Bad Berleburg. Die Bürokratie hat den Pfarrern und Ehrenamtlichen im Pastoralverbund Wittgenstein viel Zeit geraubt. Sebastian Reichling nimmt ihnen das nun ab.

Die Arbeit in den Kirchengemeinden wird immer bürokratischer. Damit sich Pfarrer und Ehrenamtliche wieder ihren eigentlichen Aufgaben zuwenden können, wurde für den Pastoralverbund Wittgenstein die Stelle des Verwaltungsleiters geschaffen – am 1. Oktober wurde Sebastian Reichling offiziell zu jenem Verwaltungsleiter ernannt, nachdem er sich seit Mai bereits mit der Arbeit, der Region und den Menschen vertraut gemacht hatte.

Zusätzlich ist er im gleichen Umfang im Pfarrverbund im nördlichen Siegerland beschäftigt. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über seine neuen Aufgaben und die Zukunft der katholischen Kirche in Wittgenstein.

Sie sind Betriebswirt. Hatten Sie schon immer vor, für einen Pastoralverbund zu arbeiten?

Sebastian Reichling Eher nicht (lacht). In den vergangenen Jahren habe ich im Baugewerbe gearbeitet, bin dann wieder in die Heimat zurückgezogen und habe mich hier nach einer neuen beruflichen Herausforderung umgeschaut. Bevor ich mich auf die Stelle beworben habe, habe ich nie im Hinterkopf gehabt, so etwas zu machen und bin da sozusagen eher „reingerutscht“. Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich jetzt in einer solchen Position sein würde, hätte ich das nicht geglaubt.

Wie sah ihre Arbeit vor der Stelle im Pastoralverbund aus?

Die Tätigkeit dort unterscheidet sich schon deutlich von meiner jetzigen Arbeit. Zwar wurden mir auch dort bereits viele Verantwortungen übertragen, aber ich habe in einem kleinen Handwerksbetrieb gearbeitet. Das heißt, ich war fast an allen Arbeitsabläufen beteiligt: Ich habe mich unter anderem um die Personalplanung gekümmert, habe die Buchhaltung und den Einkauf unterstützt. Die Verwaltung bestand dort aber aus zwei bis drei Personen, sodass mehrere Beteiligte einer Entscheidung zustimmen mussten. Im Gegensatz zu jetzt: Als Verwaltungsleitung darf ich selbstständig entscheiden.

Ist es möglicherweise ein Vorteil, dass Sie vergleichsweise unbedarft in diesen kirchlichen Bereich gekommen sind?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass es schon vorteilhaft ist. Ich habe vorher einen Jugendtreff geleitet und daher Erfahrungen mit der Öffentlichkeitsarbeit und dem Ehrenamt gesammelt. Die Arbeit in Zusammenarbeit mit der Kirche ist aber doch noch einmal etwas ganz anderes als in der freien Wirtschaft.

Sebastian Reichling ist der neue Verwaltungsleiter im Pastoralverbund Wittgenstein.
Sebastian Reichling ist der neue Verwaltungsleiter im Pastoralverbund Wittgenstein. © WP | Lisa Klaus

Was genau sind die Unterschiede zwischen der Verwaltung eines Betriebes und der Verwaltung eines Pastoralverbundes?

Der größte Unterschied ist eigentlich, dass ich jetzt überwiegend mit Ehrenamtlichen zusammenarbeite. Viele, mit denen ich zu tun habe, sind entweder geringfügig, in Teilzeit oder ehrenamtlich tätig, abgesehen von den Pfarrern. Und so fallen eben auch mal Termine am Abend an. Manche Abläufe zögern sich gegebenenfalls daher auch ein bisschen hinaus, weil diese Menschen neben dem Ehrenamt auch noch ihren Hauptberuf ausüben. Dafür ist diese Stelle geschaffen worden, die ich jetzt ausübe: Um allen Beteiligten unter die Arme zu greifen. Die vielen anfallenden Aufgaben werden komplexer und es bedarf weitaus mehr Aufwand als früher. Diesen Menschen zuzuarbeiten und sie zu entlasten, ist das Hauptziel dieser Stelle. Auch gehört dazu, dass ich den Pfarrern den bürokratischen Aufwand abnehme, sodass sie sich mehr um die eigentliche Seelsorge kümmern können.

Damit sie wieder Pfarrer sein können, also.

Genau. Sie können mehr Zeit in die Vorbereitung der Gottesdienste investieren, haben mehr Freiraum für Ortstermine und können Ihrer eigentlichen Berufung nachgehen: Sie können mehr für die Gemeindemitglieder da sein.

Ich kann mir vorstellen, dass das für die Pfarrer eine Erleichterung ist. Haben sie das zurück gespiegelt, dass sie froh sind, dass Sie jetzt diese Dinge übernehmen?

Ja, auf jeden Fall. Es sind vor allem die organisatorischen Aufgaben, bei denen sie sagen: „Schön, dass ich entlastet werde und mich weniger darum kümmern muss“. Es wird unmissverständlich klar gemacht, was ab sofort zu meinen Aufgaben gehört und das ist auch gut so und wichtig. Es ist eine neu geschaffene Stelle. Dass sich da vieles erst einspielen muss, das ist vollkommen klar. Der Anfang ist aber schon ganz gut gelaufen, sodass die Pfarrer auch loslassen können – im ersten Augenblick jedenfalls (lacht). Es handelt sich schließlich um eine teilweise jahrelang übernommene Aufgabe und auch Verantwortung, die jetzt nach und nach abgegeben wird. Das funktioniert mit der Zeit aber immer besser.

Wie sieht Ihre Arbeit derzeit aus?

In beiden Pastoralräumen (Nördliches Siegerland und Wittgenstein) habe ich Personalverantwortung für 35 Leute – es sind zwar überwiegend geringfügig Beschäftigte, aber auch dort ergeben sich so einige Anliegen und Fragen. Man übernimmt die Leitung und Organisation der Verwaltung des Pastoralen Raumes und ist gleichzeitig auch Ansprechpartner für die Kirchenvorstände. Im Moment ist auch die Beantwortung von Fragen rund um Corona ein ganz großes Thema.

Wie genau sieht die Unterstützung der Ehrenamtlichen aus?

Ich unterstütze die Kirchenvorstände in ihrer Verantwortung für das Haushalts- und Rechnungswesen, die Liegenschaften sowie Baumaßnahmen und führe deren Beschlüsse aus. Wie man merkt, sind die Aufgaben sehr vielfältig. Zu meiner Unterstützung sitzen in den Abteilungen des Gemeindeverbands Spezialisten zu verschiedenen Themen. Ich arbeite dann in enger Absprache mit ihnen zusammen. Was aber wichtig ist: Ich bin kein Chef von Kirchenvorständen, sondern ich arbeite ihnen zu. Sie dürfen selbst entscheiden, was gemacht wird und was nicht.

Kann man ihre Stelle dann auch als eine Art Zukunftsversicherung für die katholische Kirche verstehen?

Es werden sich Dinge verändern, die Gemeinden werden kleiner, eventuell müssen Gebäude abgestoßen werden, gewisse Sachen müssen zusammengelegt werden und dann hat man so eben eine Begleitung durch alle möglichen Abteilungen. Es kommt in den nächsten Jahren so Einiges auf uns zu.

Was sind die Aufgaben, die Sie und der Verbund jetzt unmittelbar angehen müssen?

Einer der ersten Schritte ist eine Baumaßnahme in Bad Laasphe, die abgeschlossen werden muss. Sowohl die Planung als auch die Ausführung ziehen sich schon etwas hin. Dann wird die Umsatzsteuereinführung ein ganz großes und das vielleicht wichtigste Thema. Ab 2023 sind die Kirchengemeinden umsatzsteuerpflichtig, was vorher nicht der Fall war. Das wird eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass wir hier ja in einer Diaspora leben – die Katholiken sind in der Minderheit – und das muss man im Auge behalten. Wir wollen die Leute animieren, sich in der Kirche zu engagieren. Die Gremien – Kirchenvorstand, Gemeinderat – müssen auf Dauer besetzt werden. Wir müssen schauen, dass wir Ehrenamtliche oder geringfügig Beschäftigte finden, die sich dazu bereiterklären. Über mangelnde Arbeit kann ich mich also nicht beschweren (lacht). Für mich persönlich wird es zusätzlich noch eine große Aufgabe werden, meine Stelle zu etablieren und mir das Vertrauen zu erarbeiten. Aber ich blicke dem Ganzen optimistisch entgegen.

Vielleicht ist es für die Leute einfacher, sich für den Schritt in ein Ehrenamt zu entscheiden, wenn sie wissen, dass sie sich nicht um die Bürokratie kümmern müssen.

Ja und es geht eben auch darum, dass die Leute sich stolz als Katholiken bezeichnen können, obwohl Sie hier in der Minderheit sind. Alle Mitglieder der Gemeinde und des Pastoralen Raumes sollen merken, dass hier für Sie etwas getan wird. Es freut mich, dass ich dazu beitragen kann.

Mit Sebastian Reichling sprach Lisa Klaus