Bad Laasphe. Mehrere heftige Sturmtiefs liegen hinter Wittgenstein. So erlebten zwei Feuerwehrkameraden ihre Einsätze. Eine Sache machte sie fassungslos.

Es ist 1.30 Uhr – mitten in der Nacht. Plötzlich wird Maik Hobrath wach. Der Strom in Banfe ist ausgefallen. Draußen pfeift ein heftiger Wind. Und auch der Meldeempfänger der Freiwilligen Feuerwehr schlägt plötzlich Alarm. „Da ging es dann los. Wir mussten ein Haus in Heiligenborn evakuieren. Drei Bäume sind dort auf das Haus gekracht.“ Für den 43-Jährigen und seinen Kameraden fängt hier die Nacht gerade erst an. Er fährt nach Bad Laasphe, wo er Teil des Meldekopfes ist, ebenso wie Andreas Hinkelmann vom Löschzug 1 Bad Laasphe. Mit ihnen haben wir über das vergangene Wochenende gesprochen. Wie haben Sie die Sturmtiefs erlebt?

Die Vorbereitungen

Fest steht: Die Einsätze bei Extremwetterlagen werden in den vergangenen Jahren immer mehr – auch für die Einsatzkräfte in Wittgenstein. Schon mehrere hat Andreas Hinkelmann (53) während der 42 Jahre bei der Feuerwehr erlebt – unter anderem Kyrill.

Doch wie bereitet man sich auf Stürme wie die am vergangenen Wochenende vor? Immerhin wurden gleich mehrere angekündigt. „Ich kann nur von mir sprechen – jeder erlebt den Sturm anders. In der Regel kommt schon Tage vorher die Meldung, dass es einen Sturm geben wird. Dann wird überlegt, wie es uns wohl erwischen wird“, so Hinkelmann. Sind die Einsatzwagen für den Ernstfall vorbereitet, die Motorsägen scharf? All dies wird im Vorfeld überprüft. Dann heißt es: abwarten. „Ich hatte das Wochenende Nachtschicht. Als klar war, dass ein Orkantief über Wittgenstein fegen soll, habe ich auf der Arbeit angerufen und gesagt, dass ich nicht zu hundert Prozent weiß, ob die Nachtschicht klappt. Das war aber kein Problem.“

Dann in der Nacht zu Donnerstag war es soweit. „Um halb zwei Uhr Nachts ging der Melder.“ Dann wurde sich aufgeteilt. „Es gibt immer zwei Gruppen – eine fährt raus und absolviert die Einsätze und die zweite Gruppe koordiniert die Einsätze – der sogenannte Meldekopf.“ In der ersten Nacht waren sie zu fünft in der Wache und koordinierten die Einsätze – in der zweiten Nacht sogar zu siebt. „Für die Kameraden draußen ist es vor allem körperlich sehr anstrengend – für uns kopftechnisch. Dafür sitzen wir hier im Warmen“, sagt Hinkelmann. „Für uns ist es vor allem wichtig zu wissen, wo die Kameraden hinfahren – dass sie nicht in Gefahr sind.“ Das ist auch ihren Familien wichtig. „Ich schreibe zwischendurch kurz, was ich mache, damit die Familie sich keine Sorgen macht. Das ist auch für sie wichtig“, so die Feuerwehrmänner.

Anstrengende Arbeit für alle Kameraden

Wie anstrengend die Arbeit im Meldekopf ist, hat auch Maik Hobrath erfahren. „Man sagt ja immer, wer viel mit dem Kopf arbeitet, muss darauf achten, dass er nicht unterzuckert. Wenn die Stimmen um einen plötzlich verstummen und der Blick leicht schwammig wird, weiß man, es ist soweit. Dann braucht man etwas Zucker.“ Daher befindet sich im Einsatzraum, in dem der Meldekopf sitzt, auch immer etwas Süßes.

Dort befindet sich ein PC, der als abgesetzter Arbeitsplatz der Leitstelle dient – von dort aus können die Feuerwehrleute in Bad Laasphe die Einsätze von der Wache auch koordinieren. Bereits Tage vor den heftigen Stürmen hat sich Hobrath mit dem Kreis Siegen-Wittgenstein abgestimmt. Funktionieren die Verbindungen? Wer sind die Ansprechpartner? „Ich habe in der Zeit die Vertretung vom Dirk Höbener gemacht und am Mittwoch noch ein paar Dinge mit dem Kreis abgesprochen. Die Arbeit mit dem Kreis funktioniert wirklich super.“

Die erste Nacht

Es ist Mittwoch – das erste Sturmtief ist für die Nacht zu Donnerstag gemeldet. Die Feuerwehrkameraden haben sich schon auf eine kurze Nacht vorbereitet. Bäume kleinsägen, Straßen freiräumen und Co. – viele von ihnen waren stundenlang im Sturm im Einsatz, um die Zufahrtswege in die Ortschaften frei zu halten. „Wichtig ist, dass die Orte zumindest von einer Seite erreichbar sind“, so Hinkelmann. Allein schon, damit der RTW im Notfall kommen kann. „Ein Hubschrauber kann bei solchen Sturmlagen nicht fliegen.“

Sollte es jedoch zu gefährlich sein, wird die Straße gesperrt. „Der Gruppenführer schaut sich um und schätzt die Lage ein.“ Hinkelmann selbst war im Oktober 2021 als Gruppenführer auf einem Einsatzwagen auf der L 718 zwischen Bracht und Sassenhausen unterwegs. „Es lagen eigentlich nur drei Bäume auf der Straße. Doch man hörte, wie die Bäume im Wald um einen herum wegknickten. Das krachte extrem laut. Da war klar: Wir müssen hier weg.“ Die Straße wurde daraufhin gesperrt.

In der Nacht zu Donnerstag sind im Bad Laaspher Raum viele Bäume umgekippt. Auch am Tag sind zahlreiche Einsatzkräfte noch in der Region unterwegs, um die Straßen zu räumen.
In der Nacht zu Donnerstag sind im Bad Laaspher Raum viele Bäume umgekippt. Auch am Tag sind zahlreiche Einsatzkräfte noch in der Region unterwegs, um die Straßen zu räumen. © Unbekannt | Feuerwehr Bad Laasphe

Und auch Maik Hobrath weiß: „Es macht mehr Sinn, gewisse Straßen erst bei Tageslicht zu räumen – allein der Sicherheit wegen.“ Auch er war schon häufig bei Sturmeinsätzen dabei. In der Nacht zu Donnerstag ging es nach dem ersten Einsatz für ihn dann zum Meldekopf. Die Organisation der Einsätze aber sei gerade in Coronazeiten nicht einfach. „Wir können in solchen Zeiten ja nicht alle Kameraden in die Wache setzen. Die Organisation bei solchen Einsätzen ist aktuell sehr schwierig.“ Das bestätigt auch Andreas Hinkelmann. „Die Regeln bei uns in der Feuerwehr sind noch einmal strenger als draußen. Wir müssen gewährleisten, dass egal was passiert, der Brandschutz aufrecht erhalten bleibt.“ Daher bleibt auch während Sturmwarnungen immer eine Einheit daheim – für den Brandschutz.

Eine schlaflose Nacht

Für Maik und Andreas ist es eine lange Nacht – um elf Uhr sind die Einsätze für die Kameraden im Bad Laaspher Raum beendet. „Gegen 14 Uhr bin ich dann nach Hause und habe erst einmal geschlafen.“ Eine lange Pause aber gibt es nicht – auch Freitagabend geht es wieder los – bis Samstagmittag. „Danach hab ich nur noch geschlafen und bin zur Nachtschicht gefahren.“ Eine anstrengende Zeit für ihn und seine Kameraden.

An erster Stelle steht bei allen Einsätzen die Sicherheit – auch der Kameraden. Nach sechs Stunden spätestens wird daher nachalarmiert und Kameraden nach Hause geschickt. „Das Schlimmste in solchen Situationen wäre es, einen müden Kameraden an die Motorsäge zu lassen.“ Immerhin haben die Einsatzleiter und Meldekopf auch eine Verantwortung den Kameraden gegenüber. „Wenn es zu gefährlich ist, wird die Straße gesperrt und gut ist.“

Die Autofahrer

Doch nicht immer halten sich die Autofahrer an die Absperrungen – das wissen auch Andreas Hinkelmann und Maik Hobrath. Besonders sauer sind die Feuerwehrleute über Autofahrer, die trotz Absperrung durch die Bereiche fahren und sich und ihre Kameraden leichtsinnig in Gefahr bringen. „Das ist mir einfach unbegreiflich“, so der 43-Jährige Banfer, der auch am Wochenende wieder auf eben einige dieser Autofahrer getroffen ist. „Ich habe ihn gefragt, ob er die Warnbake nicht gesehen hat, da meinte er doch ernsthaft: Doch, aber es stand kein ,Gesperrt’ daran. Da musste ich sehr an mich halten.“

Besonders schwerwiegend waren die Sturmschäden am Heiligenborn: Hier stürzten mehrere große Fichten auf ein Haus, so dass dieses mindestens über Nacht von den Bewohnern nicht mehr genutzt werden konnte.
Besonders schwerwiegend waren die Sturmschäden am Heiligenborn: Hier stürzten mehrere große Fichten auf ein Haus, so dass dieses mindestens über Nacht von den Bewohnern nicht mehr genutzt werden konnte. © Feuerwehr Bad Laasphe | Feuerwehr Bad Laasphe

Zurecht. Immerhin ist es des Öfteren passiert, dass sich einige dieser Fahrer später festgefahren haben – unter anderem zwischen Bracht und Richstein. „Ein Fahrer rief an und sagte, er sei zwischen zwei Bäumen eingesperrt und kommt nicht weiter.“ Die Einsatzkräfte aus Bad Laasphe jedoch konnten nicht bis zur Einsatzstelle fahren und haben daher die Kollegen in Bad Berleburg um Hilfe gebeten. Danach haben sie den Fahrer nicht mehr erreichen können. „Da gehen einem viele Bilder durch den Kopf. Ist er weitergefahren? Ist er von einem Baum getroffen worden?“, so Hinkelmann. Der Fahrer selbst sei tatsächlich weiter gefahren und habe sich wenige Stunden später als sicher zuhause gemeldet. „Wir schicken unsere Kameraden dorthin und bringen sie unnötig in Gefahr. Die Menschen denken manchmal einfach nicht nach.“

Dennoch aber – die beiden lieben ihren Einsatz bei der Feuerwehr. „Es ist wie eine Familie. Niemand hier ist alleine“, so Hobrath, der 31 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr ist. Und auch Hinkelmann schätzt seine Kameraden. „Es haben sich im Laufe der Zeit lange Freundschaften entwickelt.“ Man hilft sich und anderen Menschen – egal ob bei Hochwasser, Sturm, Bränden oder anderen Einsätzen.

-> -> -> Erndtebrücker Feuerwehr über den Rückhalt und unschöne Momente <- <- <-

Gleich drei sturmbedingte Großeinsatzlagen beschäftigten die gesamte Freiwillige Feuerwehr Erndtebrück. In Summe sind in dieser Zeit 31 Einsätze abgearbeitet worden, heißt es dazu auf der Facebookseite der Erndtebrücker Feuerwehr.

„Seit fast zwei Jahren bestimmt die Corona-Pandemie den Feuerwehralltag. Aus- und Fortbildung fand in Kleingruppen oder online statt. Das, was die Feuerwehr eigentlich ausmacht, die Kameradschaft, kam in dieser Zeit viel zu kurz. Umso schöner war es in den letzten Tagen zu sehen, dass man sich weiterhin darauf verlassen kann“, heißt es in dem Beitrag.

Auch aus der Bevölkerung kam Unterstützung für die Einsatzkräfte: „In Pandemiezeiten konnte man vor allem in den sozialen Medien sehen, dass ein Großteil der Bevölkerung in Gedanken bei ihrer Feuerwehr ist. Aber auch im echten Leben konnte man diesen Rückhalt spüren. So wurden beispielsweise Einkäufe für die Verpflegung der Einsatzkräfte spontan von Bürgern übernommen und an die Feuerwehr gespendet oder sich nach dem erfolgreichen Einsatz bedankt.“

Aber auch für die Erndtebrücker Feuerwehr gab es nicht nur schöne Momente. „Leider hatte nicht jeder das Verständnis für unsere Tätigkeit. So wurden Straßensperrungen wissentlich missachtet und Maßnahmen nicht ernst genommen. Dass wir als Feuerwehr diejenigen sind, die anschließend in einen lebensgefährlichen Einsatz müssen, um diese Personen aus ihrer Notsituation herauszuholen – soweit denken diese Menschen meist nicht. Und dass diese Einsätze gefährlich sind, mussten wir auch erleben.

Am Freitagabend waren wir plötzlich selbst betroffen, als wir bei dem Versuch, die K 33 als einzige Verbindung in die Zinse frei zu halten, zwischen umgestürzten Bäumen eingesperrt waren und durch andere Kräfte gerettet werden mussten.“

Aber: Alle eingesetzten Kräfte haben die Sturmtage unbeschadet überstanden.

„Wir sind stolz darauf, dass wir als leistungsfähige Feuerwehr für die Sicherheit unserer Gemeinde sorgen konnten.“