 Mal in Folge betrunken am Steuer. Das Gericht zog die Reißleine.

Wenn der Alkohol nicht wäre, würde der 30-jährige Mann aus Bad Laasphe, der am Dienstag zum wiederholten Male auf der Anklagebank des Bad Berleburger Amtsgerichts saß, wahrscheinlich gar keine Probleme machen – das mutmaßte Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel. In gleich zwei Verfahren wegen betrunkenem Fahren musste sich der 30-Jährige jetzt parallel verantworten.

Ob gefährliche Körperverletzung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, der Widerstand gegen Polizeibeamte – alles unter Einfluss von Alkohol: Der 30-Jährige hatte bereits einiges auf dem Kerbholz, als er erneut auf der Anklagebank Platz nahm. „Das war kein Pech, das waren alles Dummheiten von mir gewesen“, murmelte er seinem Verteidiger zu.

Unfallort verlassen

Laut Anklageschrift soll er am 13. Juli 2022 gegen 22.45 Uhr betrunken unter anderem auf der Königstraße unterwegs gewesen sein und dabei einen Unfall verursacht haben – zwei Blutproben ergaben später Werte von 2 und 1,89 Promille. Den Unfallort verließ er, ohne Fahrzeughalter oder Polizei zu informieren – und fuhr weiter. „Spätestens da hätten Sie aufgrund des Unfalls wissen müssen, dass Sie fahruntüchtig waren“, machte Hippenstiel deutlich. In der Folge wurde dem Bad Laaspher unter anderem der Führerschein entzogen. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, drei Monate später erneut alkoholisiert ins Auto zu steigen. Wieder wurde er erwischt – und wieder ließ die Blutprobe (1,22 Promille) erkennen, dass der 30-Jährige betrunken Auto gefahren war, diesmal sogar ohne Fahrerlaubnis.

Das brisante daran: Erst 2021 hatte er seinen Führerschein zurück bekommen, nachdem er aus der Haft entlassen worden war. „Das zeigt nicht gerade, dass Ihnen der Lappen besonders viel wert ist“, so Hippenstiel. Seinem Verteidiger hatte es der 30-Jährige aber dann zu einem nicht zu verachtenden Teil zu verdanken, dass er mit einer vergleichsweise milden Strafe davon kam. „Ich hatte eigentlich mit einer streitbaren Beweisaufnahme, aber auch mit einer Verurteilung gerechnet“, so der Verteidiger.

Geständnis nach Gespräch mit Anwalt

Doch bevor die Verhandlung startete, nahm er sich seinen Klienten noch einmal für ein Vier-Augen-Gespräch zur Seite. „Die Einsicht war bei ihm bereits da, ich musste also nicht Eulen nach Athen tragen“, sagte er, als die beiden den Gerichtssaal wieder betraten. Denn der Angeklagte hatte zugestimmt, ein Geständnis abzulegen und damit die Beweisaufnahme durch die Vernehmung von den acht geladenen Zeugen abzukürzen. „Er hat alles, was in der Anklageschrift steht, eingeräumt und ist einsichtig und inzwischen zur Vernunft gekommen“, so der Verteidiger.

„Was ist denn schief gegangen, dass Sie wieder angefangen haben zu trinken, nachdem Sie aus der Haft entlassen wurden und dann ein Jahr später wieder mit alkoholbedingten Straftaten auffällig wurden?“, wollte Hippenstiel vom Angeklagten wissen. Der 30-Jährige, der sich bis auf das Geständnis eigentlich nicht weiter hatte äußern wollen, sprach dann doch: „Es hat mir das Genick gebrochen, dass meine Frau mich verlassen hat. Während ich in Haft war, hat sie die Taschen gepackt und ist weg“, so der Angeklagte.

Urteil hätte deutlich härter sein können

„Manchmal kann es sich lohnen, wenn man auf seinen Verteidiger hört und nicht auf biegen und brechen versucht, sich in der Verhandlung herauszuwinden“, lobte Hippenstiel schließlich das Geständnis des Angeklagten. Hätte er sich nicht dazu durchgerungen, so mahnte sie, würde das Urteil deutlich härter ausfallen. Dennoch, so waren sich Richter Hoffmann als auch Oberamtsanwältin Hippenstiel einig: Wenn dem Angeklagten aufgrund vorheriger Verurteilungen bereits bewusst gewesen ist, dass er ein Problem mit Alkohol habe und durch den Genuss aggressiv werde oder sich hinter das Steuer setze, sei es auch in seiner Verantwortung, etwas dagegen zu tun. „Sie standen unter enormem Druck – aber wenn man weiß, dass man mit Alkohol ein solches Problem hat, und sich nicht darum kümmert, dann ist so etwas eben das, was dabei heraus kommt“, verwies Hippenstiel auf die erneute Anklage.

Doch Alkoholismus ist ein täglicher Kampf: Das machte der Verteidiger noch einmal sehr deutlich: „Es ist sehr schwer und jeden Tag aufs neue ein Kampf darauf zu verzichten, wenn der Alkohol einmal so gut geschmeckt hat. Dann hat man diese kleinen Teufel im Kopf, die gerade in schweren Momenten sehr laut sind. Dagegen anzukämpfen ist leider sehr schwer.“

Zehn Termine bei Suchtberatung Pflicht

Aufgrund seiner ohnehin schon prekären finanziellen Lage und des Geständnisses fiel das Urteil schlussendlich – so betonte es auch die Oberamtsanwältin – milde aus. Zehn Monate auf Bewährung bekam der 30-Jährige aufgebrummt, mit einer Bewährungszeit von vier Jahren. Zudem muss er eine in Raten zu zahlende Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro zahlen, die an den Verein „Die Brücke“ in Siegen gehen soll. Weiterhin wird sein Führerschein eingezogen und erst in einem Jahr hat er wieder die Möglichkeit, erneut die Fahrerlaubnis zu erlangen. Dazu kommt außerdem noch die Auflage, dass der Bad Laaspher mindestens zehn Termine zur Suchtberatung bei der Diakonie wahrnimmt. Gegen das Urteil wurde keine Berufung eingelegt.

Alkohol ist ein großes Problem der Gesellschaft – deshalb drängt auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert auf mehr Schutz für Kinder und Jugendliche vor Gesundheitsschäden durch Alkohol und Rauchen, auch mit Marketingverboten. Er fordert „konsequente Schritte“ gegen Reklame für Alkohol und Nikotinprodukte. Insgesamt müsse ein Umdenken in der Drogenpolitik her, machte der Beauftragte der Regierung deutlich. „Wir müssen an die Großbaustellen ran – Alkohol, Tabak und Glücksspiel.“ Kaum ein europäisches Land habe einen so liberalen Umgang mit diesen legalen Angeboten.