Wittgenstein. Der Beruf des Kranken- oder Altenpflegers kämpft mit seinem oft schlechten Image – in der Öffentlichkeit, aber auch bei potenziellen Fachkräften.

Pflege-Fachkräfte in Krankenhäusern reduzieren immer häufiger ihre Arbeitszeiten – das stellt derzeit jedenfalls Jan von Hagen fest, Gewerkschaftssekretär bei Verdi NRW. Ist das auch in Wittgenstein so, womöglich nicht nur in Krankenhäusern, sondern etwa auch in Altenheimen? Wie sieht es überhaupt mit dem Pflege-Personal und seiner Verfügbarkeit aus?

Bad Berleburg

Arbeitszeit-Reduktionen: „Vermehrte Arbeitszeit-Reduktionen im Pflegebereich konnten wir bisher nicht feststellen“, teilt Erik Thiel als Sprecher der Vamed-Kliniken in Bad Berleburg auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Es gibt allerdings immer mal wieder Beschäftigte in unseren beiden Kliniken, die ihre Arbeitszeit aufgrund ihrer persönlichen Situation reduzieren.“ Zum Glück seien da aber „immer wieder Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit erhöhen möchten. Das gleicht sich meistens ganz gut aus.“

Blick von oben auf das noch relativ neue Friederike-Fliedner-Haus für pflegebedürftige Menschen an der Mühlwiese in Bad Berleburg. Hier soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor allem „ein insgesamt gutes Arbeitsumfeld“ geboten werden.
Blick von oben auf das noch relativ neue Friederike-Fliedner-Haus für pflegebedürftige Menschen an der Mühlwiese in Bad Berleburg. Hier soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor allem „ein insgesamt gutes Arbeitsumfeld“ geboten werden. © Berge-Bau Erndtebrück

Konkrete Auswirkungen auf den Alltag in der Pflege gebe es meist dann, so Thiel, „wenn Stunden deutlich reduziert werden oder Mitarbeiter das Haus verlassen“. Auf diese Weise könne es – „zumindest kurzzeitig – zu Mehrarbeit bei den verbliebenen Pflegenden kommen. Wir legen daher einen großen Fokus auf eine schnelle Nachbesetzung unserer offenen Stellen“.

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Vor diesem Hintergrund habe bisher „in beiden Häusern von einer Schließung einzelner Stationen abgesehen werden“ können, so Erik Thiel weiter – allerdings, so fügt er noch hinzu: „Der Fachkräftemangel stellt auch für uns eine große Herausforderung dar.“

Gegensteuern: Lässt sich da irgendwie gegensteuern, womöglich mit besserer Bezahlung? Dazu Thiel: „Wichtig ist es aus unserer Sicht, den Mitarbeitern ein insgesamt gutes Arbeitsumfeld zu bieten. Eine angemessene Bezahlung ist dabei nur ein Aspekt. Ein guter Mix vieler Komponenten, zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Fairplay, Teamarbeit, Wertschätzung sowie ein umfangreiches Einarbeitungskonzept sind mindestens genauso wichtig. An allen genannten Punkten arbeiten wir in beiden Häusern stetig und versuchen uns von Mitbewerbern abzuheben.“

Breites Angebot an Einrichtungen

Im gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es derzeit 30 Alten- und Pflegeheime, darunter vier im Altkreis Wittgenstein.

Das breiteste Angebot für die Zielgruppe hat Bad Berleburg mit dem neuen Friederike-Fliedner-Haus, dem Haus am Sähling und dem Altenheim Haus Ederhöhe in Beddelhausen. Hinzu kommen das Seniorenstift Haus Elim in Oberndorf und das AWO-Seniorenzentrum Erndtebrück.

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Arbeitsmarkt: Und was gibt der offensichtlich leergefegte Arbeitsmarkt in der Pflege-Branche überhaupt noch her? „Derzeit leider nicht so viel, wie von uns gewünscht“, bedauert Thiel. „Probleme bereitet uns auch, dass der Pflegeberuf kein durchweg positives Image in der öffentlichen Wahrnehmung hat. Neben guten Rahmenbedingungen für die Pflege ist daher auch unser Ziel, positiv über den Beruf zu kommunizieren und insbesondere junge Menschen für eine Tätigkeit in der Gesundheits- und Krankenpflege zu begeistern.“

Bad Laasphe

Fachkräfte: Sicher: „Fachkräfte sind schwierig zu bekommen“, sagt Benjamin Krusemark, Einrichtungsleiter des Seniorenstifts Elim in Oberndorf. Aber in seinem Hause sehe es mit Pflegepersonal derzeit gut aus: „Wir können die Fachkraftquote von 50 Prozent halten.“ Also jenen Anteil, den examinierte Fachkräfte unter dem gesamten Pflegepersonal in der Einrichtung haben sollen, etwa neben den eingesetzten Pflegehilfskräften.

Seniorenstift Elim in Oberndorf: Die Geschäftsführung setzt auf neue Regelungen des Gesetzgebers zur Anerkennung von Fachkräften in der Pflege.
Seniorenstift Elim in Oberndorf: Die Geschäftsführung setzt auf neue Regelungen des Gesetzgebers zur Anerkennung von Fachkräften in der Pflege. © Eberhard Demtröder

Positiv sieht Krusemark die Perspektive, dass ab 2023 neben den dreijährig examinierten Fachkräften auch solche im Sinne der Quote anerkannt werden, die nur einjährig examiniert seien. Hier wirke der Gesetzgeber dem Fachkräfte-Mangel also entgegen. Das bedeute andererseits, so Krusemark, dass eine kompetente Pflegefachkraft künftig eben nicht mehr in erster Linie „am Bett des Pflegebedürftigen steht“, sondern im Arbeitsalltag eher Aufgaben der Koordination und Kon­trolle übernehme. Zugleich leisteten die meisten Pflegehilfskräfte ja auch sehr gute Arbeit.

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Neueinstellungen: Die neuen Regeln ab 2023 veranlassen Krusemark nun dazu, „bestehendes Personal nachzuqualifizieren und neues einzustellen“. Mit Blick auf die weitere Entwicklung liege das Seniorenstift derzeit „mit zweieinhalb Stellen überm Soll“, sagt der Leiter – das sei eine „Investition in die Zukunft“. Übrigens: An Pflegepersonal komme man meist über Mundpropaganda, hat der Einrichtungsleiter festgestellt. Oder über Ebay Kleinanzeigen – da seien die gesuchten Leute digital unterwegs.

Erndtebrück

Arbeitszeiten: Die Feststellung von Verdi könne sie für ihr Haus „so gar nicht bestätigen“, sagt Petra Thomä-Steiner, Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Erndtebrück. Natürlich gebe es gelegentlich den Wunsch vor allem pflegender Kolleginnen nach Arbeitszeit-Reduzierung, doch sei das gesamte 75-köpfige Team eher motiviert bei der Sache – selbst während der Pandemie.

AWO-Seniorenzentrum in Erndtebrück: Hier trudeln auf Stellenausschreibungen im Pflegebereich oft gar keine Bewerbungen ein.
AWO-Seniorenzentrum in Erndtebrück: Hier trudeln auf Stellenausschreibungen im Pflegebereich oft gar keine Bewerbungen ein. © Eberhard Demtröder

Besagter Wunsch, oft aus familiären Gründen geäußert, lasse sich aber in der Regel „einvernehmlich“ einrichten, so Thomä-Steiner. Natürlich müsse sich jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter darüber im Klaren sein: Kann ich mir das Kürzertreten auch finanziell leisten?

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Notstand: Notstand in der Pflege? Für die Einrichtungsleiterin kein Thema. Sicher: Bis Januar 2021 habe das Seniorenzentrum die Unterstützung einer Zeitarbeitsfirma gehabt – aber durch mehrere Einstellungen hätten sich Engpässe beim festen Personal „erst einmal komplett erledigt“. Entspannter sehe es auch dank des Pflegestärkungsgesetzes aus, weil sich demnach die Zahl der Vollzeitstellen an den Pflegegraden der Bewohnerinnen und Bewohner orientiere – Faustregel: je pflegebedürftiger, desto mehr Personal kommt zum Einsatz. Im Übrigen ließen sich Ausfälle im Pflegealltag üblicherweise rasch kompensieren, berichtet Thomä-Steiner.

Bezahlung: Lässt sich auch mit besserer Bezahlung der Mitarbeiter etwas bewirken? „Die AWO zahlt ja nach Tarif“, sagt dazu die Einrichtungsleiterin – und diese Tarife seien gut. Sie müssten ja auch über die Pflegekassen refinanziert werden können. Andererseits „höre ich keine Klagen der Kolleginnen und Kollegen“ über zu wenig Gehalt, betont Thomä-Steiner.

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Bewerbungen: Problematischer sei es auf dem Arbeitsmarkt in der Pflege-Branche: „Ich würde schon sagen, er ist ziemlich leergefegt“, so Thomä-Steiner. „Da gibt es teilweise gar keine Bewerbungen auf unsere Stellenausschreibungen.“ Was man deshalb tunlichst machen sollte, so die Einrichtungsleiterin: „ausbilden und anschließend übernehmen“.