Bad Berleburg. Der Bad Berleburger hat ein ungewöhnliches Thema untersucht: Wittgensteiner Todesanzeigen. Dabei hat er interessante Entdeckungen gemacht.

Wenn jemand Todesanzeigen studiert und untersucht, dann klingt das nach einem sehr ungewöhnlichen Spleen. Aber der Bad Berleburger Dieter Bald hat gute Gründe, sich mit der Trauer der Menschen auseinanderzusetzen und damit wie sich diese besondere Kultur entwickelt und über die Jahre verändert hat. Ein Gespräch über das, was man in Todesanzeigen zwischen den Zeilen lesen über die Verstorbene herausfinden, aber vor allem auch die Überlebenden und die Kultur ihrer Zeit erfahren kann.

Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Anlass der eher ungewöhnlichen Beschäftigung mit historisch-regionalen Todesanzeigen ist mein Engagement bei der Diakonie Wittgenstein, wo ich nach meiner Pensionierung ab Anfang 2017 einen Kursus in der Sterbebegleitung belegte. Seitdem bin ich dort ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst tätig. Im Rahmen einer Fortbildung zum zertifizierten Trauerbegleiter reichte ich eine Hausarbeit „Information zwischen Pflicht und Gefühl: Todesanzeigen im historischen Vergleich ein. Hier ging es zunächst um einige regionalgeschichtliche Aspekte mit Anmerkungen zur ersten Todesanzeige in Wittgenstein, zur ersten Danksagung sowie um Bekanntmachungen, die sekundär auch Todesnachrichten beinhalteten. Das Thema ließ mich nicht mehr los.

Diese Todesanzeigen sind im Wittgensteiner Kreisblatt erschienen. Dieter Bald hat sie und über 800 weitere aus dem 19. Jahrhundert inhaltlich und gestalterisch untersucht.
Diese Todesanzeigen sind im Wittgensteiner Kreisblatt erschienen. Dieter Bald hat sie und über 800 weitere aus dem 19. Jahrhundert inhaltlich und gestalterisch untersucht. © WP | Lars-Peter Dickel

Wonach haben Sie die Anzeigen untersucht?

Nach verschiedenen Aspekten: Wer waren diese Menschen, deren Endlichkeit man mit dem damals recht neuen Medium Zeitung im alten Kreis Wittgenstein anzeigte? Wo haben sie gelebt? Wie haben sie gelebt? Wo sind sie gestorben? Welche Ursachen des Todes wurden bekannt? Wer hat um sie getrauert? Welche Spuren haben sie hinterlassen?

Was fasziniert Sie an dieser Recherchen am meisten?

Die Chance, in Archiven sehr alte Aufzeichnungen in den Händen zu halten, zu erforschen und den Menschen dieser Zeit ein Stück nahe zu sein und etwas über sie zu erfahren. Hilfreich dabei ist die Entzifferung der alten Handschriften, die uns immer wieder neu einen Blick in die damaligen Lebensverhältnisse und Themen verschafft.

Faszinierend ist in jedem Fall die Vielzahl der digitalen Quellen, die uns inzwischen fast zu jeder Zeit verfügbar sind und ebenfalls ein großes Fenster in die Vergangenheit bieten. Dazu zählen auch diese alten Zeitungen.

Nicht zuletzt die eigene Möglichkeit, zu teilweise längst vergessenen Menschen etwas Bleibendes zu schaffen.

Dieter Bald hat sich intensiv mit Todesanzeigen aus dem Wittgensteiner Kreisblatt auseinandergesetzt. Aus seiner Forschung ist ein Buch geworden:
Dieter Bald hat sich intensiv mit Todesanzeigen aus dem Wittgensteiner Kreisblatt auseinandergesetzt. Aus seiner Forschung ist ein Buch geworden: "Information zwischen Pflicht und Gefühl" heißt es. © Lars-Peter Dickel | Lars-Peter Dickel

Welche Todesanzeige sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Das war keine Todesanzeige, sondern „nur“ eine Danksagung aus dem Jahr 1882, der, wie damals häufig, keine Todesanzeige vorausging. Sie enthielt ungewöhnlicherweise keinerlei Namen, weder zum Verstorbenen noch zu den Hinterbliebenen. Diese Danksagung vor 140 Jahren war damals im ländlichen Kontext vermutlich einzuordnen. Für uns heute war sie ein Geheimnis, sie weckte meine Neugier und forderte mich heraus, die Geschichte zu finden, die sich hinter diesem Inserat verbarg. Daraus wurde ein Kapitel in meinem Buch.

Was kann man aus diesen Anzeigen ablesen?

Steckbrief

Dieter Bald ist Jahrgang 1954. Er wurde in Kunst-Wittgenstein geboren, hat in Bad Laasphe Abitur gemacht und war Kriminalbeamter unter anderem in Bonn, Köln und Bad Berleburg.

Der Vater von zwei Töchtern und einer Stieftochter ist verheiratet und engagiert sich als zertifizierter Trauerbegleiter im ambulanten Hospizdienst des Diakonisches Werkes Wittgenstein.

Dieter Balds Leidenschaft gilt darüber hinaus der Heimat- und Regionalgeschichte und ist Autor und Mitautor mehrerer Bücher und lokalhistorischer Aufsätze.

Eine spezielle Trauerkultur in unserer Region, die erstmals erforscht wurde. Unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert waren zunächst sehr zurückhaltend, die erste Zeitung in Wittgenstein für die Bekanntgabe von Todesfällen zu nutzen. Während das Wittgensteiner Kreisblatt vor 170 Jahren, im Jahr 1852 startete, finden wir zunächst dort lediglich amtliche Mitteilungen, in denen nebenbei der Tod eines Menschen klartextlich mitgeteilt oder nur angedeutet wird. Man scheute sich, etwas Privates wie den Tod eines Angehörigen in der Presse öffentlich zu machen. 1855, damit erst drei Jahre später, entschloss sich ein Berleburger, den Tod seiner Ehefrau in der Zeitung bekannt zu geben. Und 1866, also 14 Jahre nach der Gründung des Kreisblatts, finden wir die erste Danksagung in der Zeitung abgedruckt. Die weitere Entwicklung dieser speziellen Trauerkultur, bei der die Inserenten zunächst häufig anonym blieben, wurde danach von mir über den Zeitraum der ersten 70 Jahre bis 1928 in insgesamt 832 Todesanzeigen und Danksagungen nach bestimmten Kriterien untersucht.

Sie haben Sich nicht nur mit den Anzeigen, sondern auch mit den Familien beschäftigt. Wie sind Sie an diese Informationen gekommen?

Ja, es war mir ein besonderes Anliegen, etwas über die Menschen zu erfahren, um die man damals trauerte. Auch waren die damaligen Inserenten von Interesse. Zu einem Teil dieser Personen habe kurze Biografien erstellt und im Buch veröffentlicht. Ich forsche seit Jahren in den Kirchenarchiven Wittgensteins und in den beiden fürstlichen Archiven. Daneben greife ich auf die Arbeiten von Jochen Karl Mehldau zurück, der über Jahrzehnte erfolgreiche Ahnenforschung in der Region leistete. Mein teures, aber sehr effektives Abo beim Kirchenportal ARCHION verschafft mir online Zugang zu den bereits digital verfügbaren evangelischen Kirchenbüchern aus ganz Deutschland. Inzwischen ist auch die katholische Kirche mit ihrem Portal MATRICULA online, in denen sie etliche Kirchenbücher außerhalb der Sperrfristen für Personendaten veröffentlicht. Dazu hat das Zeitungsportal NRW inzwischen die Mehrzahl der Jahrgänge des Wittgensteiner Kreisblatts online gestellt, die eine wahre Fundgrube für die Familienforschung sind. Darüber hinaus verfüge ich fast über die gesamte Heimatliteratur der Region, in der ich gerne lese und recherchiere.

Wo kann ich das Buch bekommen?

Das Buch ist in allen drei Buchhandlungen in Bad Berleburg und Bad Laasphe erhältlich, da ich eine regionale Vermarktung vorziehe. Es kann aber auch in jeder anderen Buchhandlung bundesweit bestellt werden, dazu auch direkt im Verlag BoD oder bei anderen bekannten Online-Plattformen.