Bad Berleburg. Es sind Kleinigkeiten, die den Alltag von Menschen mit Handicap verbessern könnten. Nur darüber zu Reden reicht aber nicht, weiß eine Betroffene.
Mülltonnen und Schilder, die auf den Gehwegen stehen, fehlende Möglichkeiten zur Straßenüberquerung oder Leitsysteme, die nicht bis zur Bordsteinkante gehen – Katrin Spies-Gußmann kennt die Probleme, mit denen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung – sei es schlecht sehend oder gar blind – im Alltag konfrontiert werden.
Sie ist Mitglied im Leitungsteam der BSVW – Bezirksgruppe Wittgenstein und Umgebung. Die Lokalredaktion hat die 53-Jährige getroffen, um mit ihr über die Dinge zu sprechen, die sie sich für Bad Berleburg und die Region wünschen würde.
„Man kann bereits mit wenig Aufwand viel bewirken“, so Spies-Gußmann. „Zum Beispiel bei den Mülltonnen: Es würde schon helfen, wenn man die Mülltonnen nicht mitten auf den Gehweg stellen würde. Ich beispielsweise schätze meinen Weg oft nach der Zeit ab. Wenn ich nun um jede Mülltonne herumgehen muss, bringt dies meinen Zeitplan völlig durcheinander. Dann weiß ich gar nicht mehr, wo ich nun eigentlich bin.“ Ähnlich sei es mit den Aufstellern einiger Geschäfte. „Ich weiß, es sieht schön aus, aber vielleicht könnte man sie etwas mehr an die Seite stellen.“
Knackpunkt ÖPNV
Ein weiteres wichtiges Thema für viele Menschen: der öffentliche Personalnahverkehr (ÖPNV). „Es sollte generell mehr ÖPNV-Angebote geben.“ Doch auch hier könnten kleine Kniffe den Alltag von vielen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung leichter gestalten. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Knopf an Bushaltestellen, die, wenn man sie betätigt, die nächsten Buslinien ansagen würde. „Dann wüsste ich auch, welcher Bus als nächstes kommt.“ Denn: Auch wenn es eine ÖPNV-App gibt – die Fahrpläne aus Siegen-Wittgenstein sind dort nicht zu finden.
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Und noch etwas: „Wenn im Zug kaum jemand ist, kommt es auch schon mal vor, dass viele Haltestellen gar nicht mehr angesagt werden. Wenn man schlecht oder auch gar nichts sehen kann, ist das ein großes Problem.“ Zudem gebe es auf der Strecke von Bad Berleburg bis nach Siegen das Problem, dass die Lücke zwischen Bahnsteig und dem Einstieg in die Bahn viel zu groß sei. „Mein Blindenführhund ist einmal fast in den Spalt gefallen. Ein Bahnmitarbeiter konnte ihn grad noch halten. Aber so etwas ist gefährlich – wenn man die Lücke nicht sieht, kann man stolpern und sich böse verletzen.“
„Mehr Verständnis füreinander wäre schön“
Auch gefährlich sind die Straßenübergänge – gerade auf Bundesstraßen. „Hier würde ich mir wünschen, dass es mehr Übergänge gibt – insbesondere bei Bushaltestellen. Ich beispielsweise kann nicht eben mal schnell mit einem Blindenführhund über die Straße laufen.“ Als Beispiel sei hier das Berufskolleg in Bad Berleburg genannt. „Bis zum Rewe ist es ein weiter Weg. Es wäre schön, wenn es vielleicht schon eher eine Möglichkeit zum Überqueren der Straße gebe.“
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An sich aber – so Spies-Gußmann – wünsche sie sich vor allem eins: Mehr Verständnis für einander. „Es wäre so schön, wenn wir nicht immer über Barrierefreiheit reden müssten, sondern einfach mehr Verständnis für einander hätten. Wenn nicht erst jemand hupt, weil man vielleicht zu langsam geht.“ Denn: Wir alle können irgendwann einmal eine Sehbeeinträchtigung bekommen – sei es durch Krankheit, der vielen Arbeit am PC und Smartphone oder altersbedingt.
Zahlreiche Handicaps werden vergessen
„Wir reden immer von Barrierefreiheit, aber das was wir haben, ist keine Barrierefreiheit sondern eine Barriere-Armut.“ Oftmals werden zahlreiche Handicaps vergessen. „Barrierefreiheit ist nicht, nur alles ebenerdig zu machen oder für Menschen im Rollstuhl gerecht zu machen.
„Es gibt viele Beeinträchtigungen, mit denen man im Alltag konfrontiert wird.“ Zum Beispiel würde es schon sehr helfen, den Bordstein andersfarbig zu gestalten oder eben mehr Leitsysteme zu schaffen. „Ich mache niemandem einen Vorwurf, man kann nicht alles wissen. Aber: Unwissenheit schützt nicht davor, dass ich mich nicht erkundige.“