Wittgenstein. Marion Bock, Trauerbegleiterin beim Ambulanten Hospizdienst Wittgenstein, über die Arbeit mit den Sterbenden und den Angehörigen.
Für viele Menschen ist es ein Tabuthema: Der Tod. Er stimmt sie traurig oder macht ihnen vielleicht auch Angst. Dabei gehört er zu unserem Leben dazu. Dennoch ist es eine belastende und schwere Zeit für Menschen, wenn ihre Angehörigen nicht mehr lange zu leben haben. Und auch die Betroffenen selbst brauchen auf ihrem letzten Weg einen Halt. Marion Bock gibt ihnen diesen Halt. Sie arbeitet als Trauerbegleiterin beim Ambulanten Hospizdienst Wittgenstein im Diakonischen Werk und ist dort Koordinatorin. Im Interview spricht sie unter anderem über ihre Anfänge als Trauerbegleiterin und darüber, wie wichtig es ist, den letzten Weg im Leben gemeinsam zu gehen.
Frau Bock, seit wann gibt es das Angebot des Ambulanten Hospizdienstes Wittgenstein?
Marion Bock: Seit 2003 begleitet der Ambulante Hospizdienst Wittgenstein im Altkreis Wittgenstein Menschen am Lebensende und deren Angehörige. Mittlerweile besteht das Team aus 60 ehrenamtlichen Hospizmitarbeitenden, davon 2 männliche Mitarbeiter, die von 2 hauptamtlichen Koordinatorinnen geleitet werden.
Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema um?
Für mich ist Sterben ein Teil unseres Lebens. Jeder von uns muss sich im Laufe seines Lebens einmal mit diesem Thema auseinandersetzen. Ich möchte dazu beitragen, die Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden zu unterstützen. In schwierigen Situationen helfen mir Gespräche mit meiner Kollegin und Spaziergänge in der Natur.
Viele Menschen schreckt der Tod ab – wie gehen Sie damit um?
Der Tod gehört genau wie die Geburt mit zum Leben. Als Kind und Jugendliche bereitete mir dieses Thema große Angst. In der Familie wurde kaum darüber gesprochen und ich traute mich auch nicht Fragen zu stellen. Als meine Großmutter ganz plötzlich nur acht Wochen nach der Geburt unseres ersten Kindes starb, stand ich unter Schock und hatte das Gefühl, damit gar nicht klar zu kommen. Nach und nach habe ich mich immer mehr mit diesem Thema auseinander gesetzt und gelernt, damit besser umzugehen.
Wie waren für Sie die ersten Begegnungen mit der Sterbebegleitung?
Meine ersten Begegnungen waren damals bei meiner Arbeit im Altenheim. Durch einen Hospizkurs und einige Fortbildungen fühlte ich mich gestärkt, Menschen am Lebensende zu begleiten. Trotzdem hatte ich auch Angst und Respekt davor. Gerade bei den ersten Begleitungen war es gut, erfahrene Kollegen an der Seite zu haben und nicht alleine zu sein. Eine Sterbebegleitung ist immer etwas sehr Individuelles und Persönliches. Jeder von uns geht seinen eigenen Weg.
Warum ist gerade diese Art der Begleitung Ihrer Meinung nach so wertvoll?
Unabhängig davon, wo das Sterben stattfindet - Zuhause, in der Pflegeeinrichtung oder in einem Krankenhaus - sollte es den betroffenen Menschen ermöglicht werden, auf diesem Weg liebevoll begleitet zu werden.
Was sind gegebenenfalls auch die positiven/schönen Momente in dieser Zeit?
Wir lernen sehr viele verschiedene Menschen kennen. Uns wird eine große Dankbarkeit und Wertschätzung entgegengebracht. Dieser Beruf ist sehr abwechslungsreich. Ich weiß morgens, wenn ich ins Büro komme, nie, was mir dieser Tag bringen wird. Wir koordinieren ein gutes Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die uns mit sehr viel Herzenswärme unterstützen. Trotz der schwierigen Aufgabe sind wir ein sehr fröhliches Team, wo sich einer auf den anderen verlassen kann.
Was sind häufige Fragen, mit denen Sie konfrontiert werden?
Die Angehörigen sind oft verängstigt und sorgen sich, etwas falsch zu machen. Essen und Trinken am Lebensende sowie Schmerzen sind immer wieder Thema.
Gerade für Angehörige ist dies ein schwerer Weg – seit wann gibt es die Kurse für Angehörige?
Es gab schon immer Angehörigenabende. Seit diesem Jahr bieten wir die sogenannten „Letzten Hilfe Kurse“ für Angehörige an. In diesen Kursen vermitteln wir das „kleine 1 x 1 der Sterbebegleitung“: Das Umsorgen von Schwerstkranken und sterbenden Menschen am Lebensende.
In welchen Abständen werden sie angeboten?
Diese Kurse sollen in Zukunft mehrmals im Jahr angeboten werden.
Worauf sollte man bei einer Sterbebegleitung ganz besonders achten?
Man sollte sich Zeit nehmen und ganz bei den Sterbenden sein.
Wird der Wunsch, in vertrauter Umgebung Abschied zu nehmen in der vergangenen Zeit größer, als vielleicht noch vor ein paar Jahren?
Ich glaube, jeder hat den Wunsch, in gewohnter Umgebung zu sterben. Leider ist es nicht immer möglich. Oft lassen es Krankheiten und Familienstrukturen nicht zu.
Wie schaut eine Sterbebegleitung im Regelfall aus? Wie gehen Sie dabei vor?
In der Regel nehmen die Angehörigen, Betreuenden oder die stationären Einrichtungen telefonisch Kontakt zu uns auf. Bei dem ersten persönlichen Kontakt versuchen wir herauszufinden, welche Bedürfnisse und Wünsche im Vordergrund des Betroffenen und deren Angehörigen stehen. Sind es Schmerzen? Welche Sorgen und welche Ängste? Sind es ganz praktische Fragen? Gemeinsam überlegen wir nach Lösungen und stehen beratend zur Seite. Außerdem können unsere ehrenamtlichen Hospizmitarbeitenden die Betroffenen unterstützen und entlasten auf dem letzten Lebensweg.
Was gehört alles zur Begleitung auf dem letzten Weg? Wie kann man jemanden auf seinem letzten Weg begleiten?
Wir möchten ein Stück Wegbegleiter sein und möchten dazu beitragen, die Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden im letzten Lebensabschnitt zu unterstützen.
Wo liegen eventuell auch Hürden?
Dass es immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft ist und wir nicht über den Tod sprechen möchten. Ein offener Umgang macht es allen Beteiligten einfacher, einen guten Abschied zu gestalten und die Betroffenen würdevoll zu begleiten.
Werden derzeit noch ehrenamtliche Hospizbegleiter gesucht? Wenn ja, wer kann sich bewerben? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Es werden immer wieder neue Hospizmitarbeitende gesucht, insbesondere Männer. Um die neuen ehrenamtlichen Mitarbeitenden gut auf ihre zukünftige Tätigkeit vorzubereiten, finden entsprechende Befähigungskurse statt – welche vor einem ersten Einsatz absolviert werden müssen. Die erfolgreiche Absolvierung ist eine Voraussetzung für die Tätigkeit. Im Januar 2022 starten wir einen neuen Befähigungskurs - bei Interesse oder Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.